Eine Bibel pro Sekunde

Welches Land druckt die meisten Bibeln?

Obwohl offiziell ein «atheistisches Land», druckt die Volksrepublik China die meisten Bibeln von allen Ländern der Welt. «Amity Printing» plant, diesen Sommer die 150-Millionen-Marke zu knacken.

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Druckerei «Amity Printing» in China druckt bis zu 18 Millionen Bibeln pro Jahr
Die spanische Zeitung El Mundo erhielt kürzlich Zutritt zur grössten Bibeldruckerei der Welt, die eine Grösse von acht Fussballfeldern hat. Sie gehört einer christlichen Organisation mit 600 Angestellten und druckt 70 Bibeln pro Minute.

Das Kleine Rote Büchlein

«Unsere Kirche wurde damals konfisziert und zu einer Druckerei für die Mao-Bibel umfunktioniert», erklärt eine der Mitarbeiterinnen, Frau Ma. In den turbulenten Jahren von 1967-77 konfiszierten die «Roten Garden» von Mao Tse-Tung Bibeln und verbrannten sie. Das «Rote Buch» sollte die einzige ideologische Referenz sein. Nur die Bibel zu lesen, war bereits eine subversive Aktivität. «Meine Familie hatte eine Bibel, und wir hielten sie versteckt. Wir trafen uns in Häusern, und andere Christen schrieben Passagen der Bibel von Hand ab und gaben die Passagen weiter», erzählt die 69-Jährige. «Die Leute brachten ihre Bibelabschnitte mit, wenn wir uns trafen, so dass wir irgendwie das ganze Buch zusammenbrachten.»

Die Amity-Druckerei liegt in Najing (Südchina), ein paar Kilometer nördlich der Kirche, von der Ma redet und die sie heute besucht. Der Kontrast zwischen ihrem Bericht und der hektischen Aktivität in der Bibeldruckerei macht deutlich, welchen Wandel das riesige Land in den letzten 40 Jahren durchgemacht hat.

18 Millionen Bibeln jährlich für die ganze Welt

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Lagerbestände der Druckerei
Die Amity Druckerei, die jedes Jahr bis zu 18 Millionen Bibeln druckt, ist ein gemeinsames Projekt der chinesischen Amity-Stiftung und der Vereinigten Bibelgesellschaften. Die endlosen Druckmaschinen verschlingen 100'000 Tonnen Papier pro Jahr, und die 600 Angestellten können zwischen 60 und 70 Bibeln pro Minute drucken. 

«Die Hälfte unserer Produktion geht an Christen in China und die andere Hälfte geht ins Ausland», erklärt Vivian Wie Zhend, eine der Direktorinnen der Druckerei. «Wir drucken Bibeln in 90 Sprachen – einschliesslich Blindenschrift – und senden sie in etwa 70 Länder, und zwar nicht nur protestantische, sondern auch katholische Bibeln.»

Solch eine Bibel kostet in China 32 Yüan (gut 4 Euro). Der Preis liegt unter den Produktionskosten und ist nur dank Beiträgen christlicher Organisationen möglich.

Technische und geistliche Weiterbildung

In Ergänzung zu technischem Training versucht die Stiftung auch, ihren Mitarbeitern geistlich etwas mitzugeben. «Wir sind keine Kirche. Wir evangelisieren nicht direkt, aber wir haben eine beträchtliche Anzahl von Mitarbeitern, die Christen sind – genauso wie wir Mitglieder der Kommunistischen Partei haben», erklärt Zheng, die selbst Christin ist. «Wir organisieren oft Diskussionsrunden mit Geistlichen und christlichen Persönlichkeiten. Wir versuchen, ihnen den besonderen Charakter dieser Druckerei zu erklären, die Bibeln produziert – ein Buch, das die Welt verändern kann. Wir möchten ihnen klarmachen, dass ihre Leistung eine grosse Bedeutung hat.»

Alles fing mit Präsident Carter an

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Jimmy Carter
Die Ursprünge der Amity-Bibeldruckerei sind eng verbunden mit dem Treffen, das der damalige Ministerpräsident Deng Xiaoping im Jahr 1979 mit dem damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter hatte. Der evangelikale Christ Carter bat den chinesischen Ministerpräsidenten, die Kirchen wieder zu öffnen, die in der Kulturrevolution geschlossen worden waren, den Bibeldruck zu ermöglichen und den tausenden von Missionaren, die 1950 aus dem Land gewiesen worden waren, die Rückkehr zu ermöglichen. Deng erklärte sich bereit, die ersten beiden Bitten zu erfüllen, die dritte verweigerte er.

Diese Entscheidung Dengs hatte entscheidenden Einfluss auf die Erneuerung des christlichen Glaubens in China, der lange im Untergrund gewesen war und heute – je nach Schätzungen – zwischen 60 und 120 Millionen Mitglieder hat.

«Bedingungslos atheistisch»

Seit allerdings Xi Jinping an die Macht gekommen ist, ist die Situation wieder schwieriger geworden. Er warnte kürzlich vor «ausländischer Infiltration durch Religion» und ermahnte die politischen Führer, «bedingungslos atheistisch» zu sein. Pekings Argwohn führte in letzter Zeit zum Beispiel zu gewaltsamen Aktionen in der Provinz Zhejiang, wo hunderte von Kreuzen von christlichen Kirchen entfernt und zerstört wurden (Livenet berichtete).

So werden denn auch alle Bibeln für den Heimmarkt durch offizielle Organisationen wie den Christlichen Rat Chinas vertrieben, in dem alle protestantischen Kirchen zusammengefasst sind und der von Peking kontrolliert wird. Deshalb reichen die Bibeln, die in China gedruckt werden, nur für die Hälfte der chinesischen Christen (es dürfen nur vier Millionen Bibeln pro Jahr gedruckt werden dürfen, während es in China jährlich mindestens acht Millionen neue Christen gibt), weshalb auch immer noch Bibeln ins Land geschmuggelt werden müssen (Livenet berichtete).

Zum Thema:
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Datum: 29.07.2016
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Evangelical Focus

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