Türkei krebst zurück

Nur ein Reförmchen für Christen, Juden und Alevis

In der Türkei zeigen sich evangelische und andere Christen, aber auch die jüdischen Gemeinden enttäuscht über das Reformpaket von Ministerpräsident Erdogan für mehr Religionsfreiheit und Demokratie.

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Die bulgarisch-orthodoxe Kathedrale Sankt Stefan in Istanbul
Nach grossen Versprechungen und noch grösseren Erwartungen sind die konkreten Verbesserungen oder zumindest Erleichterungen für die nicht-islamischen bzw. nicht-türkischen Minderheiten kläglich ausgefallen. Die Istanbuler «Apogevmatini» (Abendblatt) spricht daher davon, dass «nach einer Elefantenschwangerschaft nur ein Mäuschen geboren wurde».

Soner Tufan, Sprecher der Evangelischen Allianz in der Türkei, begrüsst zwar den Reformwillen der Regierung von Ankara, hält aber mit herber Kritik an den schliesslich doch nur minimalen Konzessionen nicht zurück: «Wir Protestanten müssen weiter in der Illegalität leben, ohne jede gesetzliche Anerkennung», klagt er der reformislamischen Zeitung «Zaman» (Die Zeit). «Wir wussten zwar im Voraus, dass es für uns Evangelische noch keine massgeschneiderte Lösung geben wird.»

Evangelische als Sekten

Aus der Sicht des osmanischen Religionsrechts sowie der heutigen türkischen Religionspolitik sind Protestanten und besonders evangelische Freikirchen eben keine etablierte Konfession, sondern gehören zu den Sekten. Einen anerkannten Status haben nur die Griechisch- und Armenisch-Orthodoxen, nicht einmal die Katholiken.

Ähnlich erging und ergeht es nun weiter den nicht-konformistischen islamischen Richtungen. Dazu der Allianz-Sprecher wörtlich: «Wir haben wenigstens einen legalen Status für die Gotteshäuser der Alevis erwartet, die so genannten Cemevi (auf Türkisch: Versammlungshaus). Daraus hätten sich dann wenigstens analoge Rechte für die Freikirchen unserer Allianz ableiten lassen!»

Ein erster Schritt

Auch für den armenischen Christen Ara Kotschunian, Chefredaktor der Wochenschrift «Hamakan» in Istanbul, ist das Reformpaket aus Ankara «unzureichend». Doch stelle es einen «ersten Schritt in die richtige Richtung» dar. Das gelte besonders für die Bestrafung von islamistischen Hasspredigten und Hetzpamphleten gegen Christen und Juden. In ähnlichem Sinn äussern sich auch Vertreter der letzteren.

Besonders schmerzlich ist die Ernüchterung aber bei den Griechisch-Orthodoxen, denen die theologische Ausbildung ihrer Pfarrer auf türkischem Boden weiterhin untersagt bleibt. Wesentliche Erleichterungen erhalten hingegen die Syrisch-Orthodoxen, was ihr Schulwesen und den Klosterbesitz angeht. Schon immer war es türkische Taktik, eine religiöse Minderheit zu privilegieren und gegen die anderen auszuspielen.

Zum Thema:
Hagia-Sophia-Moschee gegen theologische Fakultät
Diskriminierende Verfassungsartikel vor der Aufhebung
Wo die Sprache Jesu überlebt hat

Datum: 14.10.2013
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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