Zehn Tage danach: Das pompöse WEF ist Vergangenheit. Mit zahlreichen
Beteiligten und noch nie dagewesener Präsenz von Regierungshäuptern, war es
eine Konferenz der Superlative. Doch was hat das Treffen gebracht, und konnte
nebst viel Promidynamik auch konkret etwas im Sinne des diesjährigen Themas «Kreieren
einer gemeinsamen Zukunft in einer zersplitterten Welt» erreicht werden? Im Hintergrund wurde jedenfalls viel gebetet.
«Schweigen und Beten» 2016
Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK)
verlieh dem Projekt «Schweigen und Beten» der
Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Davos (AKiD) am 22. Januar 2018 das Oecumenica-Label. Seit 1999 wird jedes Jahr während des
Weltwirtschaftsforums (WEF) eine tägliche ökumenische Gebetswache von 18 bis 21 Uhr in der Kirche St.
Johann in Davos organisiert.
Gleichzeitig fanden noch weitere Gebetsprojekte statt, wie zum Beispiel
von JmeM Davos (Jugend mit einer Mission, Livenet berichtete). Auch «pray4wef» konnte einen 24-Stunden-Kalender für die vier Tage mit
rund 100 Betern sogar mehrmals abdecken. Von mehreren Seiten hörte man, wie auffällig friedlich die Stimmung
während des WEF war.
Irma Wehrli ist die Präsidentin der AKiD.
Livenet im Gespräch mit Irma Wehrli, der Präsidentin der AKiD.
Livenet: Was
bedeutet Ihnen die Preisverleihung? Irma Wehrli:
Sie ist ein Zeichen der Anerkennung für unsere ökumenische Zusammenarbeit in
Davos, die sich seit der Gründung der AKiD 1994 über viele Jahre und durch alle
personellen Wechsel hindurch bewährt hat. In der AKiD wirken nicht nur die
beiden Landeskirchen, sondern auch die Freikirchen EMK, Pfingstmission,
Heilsarmee und FEG mit. Das Oecumenica Label ermutigt uns zu weiteren
Fortschritten auf dem gemeinsamen Weg als Christinnen und Christen. Beim Beten
für Gerechtigkeit und Frieden seit 1999 leben wir einem Wort von Albert
Schweitzer nach: «Beten ändert nicht die Welt. Aber es verändert Menschen, und
Menschen ändern die Welt.» Ich freue mich, dass die Arbeitsgemeinschaft
christlicher Kirchen in der Schweiz ein unspektakuläres Projekt auszeichnet, wo
Betende an Gottes Verheissung für unsere Welt festhalten.
Welche Auswirkungen
haben Sie in den letzten Jahren erlebt?
Wir gehen in uns und überdenken unseren Lebensstil, damit wir
anders hinausgehen und unseren Mitmenschen neu begegnen können. Zwar beten pro
Abend «nur» ein bis drei Dutzend Menschen im Chor der Kirche, aber wir durften
in den letzten Jahren eine zunehmende Vernetzung mit Kommunitäten und
klösterlichen Gemeinschaften in der ganzen Schweiz und in Deutschland erfahren,
die zeitgleich mit uns für Frieden und Gerechtigkeit beten.
Von Schulklassen über die Davoser Schreibwerkstatt bis zur IG
offenes Davos, die in der Flüchtlingsarbeit engagiert ist, haben schon
zahlreiche lokale Gruppen und Einzelpersonen mitgewirkt, sodass «Schweigen und
Beten» in Davos und darüber hinaus in die Gesellschaft ausstrahlen kann. Wir spüren auch zunehmend, dass im Trubel des WEF ein ruhiger Ort
der Einkehr gefragt ist. Manchmal ist einfach genug geredet, und es braucht den
Kontrapunkt der Stille. Auch tagsüber kommen immer wieder Menschen in die
Kirche, beten, tragen sich im Gästebuch ein, hängen ihre persönlichen Anliegen
an unseren Lichterbaum im Chor.
Wie verlief die
Aktion dieses Jahr?
Das Projekt «Schweigen und Beten» wurde von der AGCK mit dem Oecumenica-Label ausgezeichnet.
Das Besondere an «Schweigen und Beten» 2018 war natürlich die
Preisverleihung in der ehrwürdigen «Grossen Stube» des Davoser Rathauses, die
trotz der heftigen Schneefälle und des Verkehrschaos gut besucht war. Dabei war
es besonders berührend, dass die Initiantin, die damalige Pastoralassistentin
Esther Lendenmann, mit dabei war, die nach fast 20 Jahren die Früchte ihres
Engagements ernten durfte. Auch das Grusswort des Landammanns und das
Wohlwollen der Davoser Behörden haben uns gefreut.
Im Auftaktgottesdienst bewegten das Zeugnis und die Fürbitten der
Vertreterinnen von Gebetskreisen, die seit Jahren mit den Davosern mitbeten.
Die «Schweigen und Beten»-Abende selbst waren rege besucht; auch eine
Konfirmandengruppe mit ihrer Pfarrerin war mit dabei. Und im Gästebuch in der Kirche St. Johann waren diesmal auch
Einträge in chinesischer Schrift zu lesen…
Wie sehen Ihre
Zukunfts-Pläne aus?
Das Oecumenica Label wird für drei Jahre verliehen und kann danach
erneuert werden. Diese Ehre ist also gleichzeitig auch eine Verpflichtung für
die kommenden Jahre. Wir hoffen, dass es «Schweigen und Beten» ebenso lange
geben wird wie das WEF!
Welche Resultate der
WEF-Gespräche zum Gesamtthema 2018 sehen Sie?
Es ist bestimmt lobenswert, dass das WEF sich eines «Kreieren
einer gemeinsamen Zukunft in einer zersplitterten Welt» verschreiben will. Ich
denke, dass dazu in Davos auch ernsthafte Diskussionen stattfinden und gute
Initiativen ergriffen werden. Allerdings klaffen Anspruch und Wirklichkeit
allzu sehr auseinander. Die unzähligen Limousinen, die während des WEFs die
Davoser Luft verpesten, sind dafür ein kleines, aber vielleicht typisches
Beispiel. Uns von «Schweigen und Beten» hilft das Gebet dabei, «den Spagat
zwischen Verheissung und Wirklichkeit auszuhalten», wie es ein Teammitglied
beschrieb. Wir halten die Bruchstücke unserer zerrissenen Welt Gott zur
Verwandlung hin.