Er ist Politiker, Sozialist und bezeichnet sich selbst als praktizierenden Christen. Thüringens erster linker Ministerpräsident Bodo Ramelow über seine Vorstellung von Gott und darüber, wie das zu seiner Partei passt.
Bodo Ramelow
«Ich entstamme einer christlichen Familie, evangelische Traditionen sind bei uns zu Hause gelebt worden», erzählt Ramelow. Und auch heute ist der Glaube für ihn nicht wegzudenken. «Religion gehört zu Spiritualität, zum geistigen Wesen der Menschheit dazu.»
Seine Vorstellung von Gott sei keine, die er anderen aufdrängen wolle. Für ihn persönlich ist der Glaube aber eine wichtige Grundlage im Leben. «Gott ist in meinem Herzen ein Fundament. Ich spüre, dass er da ist. Ich habe ein tiefes Gottvertrauen, und das besonders in Situationen, in denen es mir wichtig ist, dass ich mich nicht allein fühle.»
Gottes Nähe erlebt
Immer wieder habe der Politiker erlebt, dass Gott da ist. In Krisenzeiten. Oder wenn er selbst mit seiner Weisheit am Ende gewesen ist. «Diese Nähe Gottes habe ich gespürt, als mein bester Freund gestorben ist. Er hatte Krebs, und ich bin jedes Wochenende von Erfurt zu ihm nach Marburg gefahren. Einmal musste ich unter der Woche nach Frankfurt am Main zu einem Termin. Als ich auf der Höhe von Marburg war, rief seine Frau an und sagte: «Helmut stirbt.» Da habe ich gespürt: Mein Gott ist bei mir. Ich hatte nur wenige Kilometer, dann konnte ich bei ihm sein. Da kann mir keiner erzählen, dass das Zufall ist. Gott wollte, dass ich bei ihm bin.»
Als Christ in der Linkspartei
Für viele mag es dennoch irritierend wirken, dass ein Christ ausgerechnet der Partei «Die Linke» beitritt, die in ihrem Wahlprogramm unter anderem fordert, dass Schulgebete und religiöse Symbole wie Kruzifixe abgeschafft werden sollen. Für Bodo Ramelow ist sein Glaube aber kein Widerspruch zu seiner Partei. Er setzt sich auch auf politischer Ebene für seine Werte ein. Weil ihm die Passage zur Religion missfiel, hat er auf dem Parteitag gegen das Wahlprogramm gestimmt. «Seitdem gibt es in der Linken eine Diskussion, bei der mein Werben für die Bedeutung der Religion auf viel Zustimmung stösst», erklärt er.
Doch er weiss, dass andere Gläubige seine Partei sehr kritisch sehen: «Das habe ich ganz persönlich erfahren: An jenem Sonntag im Jahr 1999, nachdem bekannt wurde, dass ich für die PDS kandidieren werde, blieben in meiner Kirchgemeinde die Plätze auf der Kirchenbank neben mir leer. Da sass ich ganz allein. Das hat sich später geändert, ich habe viel Zustimmung aus meiner Gemeinde erfahren. Aber am Anfang war der Schock in der Gemeinde über meine politische Entscheidung gross.»
Dann, Ende 2014 der politische Aufstieg zum Ministerpräsidenten Thüringens. Die Wahl war knapp. Hat er für die eine Stimme gebetet? «Nicht um die eine Stimme. Ich war morgens in der Andacht zum Friedensgebet. Ich erbitte den Beistand meines Gottes, aber das ist Privatsache.»
So privat, dass er bei seiner Vereidigung zum Premierminister die nächste Überraschung liefert? Der gläubige Christ verzichtet dabei auf die traditionelle Eidformel «So wahr mir Gott helfe». Ramelow dazu: «Auch unter Christen ist ja umstritten, ob die Formel notwendig ist oder womöglich sogar gegen die Bergpredigt verstösst. Dort sagt Jesus: 'Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder beim Himmel noch bei der Erde.' In einem Eid für ein Staatsamt hat das für mich nichts zu suchen. Zwar soll mir Gott beistehen, aber das kann ich nicht schwören. Für mich ist das eine Bitte, ein Gebet an meinen Gott.»