Fantasyliteratur als Anknüpfungspunkt für Gespräche über den Glauben?

An der Tagung Tagung des VBG-Instituts vom 16. November wurden die Werke von J.R.R. Tolkien, Steven Lawhead und Joanne Rowling aus christlicher Sicht beleuchtet. Fazit: Christen sollen Fantasyliteratur nicht vorschnell verteufeln, sondern vielmehr die sich bietenden Möglichkeiten nutzen.

Felix Ruther, Leiter der Vereinigten Bibelgruppen (VBG), analysierte die umstrittene Harry Potter-Reihe der englischen Autorin Joanne Rowling sowie das Leben und Werk von J.R.R. Tolkien ("Herr der Ringe"). Über die Bücher des amerikanischen Bestsellerautors und Christen Steven Lawhead sprach Hanspeter Schmutz, Leiter des VBG-Instituts für integriertes Christsein und ganzheitliche Spiritualität (ICGS).

Potter-Boom ausnützen

"Das Gute bewahret!", zitierte Felix Ruther im Hinblick auf die Potter-Bücher den Apostel Paulus. Es gebe mehrere Stellen in Rowlings Büchern, die als Anknüpfungspunkt für evangelistische Gespräche dienen können. Ein Beispiel dafür sei die Szene, in der Harrys Mutter sich schützend vor ihr Kind wirft, um es vor dem tödlichen Zauberstrahl des bösen Voldemort zu retten. Nur durch ihren stellvertretenden Tod aus Liebe kann sich Harry später dem Zauberer überhaupt gegenüberstellen.

Den Vorwurf der Verharmlosung von Zauberei und Magie relativierte Ruther. Sie sei als Element im Rahmen einer märchenhaften Geschichte eingebettet und propagiere nicht okkulte Tätigkeiten in der Realität. "Ein Kind kann im Normalfall diese Unterscheidung vollziehen", ist Ruther überzeugt. Natürlich könne eine esoterische Gruppierung mit Harry Potter für sich werben. Doch in der Geschichte komme es in den entscheidenden Situationen gar nicht auf Zauberei an. "Die Entschlossenheit, das Gute zu tun, ist viel wichtiger." Dies sei auch die Hauptaussage des Buches.

Schwieriger finde er hingegen die Lebenseinstellung Potters, räumte Ruther ein. Dieser habe keine festen Ziele, sondern versuche stets, sich der rapide wechselnden Situation anzupassen. Zum Umgang mit Harry Potter empfehle er, das Buch zusammen mit den Kindern zu lesen, wenn diese sich dafür interessieren. Auf diese Weise könne man die kritische Lesefähigkeit mit Diskussionen fördern.

Tolkien als Bereicherung

"Der Herr der Ringe` zeigt nur einen sehr kleinen Teil aus Tolkiens imaginärem Universum von Mittelerde", stellte Ruther fest. Das eigentliche Werk erschliesse sich erst bei der Lektüre des "Simarillions". Hier offenbare sich eine Welt, die von einem guten und allmächtigen Herrscher regiert wird – etwas Gutes, dass durch die Auflehnung des Bösen verletzt worden ist. "Was immer das Böse tut, am Ende überwiegt die `gute Melodie` des Allmächtigen", umschreibt Ruther die Welt Mittelerdes.

Erstaunlich sei auch die sprachliche Vielfalt. Der überaus begabte Philologe Tolkien ersonn alleine für den "Herrn der Ringe" 15 verschiedene Sprachen – Englisch nicht mitgezählt. Das Erfinden von Sprachen, Kreaturen und Welten war für Tolkien ein Weg, die Schöpfernatur Gottes besser zu begreifen: "Das Erschaffen von Dingen liegt mir am Herzen, seit ich selber erschaffen wurde durch dich." ("Das Simarillon", S. 52)

Als Christ könne er viel von den Werken des ungewöhnlich sprachbegabten Philologen profitieren. Zum einen riefen die Geschichten eine tiefe Sehnsucht hervor. Diese sei letztlich eine Sehnsucht nach der Ewigkeit, die man im Alltag aber oft verdränge. Zum anderen zeige sich uns in der Lektüre etwas von der Erhabenheit Gottes. Ruther: "Wenn wir nicht wie Ceorl von Rohan vor dem König unser Schwert niederlegen und rufen können `Befiehl, Gebieter!`, so fehlt uns Erzdemokraten etwas Entscheidendes!"

Lawhead: "Evangelist im Raum der Fantasy"

Während Tolkiens Bücher seinen Glauben lediglich widerspiegeln, sehe sich der zeitgenössische Autor Steven Lawhead als "Evangelist im Raum der Fantasy", erklärte Hanspeter Schmutz. So beginnt Lawheads "Pendragon-Saga" mit der Geschichte eines keltischen Barden, der in einer mystischen "Anderswelt" eine Gottesbegegnung hat. Später lässt er sich gar von irischen Mönchen taufen. Dies entspreche den historischen Recherchen Lawheads. Der Amerikaner ist überzeugt, dass das von den Mönchen gepredigte Christentum für die Kelten eine Erfüllung ihrer eigenen Mythologie dargestellt habe.

Die im säkularen deutschen Piper Verlag erschienenen Werke Lawheads erfreuen sich grosser Beliebtheit. Die Verquickung von Fantasyelementen, historischen Ereignissen und dem Christentum scheint ein effektives Mittel zu sein, eine breite Leserschaft zu erreichen. Schmutz: "Lawhead ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Möglichkeiten des Fantasy-Genres für die christliche Botschaft genutzt werden können."

Datum: 29.11.2002
Quelle: idea Schweiz

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