Endkampf um Idlib

Evangelische Christen im Raketenhagel

Im Norden Syriens verzögert sich der Grossangriff des Regimes von Damaskus auf den Kessel von Idlib. In diesem sind Islamisten-Rebellen mit drei Millionen Flüchtlingen und Einheimischen zusammengedrängt. Unter ihnen eine starke Presbyterianische Gemeinde im Städtchen Mechardeh. Für sie hat der Endkampf im syrischen Bürgerkrieg schon begonnen: Zum zweiten Mal gingen am Sonntag beim Gottesdienst Raketen der protürkischen Miliz «Freie Syrer» auf sie nieder.

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Trümmer im Nordwesten von Idlib, Syrien (Bild: Reuters)
Wie schon vor zehn Tagen gab es auch diesmal Tote und Schwerverletzte, zwölf Kinder mussten den Kirchenbesuch mit dem Leben bezahlen. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass es sich um gezielte Angriffe auf diese evangelische Gemeinschaft unter den sonst orthodoxen Christen von Mechardeh handelt. In den schon siebeneinhalb Jahren des «Krieges aller gegen alle» in Syrien haben radikale Muslimterroristen immer wieder bevorzugt Christen angegriffen.

Das «Tal der Christen» am Orontes blieb bis 2014 von Überfällen verschont. Dort liegt eines der grössten Flusskraftwerke Syriens. Es wurde von den Regierungstruppen geschützt, was auch der christlichen Umgebung zugute kam.

Tausende Raketen und Granaten aufs «Tal der Christen»

Vor vier Jahren brach über das Christental «Wadi Nasara» jedoch mit seiner Belagerung und schliesslich Besetzung durch die schlimmste islamische Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) die Hölle herein. In Mechardeh und dem benachbarten Sqelbiya schlugen 8'000 Raketen und Granaten ein, mindestens 90 christliche Zivilisten kamen ums Leben. Die schlimmsten Folgen hatte 2017 der Mörserbeschuss des evangelischen Kindergartens von Mechardeh mit vielen der Kleinen als Opfer. Als schon seit dem 19. Jahrhundert bestehende Gemeinden der «Synode von Libanon und Syrien» wurden die Presbyterianer im Wadi Nasara von der evangelischen Welt nicht vergessen. Doch jedes Mal, wenn die Katastrophenhilfe der deutschen Diakonie, das Gustav-Adolf-Werk, oder auch die Berner Mennoniten etwas aufgebaut oder repariert hatten, wurde es von den Islamisten wieder zusammengeschossen.

Christen auch in Entspannungszone wieder Freiwild  

Inzwischen wurde der IS aus der Region vertrieben und viele Familien sind nach Mechardeh zurückgekehrt. Doch die Häuser der Menschen waren teilweise so schwer beschädigt, dass sie weder ein notwendiges Obdach noch Schutz boten. Viele Familien waren nicht in der Lage, das nötige Baumaterial zu kaufen, um ihre Häuser auch nur notdürftig bewohnbar zu machen. Wieder sprang die evangelische Welt mit einem «Hilfsprogramm 2018» ein. Die Evangelischen von Mechardeh glaubten nun endgültig an einen Neuanfang nach dem Bürgerkrieg. War der Raum zwischen der Grossstadt Hama und Idlib doch von Russen, Iranern und Türken zur «Entspannungszone» erklärt worden. Jetzt aber haben gerade die türkeihörigen Milizen wieder mit der Beschiessung begonnen.

Enttäuschte, aber nicht hoffnungslose Christen

Niemand in Mechardeh hatte mit den neuen Angriffen gerechnet. Beim Begräbnis der letzten Opfer – unter ihnen drei Kinder, ihre Mutter und Grossmutter – fanden sich tausende Menschen, Evangelische wie Orthodoxe, aus der Stadt und ihrer Umgebung ein. Weit über Mechardeh hinaus herrscht Verbitterung, dass sich der Westen und besonders die USA in Syrien um das Los der Christen so gut wie gar nicht kümmern. Diese fühlen sich vom «christlichen Abendland» verraten: «Wenn das Blut von Christen fliesst, kümmert das niemanden», klagt der Bürgermeister des Städtchens, Simon Josef al-Churi. Er macht ausländische Einflüsse, vor allem aus der Türkei, für die neue Eskalation verantwortlich.

Dennoch gibt al-Churi die Hoffnung nicht auf: «Wir alle werden die Vergangenheit vergessen und eine neue Seite in unserem Zusammenleben aufschlagen. Und wenn der Krieg zu Ende ist, wollen wir gemeinsam alles wieder aufbauen».

Zum Thema:
Prothesen und Aufarbeitung: Syriens evangelische Christen angesichts der Nachkriegszeit
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Datum: 17.09.2018
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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