Studie zu Glaubensverlust

«Bei Druck wenden sich viele junge Leute vom Glauben ab»

Dass junge Menschen sich vom Glauben und der Kirchgemeinde abwenden, ist nicht nur ein Thema für traditionelle Kirchgemeinden. Darauf weist der Soziologe Martin Hofmann hin. Er war einer der Autoren des Buchs «Warum ich nicht mehr glaube».

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Martin Hofmann
Menschen würden ihrem Kinderglauben entwachsen, obwohl sie als Kind oder Teenager ein Bekehrungserlebnis hatten, so Martin Hofmann. «Irgendwann merken sie, dass sie sich weiterentwickelt haben und nicht mehr glauben können oder wollen.» Das sei zumeist ein schleichender Prozess. Er spricht von «Entkehrung». Dieser Begriff lasse offen, ob es sich um eine unmerkliche innere Entwicklung oder ein bewusstes Ablegen des Glaubens handele.

300 Fragebögen - 15 Interviews

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Buchcover von «Warum ich nicht mehr glaube»
Neben der Auswertung von knapp 300 Fragebögen interviewte Hofmann gemeinsam mit Tobias Faix und Tobias Künkler 15 junge Menschen, die nicht mehr glauben können oder wollen. Die Interviews dauerten zwischen 45 und 60 Minuten. Die Interviews dauerten zwischen 45 und 60 Minuten. Die Ergebnisse der Befragung haben die drei Autoren in dem Buch «Warum ich nicht mehr glaube» zusammengefasst. Aus den Gesprächen mit den 18- bis 35-Jährigen ergaben sich vor allem vier Themenbereiche: Intellekt, Missbrauch und Moral, Enttäuschte Gottesbeziehung und die Frage der Identität.

Glaubensverlust als Therapie

Unter dem Aspekt Macht und Moral fassten die Autoren die Gründe zusammen, die sich auch Machtmissbrauch beziehen; dazu gehöre auch subtiler Erwartungsdruck. Der bringe junge Menschen dazu, dass sie sich vom Glauben abwenden würden, um so dem Druck zu entfliehen. «Der Glaubensverlust ist dann so eine Art Therapie für den Betroffenen», meint Hofmann. Die Interviews machten deutlich, dass dieser Missbrauch Gemeinden jeder Konfession treffe. Hofmann erläutert: «Das Thema Macht und Moral bezieht sich nicht nur auf Gruppen, die ausgeprägte Hierarchien haben, das gibt es auch bei Gruppen und Gemeinden mit flachen Hierarchien. Es ist ein allgemeines Phänomen in jeder von Gruppen, die ihr Leben gemeinsam gestalten wollen.»

Gesprächsbedarf ist gross

Es gebe einen hohen Bedarf, über Glaubenszweifel, aber auch über negative Erfahrungen mit dem Glauben und der Gemeinde zu sprechen, so Hofmann. «Wichtig ist zunächst einmal, zuzuhören und nicht gleich eine Antwort zu geben.» Auch eine Zurückhaltung gegenüber den jungen Menschen, die nicht mehr kommen, sei unangebracht. «Also nicht nur sagen, schade, dass du nicht mehr kommst, sondern nach den Gründen fragen», rät Hofmann den Gemeinden und Gruppen.

Viele Befragte seien froh gewesen «nach den Gründen ihres Weggangs gefragt zu werden. Das sei in der Gemeinde nicht möglich gewesen. Deswegen seien viele sehr auskunfts- und gesprächswillig gewesen.» Die Befragten würden diesen Gesprächsmangel in zweierlei Richtung erleben: Sowohl mit den Menschen der Gemeinde, die sie verliessen, aber auch mit den neuen Freunden, die das Thema kaum interessiere.

Das Buch «Warum ich nicht mehr glaube. Wenn junge Menschen den Glauben verlieren» bietet in Kapitel 2 acht ausführliche Lebensgeschichten von jungen Menschen, die zeigen, wie sich diese nach einer Zugehörigkeit zur Gemeinde vom Glauben abwandten. In Kapitel 3 werden weitere Kurzvorstellungen präsentiert. Dass die Autoren nicht nur fragen und feststellen, zeigt sich in Kapitel 4, wo sie den Christen und Gemeinden Denkanstösse geben. Die Unterkapitel tragen folgende Überschriften: «Der Zusammenhang von Glaube, Zweifel und Identität», «Offenheit für die Vielfalt des Glaubens», «Macht und Machtmissbrauch» sowie «Mündigen Glauben fördern und stärken». 

Zum Buch:
«Warum ich nicht mehr glaube» (Schweiz / Deutschland)

Zur Webseite:
Warum junge Menschen den Glauben verlieren; Martin Hofmann - Bibel TV das Gespräch

Zum Thema:
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Datum: 18.04.2016
Autor: Nobert Abt
Quelle: Livenet

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