Rat der Religionen Schweiz gegen Verhüllungsverbot
Vertreterinnen und Vertreter der grossen Religionsgemeinschaften der Schweiz sprechen sich einstimmig gegen ein geplantes Verhüllungsverbot aus. In einer Medienkonferenz per Zoom präsentierte der Schweizerische Rat der Religionen SCR eine gemeinsame Stellungnahme zur Volksabstimmung am 7. März.
Der SCR, dem Vertreterinnen und Vertreter der christlichen, jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften der Schweiz angehören, lehnt die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ab. Er stellt sich gegen eine unverhältnismässige Einschränkung der Religionsfreiheit. Seine Mitglieder setzen sich gemeinsam für einen respektvollen Umgang mit den Anhängerinnen und Anhänger der Religionsgemeinschaften ein. Der Rat begrüsst statt der Initiative den indirekten Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament.
Glaubensüberzeugungen respektieren
SCR-Präsident Harald Rain
«Als Repräsentantinnen und Repräsentanten der grössten Schweizer Religionsgemeinschaften wollen wir heute zusammenstehen und zeigen, dass ein Verhüllungsverbot nichts für ein friedliches Miteinander in unserem Land beitragen kann», sagte einleitend SCR-Präsident Harald Rein, Bischof der Christkatholischen Kirche in der Schweiz. In der Medienkonferenz betonten die Ratsmitglieder die Religionsfreiheit als einen wichtigen Pfeiler in der liberalen rechtsstaatlichen Demokratie. Dieses Menschenrecht schützt auch religiöse Praktiken wie Kleidervorschriften.
«Beinahe jede Religion kennt unterschiedliche Verhüllungen des Körpers als Zeichen menschlicher Ehrfurcht und Verehrung für einen Gott. Solche persönliche Glaubensüberzeugungen verdienen Respekt, weil sie untrennbar zur Identität der Gläubigen gehören», erläuterte Montassar BenMrad, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz.
«Keine Garantie für Gewaltlosigkeit»
Die Religionsfreiheit ermöglicht und fördert religiöse und kulturelle Pluralität und schützt die Religionsgemeinschaften vor Druck von innen und aussen. Dieses Grundrecht im scheinbaren Interesse der öffentlichen Sicherheit ausser Kraft zu setzen, hält der SCR für falsch und unverhältnismässig. Die Initianten argumentieren vordergründig mit Sicherheitsbedenken gegenüber jeglichen vermummten Personen und dem Schutz vor Kriminalität. «Die Initiative verfehlt ihr Anliegen», sagt Bischof Felix Gmür, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz. «Die angeordnete Enthüllung wird keine Garantie für Gewaltlosigkeit bieten.»
Ralph Lewin
Deshalb spricht sich der Rat der Religionen für den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates aus, der die Enthüllung nur für Identifikationszwecke durch die staatlichen Behörden vorsieht. Aus Sicht von Ralph Lewin, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, «dürfen Einschränkungen der Religionsfreiheit nur äusserst zurückhaltend eingesetzt werden und müssen verhältnismässig sein. Der Gegenvorschlag ist in dieser Hinsicht vertretbar.»
Doppelter Konflikt für muslimische Frauen
Die Gesetzesänderung würde sich vor allem gegen eine kleine Gruppe muslimische Frauen richten, die damit in einen doppelten Konflikt gerieten: einer religiösen Forderung zur Verhüllung und dem entgegengesetzten staatlichen Zwang zur Enthüllung. Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, betonte, wie wichtig dem SRC in seiner Stellungnahme die Gleichstellung der Geschlechter und das Verbot jedweder Diskriminierung ist. «Wenn wir bei verschleierten Frauen stets Unterdrückung und Herabsetzung vermuten, werden wir der Vielfalt der religiösen Selbstdeutungen von Frauen nicht gerecht.» Vielmehr müssen in den Augen des SCR weiterhin die Rechte von Frauen gestärkt werden.
Der SCR anerkennt die Ängste und Sorgen der Bevölkerung vor religiöser Radikalisierung und Gewaltideologien. Die Initiative bietet hier aber keinen Lösungsansatz. «Ideologien, die zur Gewalt aufrufen, sind eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, unabhängig davon, ob sie sich hinter einem Schleier verstecken», so Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz. Umso wichtiger ist deshalb ein offener gesellschaftlicher Dialog.