Neue Lebensphase

Johannes Wirth: Loslassen und weitergehen

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Johannes Wirth (Bild: zVg)
Ein prägender Visionär der Schweizer Kirchenlandschaft tritt einen Schritt zurück: Johannes Wirth legt seine Aufgaben als Seniorpastor der GvC Winterthur und Präsident der Quellenhofstiftung in die Hände der nächsten Generation. Gleichzeitig mit seinem Start in die dritte Lebensphase brachte er das Buch «Ungeschminkt» heraus. Darin nimmt er die Lesenden mit hinein in die vergangenen Jahrzehnte seines Lebens.

Das Winterthurer Hegiquartier wird geprägt von vielen neuen Industrie- und Wohnbauten. Wie eine Oase liegt mittendrin ein Park. Unmittelbar angrenzend ist das Müli-Areal, dann gegenüber das TownVillage, das Gebäude der Quellenhofstiftung und die Parkarena. Hinter all diesen Gebäuden stecken die Visionen von Johannes Wirth. Der GvC-Pastor ist in diesem Jahr 65 geworden. In einem Buch beschreibt er, was ihm wichtig ist.

«Aus Ihrem Sohn wird nie etwas Rechtes werden»

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Buchcover «Ungeschminkt»
Er habe früh Karriere gemacht, schreibt Wirth zu Beginn seiner Autobiografie. «Eine Karriere als Versager habe ich gemacht. Das fing schon in der zweiten Klasse an.» Eine Psychiaterin hatte seinen Eltern eröffnet: «Aus Ihrem Sohn wird nie etwas Rechtes werden.» Wie bitte? Doch! So startete einer ins Leben, der später eine Megachurch, ein Sozialwerk, ein Kongresszentrum und eine Grossüberbauung für generationenübergreifendes Wohnen aufgebaut hat. Anders als erwartet, vermittelt Johannes Wirth in seinem vor kurzem erschienenen Buch «Ungeschminkt» (Fontis) keine Führungskonzepte. Er sei dafür nicht der Richtige, meint er, weil er das meiste «aus dem Bauch heraus» gemacht habe. Er selbst beschreibt den Buchinhalt so: «Was ich aber kann und hier mit zittriger Hand tue, ist, in einer Art Selbstreflexion Einblicke in mein Unterwegssein zu geben.»

Beim Lesen erfährt man, dass der Pastor, Visionär und Gemeindegründer als Kind und Jugendlicher gemobbt worden ist und unter anhaltenden Minderwertigkeitskomplexen litt. Nach acht Jahren war Schluss mit Schule. Depressionen begleiteten ihn. Es folgte eine abgebrochene Lehre als Landwirt, dann kamen Jobs als Briefträger, Sportartikelverkäufer, Sekretär, Versicherungsvertreter und der Aufstieg zum Produktmanager.

Aufbruch in der Krise

Mitten in einer Beziehungskrise – die Ehe mit Erika war noch jung – finden die beiden zu einem lebendigen Glauben an Jesus Christus. Damit geht ihr Leben in eine neue Richtung. Seither brennt Johannes Wirth für das Evangelium. Als Ehepaar schliessen sie sich der damals von Charles Reichenbach geleiteten GvC Winterthur (Gemeinde von Christen) an. Sie werden beauftragt, eine Jugendgruppe zu gründen. Johannes träumt davon, die «kaputten Mauern unserer Stadt» wieder aufzubauen. Das hiess für ihn, den Menschen am Rande der Gesellschaft zu dienen. Er erinnert sich: «Weil wir keine Erfahrung hatten, luden wir Freunde ein, den Traum mit uns zu verwirklichen.»

Ein Vers fürs Leben

Es beginnt ganz klein. Mit der Jugendgruppe geht er regelmässig auf die Strasse, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Der ersten Begegnung mit einem Drogenabhängigen folgen viele weitere. Und aus der Not fehlender Therapieplätze wächst das erste Haus der Quellenhofstiftung. Sein «Treiber» sei nie gewesen, eine grosse Kirche zu leiten oder eine Stiftung zu gründen, erzählt er. Wegweiser ist ein Wort des Bergpredigers, das sich Johannes Wirth eingeherzt hat: «Es soll euch zuerst um Gottes Reich und Gottes Gerechtigkeit gehen, dann wird euch das Übrige alles dazugegeben» (Matthäus, Kapitel 6, Vers 33). Er habe sofort gewusst, dass dies seine Lebensbestimmung war. «Danach streckte ich mich aus, daran orientierte ich mein Leben, darauf fokussierte ich mich. Bis heute blieb dieses Wort der Orientierungspunkt, an dem ich mein Leben ausrichte», verrät er.

Dieses Prioritäten setzende Lebensmotto habe er immer umgesetzt – ob im achtköpfigen Seniorenkreis oder in der Jugendgruppe mit zehn Leuten oder als Prediger vor tausend. Johannes Wirth: «Es galt, über Jahre hinweg treu dranzubleiben.» Und so habe er erlebt, wie aus den unbedeutenden Anfängen Grösseres gewachsen sei. Seine Erkenntnis fasst er im Rückblick so zusammen: «Manches Kleine, Unscheinbare, das wir säen und in das wir uns investieren, braucht einfach Zeit, bis es aufgeht.»

Ein neuer Lebensabschnitt

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Johannes Wirth
Das Wirken von Johannes Wirth (65) ist unübersehbar: Aus einer Kirche mit 70 Menschen wuchs eine Bewegung mit 4 Gemeinden. Die GvC in Winterthur zählte an den Sonntagen vor Corona bis zu 1300 Besucher. Die Sozialfirma Quellenhofstiftung hat inzwischen über 100 Mitarbeitende, die 170 Menschen betreuen. Dann das Kongresszentrum Parkarena und jetzt das TownVillage, ein Wohnprojekt, das Jung und Alt rund um die GvC-Kirche in Winterthur-Hegi zusammenbringt. All das trägt die Handschrift von Johannes Wirth. Und nun steigt er ein in die dritte Lebensphase. Andere sollen von seinen Erfahrungen profitieren. Sein Leben und seinen Glauben hat er im Buch «Ungeschminkt» zusammengefasst. Wer hochintelligente Abhandlungen über erfolgreiche Gemeindebaupraxis erwartet oder psychologisch abgefederte Weisheiten im Bereich der Seelsorge oder ausgetüftelte theologische Feinheiten, gespickt mit neuen Erkenntnissen, der wird beim Lesen seines Buches überrascht sein. In 39 Kapiteln auf 240 Seiten erzählt Johannes Wirth aus seinem Leben. Einfach, knapp, ohne Filter, unkompliziert, klar. Aber nie oberflächlich. Liegt genau darin die Wirkkraft des Winterthurer Pfarrerssohnes?

Er spricht, er predigt, er schreibt verständlich, praktisch. Und er lebt, was er sagt. Was er von Gott versteht, das lässt ihn handeln. Wirth schreibt (S. 90): «Die Not unter uns Christen ist nicht, dass wir zu wenige ausgefeilte Predigten hätten. Die Not ist, dass so wenig davon in unseren Leben umgesetzt wird. Wie traurig macht es mich doch, dass ich so oft miterleben muss, wie die klarsten Dinge, bei denen einige meinen, sie hätten sie schon lange genug gehört, im realen Leben gar nicht vorhanden sind. (…) da rufe ich mit Jakobus: Um Himmels willen, seid nicht nur Hörer, sondern Täter des Wortes!» Oder in der Theologie: Ungefiltert beschreibt Wirth seinen Weg zum «unfassbaren Gott» (S. 53). Ihm würden die Antworten auf schweres Leid schlicht fehlen. Letztlich sei die «Hiobs-Therapie» auch seine Therapie: «Gott ist grösser. Er passt nicht in meine Gedanken hinein. Und das ist gut so. Denn würde ich ihn verstehen, wäre er nicht mehr Gott.

Ein Spaziergang war es nicht

Die jahrzehntelange Aufbauarbeit, die Materialisation der Visionen war für den Winterthurer Pastor alles andere als ein Spaziergang. Dieser Weg sei getränkt mit Tränen und verbunden mit schlaflosen Nächten, erzählt er. Erfolge und Niederlagen begleiteten sein Leben. Oft sei er nahe dran gewesen, alles aufzugeben. «Aber ich konnte diesem drängenden Impuls, Gott sei Dank, widerstehen.» Johannes Wirth bezeichnet sich als ein von Jesus Beeindruckter, Begnadigter, Inspirierter und Geheilter.

Zukunftspläne

In Zukunft will er neben Referaten und Reisen auch Coachings anbieten. Wirth spricht von «Leadership Journeys» in Mentoringgruppen von zehn bis zwölf Männern und Frauen, «um während sechs Tagen über ein halbes Jahr verteilt mit mir Zeit zu verbringen».

«Meine Aufgaben verändern sich, aber ich werde auch in Zukunft mit grosser Leidenschaft im Reich meines himmlischen Vaters mit anpacken», so Johannes Wirth im idea-Interview, das Sie hier auszugsweise nachlesen können.»

Buch bestellen:

Das Buch «Ungeschminkt» können Sie im Livenet-Shop oder direkt über www.johanneswirth.ch bestellen kaufen.

Auch Livenet hat ein Zoom-Interview mit Johannes Wirth geführt:

Zum Thema:
GvC-Pastor Johannes Wirth: Die Gesellschaft durch Jesus-mässigen Lebenstil prägen
Kirchen nach Lockdown: Johannes Wirth: «Ohne Gemeinschaft fehlt das wesentlichste Merkmal»
Kleine Gemeinden: Im Schatten der grossen Churches?

Datum: 11.12.2020
Autor: Rolf Höneisen
Quelle: idea Schweiz

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