Maalula in Not

Wo die Sprache Jesu überlebt hat

Mit der Belagerung der Pilgerstadt könnte die aramäische Sprache untergehen – und eine wenig bekannte christliche Tradition.

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In Maalula im Norden Syriens wohnen noch aramäisch sprechende Christen.
Zum ersten Mal in seiner fast 2000-jährigen christlichen Geschichte konnte nördlich von Damaskus in der Kirchenstadt Maalula Mitte September nicht das Fest der «Kreuzerhöhung» begangen werden.

Jahr für Jahr versammelte das Fest seit Jahrhunderten Pilgerinnen und Pilger aller Konfessionen, aber auch Muslime aus dem Ort und seiner Nachbarschaft. Doch diesmal marschierte eine Woche vor dem Feiertag die politislamische «Kalamun-Befreiungsfront» in Maalula ein. Seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges vor zweieinhalb Jahren hatte noch niemand die Christenenklave angetastet.

Wie es heute aussieht, wird es auch zum zweiten, volkstümlichen Feiertag am 7. Oktober weder die übliche Festbeleuchtung noch den sonstigen Besucherstrom geben. Zwar sind die Regierungstruppen von Präsident Assad mit Panzern in die Unterstadt von Maalula vorgestossen. Doch die Islamisten haben sich in den Vierteln am Abhang des Berges verschanzt, der die Stadt überragt. Dort plündern sie Kirchen und Häuser, sprengten die Kuppel des Elias-Domes und stellen die letzten Christen vor die Wahl, erschossen zu werden oder zum Islam überzutreten.

In Maalula droht so der letzte Rest von Christentum zu erlöschen, aber auch die aramäische Muttersprache Jesu auszusterben, die fast nur noch dort gesprochen wurde. Die zweite aramäische Sprachinsel im türkischen Tur Abdin ist schon seit Jahrzehnten entvölkert. Neuerdings bemühen sich die aramäischen Christen in ihrer überseeischen und europäischen Diaspora, dieses Idiom wiederzubeleben, in dem es einst eine reiche kirchliche Literatur gab. Ein wichtiges Zentrum dieses Neu-Aramäischen liegt in der Schweiz: Das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Augin in Arth am Zugersee.

Mit den Kämpfen um Maalula droht aber neben der Muttersprache Jesu auch eine ursprüngliche und eigenständige Weiterentwicklung seiner Botschaft auf der Strecke zu bleiben. Die aramäischen Christen empfingen das Evangelium nicht durch Übersetzungen, sondern gleichsam direkt aus Jesu Mund. Ihr Verständnis der Bibel löst manche Missverständnisse, die in der griechischen und vor allem lateinischen Überlieferung aufgetreten sind. So zum Beispiel die vermeintliche Empfehlung Jesu für ein eheloses Leben und ein Männern vorbehaltenes kirchliches Amt. So wurde in Maalula bis zuletzt eine weibliche «Apostolin» verehrt, die Paulusschülerin Thekla. Der aramäische Pfarrer Abraham Mitrie Rihbani hat diese Eigentraditionen 1916 in seinem Buch «The Syrian Christ» frisch aufgegriffen. Die deutsche Ausgabe von 1926 unter dem Titel «Morgenländische Sitten im Leben Jesu» hätte es verdient, wieder gelesen zu werden.

Zum Thema:
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Datum: 23.09.2013
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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