Nach Brexit-Abstimmung

Britische Kirchen rufen zu Gebet und Frieden auf

Nachdem die Mehrheit der Briten dafür gestimmt hatte, die EU zu verlassen, riefen die britischen Kirchen zum Gebet für die Politiker und das Land auf. Sie mahnten Versöhnung und Einheit an.

Zoom
Die St. Paul's Kathedrale
Am Donnerstag stimmten 52 Prozent der britischen Bürger dafür, dass ihr Land die EU verlässt. Nach diesem folgenreichen Referendum riefen die Kirchen in Grossbritannien zum Gebet für die Politiker auf.

Zoom
Steve Clifford
Steve Clifford, Generaldirektor der Britischen Evangelischen Allianz, sagte, das Referendum habe eine grosse Uneinigkeit in der Bevölkerung offenbart. «Wir haben eine Zeit enormer Unsicherheit betreten», sagte er. «Es muss eine Zeit des Betens sein.» Das wichtigste sei jetzt, eine Einheit zu bauen und Versöhnung zu gestalten. Clifford rief dazu auf, denjenigen, die eine gegenteilige Meinung haben, mit Offenheit und Respekt zu begegnen.

Die Briten sollten ihre Energie darauf verwenden, Brücken zwischen und innerhalb verschiedener Gruppen im Land zu schlagen. Auch ohne EU bleibe Grossbritannien ein Teil Europas und müsse sich an seine Verantwortung für die europäischen Nachbarn erinnern. «Als Christen folgen wir dem Friedensfürsten und sind dazu berufen, Friedensstifter zu sein.» Auch wenn die Experten und Meinungsforscher irritiert worden seien, könnten Christen darauf vertrauen, dass Gott das nicht aus der Fassung bringe.

Schotten: «Kirche ist international»

Die Erzbischöfe der Church of England appellierten an die Bürger Grossbritanniens, sich unabhängig von ihrer Meinung in der Volksabstimmung jetzt «in einer gemeinsamen Aufgabe zu vereinen, um ein grosszügiges, zuversichtliches Land zu bauen». «Wir müssen gastfreundlich und mitfühlend bleiben, Brücken-, nicht Barrierenbauer sein.» Sie riefen ausserdem dazu auf, für die Verantwortungsträger im Land und weltweit zu beten, besonders für Premierminister David Cameron, der am Freitag seinen Rücktritt ankündigte.

Zoom
Richard Frazer
Die Church of Scotland hatte sich schon lange für den Verbleib in der EU ausgesprochen. Dementsprechend bedauerte Richard Frazer, ein führender Repräsentant der Kirche, den Ausgang des Referendums. «Die natürliche Neigung der Kirche ist international, weil unser christlicher Glaube keine Grenzen kennt, sondern die Welt und ihre Menschen als ein Ganzes sieht.» Die gegenwärtigen weltweiten Herausforderungen wie globale Armut, Umweltgefährdung und die Flüchtlingskrise «berufen uns dazu, internationale Antworten zu finden.»

«Respekt und Höflichkeit wiedergewinnen»

Für Einheit und ein Miteinander machte sich auch die Vereinigte Reformierte Kirche nach der Brexit-Abstimmung stark: «Inmitten gespaltener Meinungen bauen wir weiterhin Gemeinschaft, bieten Freundschaft an und teilen die Liebe Jesu», sagte der Generalsekretär der Kirche, John Proctor, in einer Stellungnahme. Auch er rief zum Gebet für die Parlamentarier auf, die nun neue Aufgaben zu bewältigen hätten und «vielleicht ein Wort der Ermutigung brauchen». Er betonte, dass es für Grossbritannien wichtig sei, gute internationale Beziehungen zu pflegen, und sagte zu, die Kontakte der Kirche in anderen Ländern dafür zu nutzen und aufrecht zu erhalten. «All das tun wir um Jesu Willen in der Welt, in der wir leben. In schwierigen Zeiten hat Jesus mit der Gnade und Güte Gottes gesprochen, gehandelt und geliebt. So sollten auch wir es am Morgen danach tun.»

Die katholische Bischofskonferenz von England und Wales mahnte, «nach einer langen und oft bitteren Kampagne» sollten «wir danach trachten, den gegenseitigen Respekt und die Höflichkeit wiederzugewinnen», die so wichtig seien für die Gesprächskultur im Land. «Als Menschen der Hoffnung ist jetzt für uns eine Zeit, um zu reflektieren und zu beten, während wir unsere Herausforderung annehmen, Gerechtigkeit und Frieden zu fördern», sagte Generalsekretär Christopher Thomas.

Am Montag werden der katholische Kardinal Vincent Nichols und der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, die Ergebnisse der Brexit-Abstimmung in einem Facebook-Gespräch diskutieren.

«Jugend ist Hoffnung Europas»

Zoom
Heinrich Bedford-Strohm
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, bedauerte die Entscheidung der Briten. «Der bevorstehende Austritt eines Landes aus der EU ist schmerzlich und muss Anlass sein, das Friedensprojekt Europa umso kräftiger voranzutreiben. Als Kirchen werden wir uns mit unserem internationalen ökumenischen Netzwerk weiter für ein geeintes und solidarisches Europa einsetzen», teilte er mit. Er sieht sich in diesem Ziel dadurch bestätigt, dass vor allem die jungen Briten in der EU hätten bleiben wollen. Für Bedford-Strohm ist die «Jugend die Hoffnung Europas».

Nicht nur anhand der knappen Mehrheit für den «Brexit» wird deutlich, dass die Briten in dieser Frage gespalten sind. Es zeigen sich auch in anderer Hinsicht deutliche Unterschiede: So stimmten vor allem die jüngeren Briten dafür, in der EU zu bleiben, während die Senioren mehrheitlich dagegen waren. In Schottland lagen in allen Wahlkreisen die EU-Befürworter vorn, auch in den grossen Städten führten sie. Insgesamt stimmten aber doch mehr Menschen für den Austritt aus der EU.

Zum Thema:
In britischen Kinos: Vaterunser als «anstössig» zensiert
Brexit oder Brexodus?: Zwischen Meinungskampf und Schockstarre
Britische Kirche: Geld für Rente fehlt

Datum: 24.06.2016
Autor: Jonathan Steinert
Quelle: PRO Medienmagazin

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

Im Iran
Viele Christen versammeln sich jeden Abend im Iran, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern und das Abendmahl zu nehmen. Im Vergleich zu einmal pro Monat...
Isaak und Abimelech
Evan Thomas hat über 40 Jahre der Versöhnung zwischen lokalen Nachfolgern Jesu im israelisch-palästinensischen Konflikt gewidmet. Er stellt das...
Neuausrichtung
Vreni Müllhaupt ist in einer Bauernfamilie gross geworden. Dass sie einmal Strassenkinder der peruanischen Hauptstadt Lima aufsuchen würde, hatte sie...
In Mikronesien
Ein Missionsflugdienst leistet humanitäre Hilfe im Inselgebiet Mikronesien. Er nimmt aber auch Passagiere an Bord und breitet das Evangelium aus.

Anzeige