Interview

«Frauen möchten begehrt werden»

Was sagt gutes Küssen über eine Beziehung aus? Iris Muhl spricht in ihrem neuen Buch «Intim, Fachleute im Gespräch über Lust, Leidenschaft und erfüllte Sexualität» mit Experten über alle Fragen rund ums Thema Sexualiät.

Im Folgenden ein Auszug aus dem Gespräch mit Dr. Elizabeth Domig und Dr. Arthur Domig aus  Salzburg. Sie leiten gemeinsam das Institut für Bildung und Beratung mit Schwerpunkt Paar und Sexualberatung sowie Persönlichkeitsentwicklung.

Iris Muhl: Sagen Sie, wie wichtig ist das Küssen in einer Beziehung? Interessant ist, dass das Küssen in Ratgebern für Sexualität praktisch nie vorkommt.

Elizabeth Domig: Ich glaube, das Küssen ist sehr wichtig. Die Sexualtherapeuten Clifford und Joyce Penner sagten uns während eines Schulungstrainings, dass das Küssen vor der Eheschliessung ein guter Test dafür ist, ob man zusammenpasst oder nicht. Wenn zwei merken, dass der Zungenkuss erregend und aufregend ist, dann sei das ein Zeichen dafür, dass es auch im Bett gut klappt.

Arthur Domig: Es ist schwieriger, jemandem den Zungenkuss beizubringen, als den Geschlechtsverkehr. Es spielt sowohl der Geschmack als auch die Bewegungen und die Art des Küssens eine grosse Rolle. Wenn man mit dem Partner, mit der Partnerin gut Zungenküssen und es auch  geniessen kann, dann ist man sexuell kompatibel.

Ach ja. Und wie lernt man das Küssen?

Arthur Domig: Also, die Cliffords sagten uns, sie hätten es in Kursen schon mit Orangen probiert. Das klappt sehr gut. Es gilt, die Orange zu geniessen, die Zunge zu verwenden und die Flüssigkeit und Konsistenz zu erforschen.

Elizabeth Domig: Paare, die sich im Alltag immer wieder küssen, halten auch ihre Intimität wach. Ich persönlich halte das Küssen für sehr wichtig.

Nun habe ich in der Weltwoche Nr. 14 vom 2. April 2009 Folgendes gelesen: «Was Frauen wollen, ist ein echtes Dilemma. Sie wollen an die Wand geschleudert werden, ohne gefährdet zu sein. Sie wollen einen fürsorglichen Höhlenmenschen.» Dies sagte die Professorin Marta Meana, Psychologieprofessorin an der Universität Nevada. Nun, das ist doch ein Widerspruch. Was sagen Sie als Frau dazu, Frau Domig?

Elizabeth Domig: Das ist für mich ein bisschen zu extrem ausgedrückt. Frauen möchten begehrt werden. Sie möchten das Gefühl haben, dass sich ihr Mann um sie bemüht. Und das macht ein Mann, wenn er verliebt ist. Er bemüht sich sehr. Was dann aber oft passiert in der Ehe ist, dass diese Bemühung zurückgeht. Für eine Frau ist das nicht sehr interessant.

Begehrt werden und zärtlich behandelt sein. Wie geht denn das? Haben Sie da einen Tipp für Männer?

Elizabeth Domig: Wir möchten also nicht an die Wand geschleudert werden, aber wir möchten schon auch gepackt werden, diese Spannung erleben. Frauen wollen Zärtlichkeit und Begehren spüren.

Sagen Sie, Herr Domig, wie wollen denn Männer behandelt werde? Leider habe ich dazu keine Studie lesen können. Was ich weiss, ist, dass Männer von Ästhetik, also von der Schönheit der Frau bewegt und erregt werden. Wie sehen Sie das?

Arthur Domig: Da gab es eine Studie eines Arztes. Er befragte seine Klienten, was ihnen denn am Wichtigsten sei. Für Männer kam in dieser Studie an erster Stelle die sexuelle Verwirklichung mit der Partnerin, an zweiter Stelle die Freizeit mit ihr und an dritter Stelle ihr Aussehen. Für Frauen kam an erster Stelle die Zärtlichkeit, an zweiter Stelle das Reden und viel viel später die sexuelle Verwirklichung. Wenn ein Mann nun nach der Arbeit nach Hause kommt, keine Energie mehr hat und erstmal entspannen will, läuft auf der sexuellen Ebene natürlich gar nichts. Wichtig ist nun für den Mann, erst mal abzuschalten. Denn wenn ein Mann erotische Gefühle erleben will, muss er ein Gefühl von «Zuhause» haben.

Nun gibt es aber Männer, die gar nie die Initiative ergreifen. Eine Freundin sagte mir,  dass ihr Ehemann nie die Initiative im Sex ergriffen habe, was sie besonders gereizt habe. Diese Softie-Vorgehen hat sie eigentlich ganz besonders an ihm gemocht, weil sie selbst sehr sensibel ist. Nun aber, nach 15 Jahren Ehe, wünscht sie sich einen Ehemann, der sie auch mal begehrt, sie auch mal ins Bett zieht. Offenbar ist das normal, habe ich dann im Buch vom Paartherapeuten Ulrich Clement «Guter Sex trotz Liebe» gelesen, dass sich die positiven Eigenschaften eines Ehepartners manchmal ins Negative kehren. Also der Softie gilt plötzlich als passiver Langweiler und der Macho wirkt plötzlich rechthaberisch. Die selbstbewusste Frau wird plötzlich zur Furie und die natürliche Frau ohne Schminke gilt irgendwann als ungepflegt. Nun, normal ist das vielleicht schon, aber wie geht man in der Erotik damit um?

Elizabeth Domig: Es geht hier um das Persönlichkeitswachstum- und Entwicklung. Wir sehen ja, dass das, was am Anfang so attraktiv war, uns später auf die Nerven geht. Ein erster Schritt ist der Austausch. Sie sollen sich erzählen, welche Gefühle sie haben, wie sie sich entwickelt haben, was sie heute möchten. Aus Gesprächen geht hervor, wer man ist und was man vom Partner erwartet. Zuvor ist es aber wichtig, dass man sich selber wahrnimmt und weiss, welche Bedürfnisse man hat.

Arthur Domig: Bei diesem Ehepaar, das sie erwähnten, zeigt sich eine berühmte Dynamik. Zunächst ist der Partner ganz anders. Die Unterschiede ziehen sich sehr stark an. Am Anfang nennt man es eine Tugend. Es sind Eigenschaften, über die man selber nicht verfügt. Wenn diese Unterschiede aber im Laufe der Jahre nicht versöhnt werden, dann werden Tugenden zu Untugenden. Ihre Freundin merkt also nach 15 Jahren, dass sie zu wenig bekommt, dass sie zu kurz kommt. In der Sexualtherapie würde man sich ansehen, was das heute für ein Paar- Konstellation ist. Vielleicht ist sie eine dominante Person geworden. Vielleicht ist sie auch kritisch geworden. Und wir wissen, dass Kritik der Erotik-Killer Nummer eins ist. Vielleicht kritisiert sie, dass er nicht «seinen Mann steht».

Es gibt ein Buch in der Bibel, das nur über Erotik spricht. Wenn wir das Hohelied lesen, können wir Gottes Zusage an die Sexualität erkennen. Wir lesen, wie Mann und Frau voneinander berauscht und überwältigt sind. Was sagen Sie zum Hohelied?

Elizabeth Domig: Ich bin froh, dass das Hohelied in der Bibel ist. Es zeigt, dass Gott sich für Sex ausspricht. Ich finde, dass Sexualität eins der schönsten Geschenke ist, dass Gott uns gegeben hat. Ich finde, er freut sich an uns und wir ehren ihn, wenn wir Sexualität geniessen.

Arthur Domig: Es ist nicht überraschend, dass im Wort Gottes wichtige Lebensthemen aufgenommen wurden, wie das Buch Hiob über das Leid, aber auch das Hohelied über die Erotik. Hier werben ja zwei Männer um eine Frau. Es ist faszinierend, wie das Hohelied eine positive Sichtweise auf die Sexualität geben kann. Gleichzeitig ein Hinweis, dass die Sexualität einen Schutz braucht, Richtung braucht, um sich entfalten zu können und nicht missbraucht zu werden.

Dieser Beitrag ist Teil einer Artikel-Serie über das Thema erfüllte Sexualität in christlichen Ehen. Das Buch von Iris Muhl «Intim, Fachleute im Gespräch über Lust, Leidenschaft und erfüllte Sexualität», Brunnen Verlag, ist im Internet, im christlichen Buchhandel oder bei Orell Füssli erhältlich oder direkt bei www.bibelpanorama.ch zu bestellen. Bestelltelefon: Brunnen Verlag 061 295 60 03. Rückmeldungen und Kritik bitte an buch.intim@gmx.ch.

Autor: Iris Muhl
Quelle: Livenet.ch

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