Angst vor dem Neubeginn?

Wieso Christen in Karakosch tanzen – und warum wir das auch dürfen

Es ist eine Szene der Freude, des Dankes, ja, fast der Ausgelassenheit, die man in einem Video miterleben kann: Irakische Christen kehren nach fast drei Jahren in ihre Heimatstadt Karakosch zurück. Ein Neubeginn, der sie mit Freude erfüllt – obwohl alles um sie herum noch unsicher ist.

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Einweihung des Kreuzes nach Start des Wiederaufbaus von Karakosch
Die assyrische Stadt, die in der Ninive-Ebene liegt und in der ursprünglich 98 Prozent Christen lebten (der syrisch-katholischen und der syrisch-orthodoxen Kirche), war im August 2014 von IS-Kämpfern eingenommen worden und die grosse Mehrheit der Bewohner wurde vertrieben. Kloster der Stadt wurden zerstört, Kirchen zu Bombenfabriken umgewandelt und verschändet, andere Kirchen und Privathäuser verbrannt – die Stadt ist kaum wiederzuerkennen. Warum also die Freude dieser Christen?

Es ist die Freude über einen Neubeginn. Eine neue Chance. Der Frühling ist angebrochen. Natürlich liegt jede Menge harter Arbeit vor ihnen, wohl auch viele Tränen beim Anblick der Gebäude, die so herzlos zerstört wurden. Doch die Freude ist grösser, der Dank Gott gegenüber, dass die IS-Kämpfer im Oktober 2016 fliehen mussten, dass sie nun endlich wieder in ihre Heimat können und neu starten dürfen, nicht als Flüchtlinge an einem fremden Ort, sondern an dem Ort, den sie als Heimat kennen.

Neubeginn in Jerusalem

Diese Szene erinnert an eine ähnliche Begebenheit vor mehreren tausend Jahren. Das Volk Israel war jahrzehntelang in babylonischer Gefangenschaft gewesen. Nachdem die Perser Babylonien erobert hatten, erteilte König Kyros den Befehl, den Tempel von Jerusalem wiederaufzubauen. Doch die Juden, die sich dieser Aufgabe angenommen hatten, mussten extrem leiden. «Die Zurückgekehrten leiden bittere Not. Man beschimpft sie. Von der Stadtmauer Jerusalems sind nur noch Trümmer übrig, die Tore liegen in Schutt und Asche.» (Nehemia, Kapitel 1, Vers 3) So heisst es in dem Bericht, den man dem Propheten Nehemia gab, der sich noch in Babylon befand. Nehemia war totunglücklich darüber. In Vers 4 schreibt er: «Als ich das hörte, setzte ich mich hin und weinte. Ich trauerte tagelang, fastete und betete.» Schliesslich erhielt er von Gott den Auftrag, ebenfalls zurückzukehren und die Mauer wiederaufzubauen; und auch der König, dessen Mundschenk er war, gab die Erlaubnis.

Doch als Nehemia in seine Heimat Jerusalem kam, tanzte er vermutlich nicht vor Freude wie die Christen von Karakosch. Er war traurig, besorgt, von der riesigen Aufgabe betroffen, die Mauern wieder aufzubauen und seine Heimat so vor Feinden zu schützen. Dabei wurde er angegriffen, sogar Mordpläne wurden gegen ihn geschmiedet (Nehemia 6). Was machte Nehemia? Gab er auf? Aus Angst, dass die Feinde durch die noch bestehenden Lücken in der Mauer kommen könnten? Nein, er machte weiter und erlebte so immer wieder Gottes Eingreifen, seinen Schutz und seine Hilfe. Und letztlich schenkte Gott ihm ja Gelingen (Nehemia, Kapitel 6, Vers 15-16): «Die Mauer wurde nach 52 Tagen, am 25. Tag des Monats Elul, fertig. Als unsere Feinde aus den Völkern ringsum das hörten, bekamen sie Angst und verloren allen Mut. Denn sie erkannten, dass unser Gott uns geholfen hatte.» So wurde sein Werk ebenfalls zum Neubeginn. Es war der Anfang einer neuen Epoche, in welcher die Juden wieder in ihre Heimat zurückkonnten.

Gott wartet in der Zukunft auf uns

Neubeginne gibt es auch in unserem Leben immer wieder. Sei es eine neue Arbeit, ein Umzug oder eine Neukonstellation in der Familie. Vielleicht bedeutet es aber auch, die Trümmer einer zerbrochenen Beziehung wieder neu aufzubauen oder das eigene Leben wieder zusammenzuflicken. Wie gehen wir mit Neuanfängen um? Sind wir von Sorge erfüllt, dass wir wieder angegriffen werden können? Machen uns neue, unbekannte Situationen Angst? Oder tanzen wir vor Freude und Dank über die Chancen, die sich uns auftun und über die Gewissheit, dass Gott bereits an dem neuen Ort auf uns wartet?

In dem Lied «You're already there» von Casting Crowns geht es um genau diese Neuanfänge. Im Text heisst es: «Von meinem Standpunkt aus, Herr, ist es so schwer für mich zu sehen, wo dies alles hinführt, und wo du mich hinführst. Ich wünschte, ich wüsste, was aus all meiner Angst und meinen Fragen werden wird – in einer Welt, die ich nicht kontrollieren kann.» Doch der Sänger entscheidet sich, all diese Fragen und Zweifel Gott zu übergeben und sagt zu seinem himmlischen Vater: «Für dich ist meine Zukunft eine Erinnerung, weil du schon dort bist!» Deshalb dürfen auch wir tanzen und jubeln, wenn ein Neubeginn vor uns steht – selbst wenn uns eigentlich nicht danach ist –, denn für Gott ist dieser Neubeginn «kalter Kaffee», er ist eine Erinnerung, weil Gott schon in der Zukunft ist und die Kontrolle über sie hat. Deshalb dürfen wir uns freuen, weil wir fest und sicher in der Hand unseres Gottes sind, selbst wenn die Umstände unsicher sind. Und deshalb dürfen wir tanzen, so wie die Christen in Karakosch.

Zum Thema:
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Datum: 06.05.2017
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet

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