30 Jahre nach dem Massaker

Der Aufstand auf dem Tiananmen-Platz und seine Folgen

Der Tiananmen heisst übersetzt «Platz des himmlischen Friedens», doch dafür ist der gewaltige Platz in Peking gerade nicht bekannt. Vor 30 Jahren schlug die chinesische Regierung dort den Aufstand von Studenten blutig nieder, die für mehr Demokratie demonstrierten.

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Panzer gegen Demonstranten
Überall auf der Welt wurde dieser Tage daran erinnert, dass vor 30 Jahren, am 4. Juni 1989, eine chinesische Demokratiebewegung vom chinesischen Militär niedergeschlagen wurde. Auf dem Tiananmen-Platz selbst kamen wohl keine Menschen ums Leben, doch in der Umgebung und in der Folgezeit ist von bis zu 10'000 Toten die Rede. Der Aufstand erlangte weltweite Bekanntheit, weil damals gerade der sowjetische Präsident Gorbatschow im Land war. Er konnte wegen der Demonstrationen nicht auf dem zentralen Platz empfangen werden und die internationale Presse berichtete. In China darf über den Aufstand und seine Folgen nicht berichtet werden. Bereits zum 25. Jahrestag kritisierte die Asienexpertin von Amnesty International, Verena Harpe, dass die Staatsführung alles daran setze, «die Erinnerung an die Ereignisse […] aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen».

Ein Zeichen der Hoffnung

Die Soziologin Yang Fenggang beschreibt die Zeit damals allerding nicht nur als Bewegung für Demokratie und Freiheit, sie sieht darin auch ein geistliches Erwachen. Jenny McGill stellt im US-Magazin Christianity Today die beiden Dissidenten Zhang Boli und Zhou Fengsuo vor. Beide gehörten zu den Aktivisten, sie wurden verfolgt, inhaftiert, flohen aus dem Land und leben heute im Exil. Beide fanden inzwischen zum Glauben an Christus und engagieren sich stark für ihr Volk: Zhang als Pastor einer weltweiten Kirche von Exilchinesen und Zhou in der humanitären Hilfe für politische Gefangene in einer alten Heimat. Sie sind nicht allein damit: zahlreiche der alten Demonstranten fanden inzwischen zum Glauben. Und etliche engagieren sich immer noch in der chinesischen Untergrundkirche.

«Man könnte vergessen, dass es diesen Moment der Hoffnung in Tiananmen gab, aber für die Zukunft Chinas ist es so wichtig, dass wir uns daran erinnern», stellt Zhou klar. «Gedenken ist eine Form des Widerstands.» Er bezieht inzwischen seinen Glauben klar in diese Gedanken ein, weil er weiss: «Ohne theologische Tiefe werden soziale und politische Bewegungen nur noch mehr Chaos, Gewalt und Blutvergiessen bringen.»

Der Weg zum Glauben

Zhang und Zhou waren aus unterschiedlichen Gründen in der Demokratiebewegung aktiv. Zhang wollte als Autor ein Buch über den Prozess der Demokratisierung schreiben. Zhou fand sich am Ende als einer der führenden Köpfe und meistgesuchten Verbrecher Chinas wieder, obwohl er die Bewegung als lose organisiert und relativ spontan wahrnahm. Damals herrschte ein Klima der Offenheit gegenüber Ideen aus dem Westen. Zhou erinnert sich: «Unsere beiden unmittelbaren Forderungen waren Pressefreiheit und das Veröffentlichen von Vermögenswerten bei Regierungsbeamten. Diese waren sehr beliebt und gewannen schnell die breite Unterstützung des chinesischen Volkes.»

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Der sogenannte «Tank Man» stellte sich den Panzern in den Weg
Nach dem Niederschlagen des Aufstands wurden beide inhaftiert: Zhang konnte in die Sowjetunion fliehen und wurde dort verhaftet. Auf dem Rücktransport nach Peking gelang ihm endgültig die Flucht. Zhou kam sofort in das Hochsicherheitsgefängnis Qincheng. Er wurde mit einigen anderen Inhaftierten auf internationalen Druck hin nach einem Jahr entlassen und abgeschoben.

Zhang tauchte auf seiner Flucht im ländlichen Nordchina unter. Dort lebte er für längere Zeit bei einer armen Bäuerin. Sie konnte zwar weder lesen noch schreiben, aber sie war Christin und besass ein Johannesevangelium. Daraus musste er ihr etwas vorlesen und sie erklärte es ihm. Nach einem Jahr wurde er Christ.

Zhou begann erst in den USA, in der Bibel zu lesen. Als er an einem der ersten Jahrestage des Massakers Ruhe suchte, ging er in eine Kirche und begann Gott zu fragen: «Bist du da, Gott? Warum lässt du so etwas wie Tiananmen zu?» Dies und der Kontakt zu gläubigen Mitstudenten liessen ihn Frieden bei Gott finden.

Eine neue Perspektive

Die beiden Christen betonen im Interview mit Jenny McGill, dass ihr neu gefundener Glaube ihre persönliche Perspektive auf das Massaker erheblich beeinflusst hat. Zhang betont: «Ich habe das Gefühl, dass Gott das, was 1989 geschah, genutzt hat, um uns zu helfen zu erkennen, was in China vor sich geht. Wäre das Massaker von Tiananmen nicht geschehen, wäre die Kommunistische Partei für das chinesische Volk ihr Gott gewesen. Die Veranstaltung half den Menschen zu sehen, dass die KP nur ein Geist war.»

Zhou ergänzt: «Für mich denke ich, dass die wichtigste Veränderung die Hoffnung ist, die wir durch Gott haben. Was wir in dieser Welt nicht bekommen konnten, haben wir von Gott. Das ist so tröstlich und gibt mir die Kraft, mich all den Schwierigkeiten und Herausforderungen der Menschenrechtsfragen zu stellen.»

Über ihre persönliche Betroffenheit hinaus engagieren sich allerdings beide dafür, dass weitere Chinesen zum Glauben finden bzw. dass politische Gefangene in China Hilfe erhalten. Es mag sein, dass die chinesische Regierung es noch eine Weile schafft, Tiananmen und die Folgen unter dem Deckmantel des Schweigens zu verstecken, doch die Folgen sind viel zu weitreichend: 1989 rechnete man mit ca. 5 Millionen Christen in China, heute geht man von 50-80 Millionen aus. Echte Freiheit lässt sich eben nur zeitweise einschränken.

Zum Thema:
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Datum: 06.06.2019
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Christianity Today

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