Alice Cooper: „Alice ist kein Held!“

Er ist 57jährig und kein bisschen leise: Vincent Damon Furnier, besser bekannt als Alice Cooper.

In den letzten Jahren erlebte die Figur „Alice Cooper“ Verführung (Last Temptation), den Niedergang der Welt (Brutal Planet) und die Hölle (Dragontown). Wir sprachen mit Vincent Damon Furnier über die Zukunft von „Alice Cooper“.

Daniel Gerber: Als Vincent Damon Furnier schreiben Sie für die Figur «Alice Cooper». Die hat immer Probleme und sieht nur schwarz. Gibt es ein Album, bei dem Alice etwas Gutes findet oder ist der Charakter zum Schlechten verdammt?
Alice Cooper (mit bürgerlichem Namen Vincent Damon Furnier):
Ich habe das Gefühl, dass Alice immer mitten in Problemen steckt. Weil er ein gemeiner Typ ist. Er ist kein «good guy». Er ist kein Held.

Im Album «The eyes of Alice Cooper» handelt aber kein Song von Alice, sondern davon, wie er die Welt sieht und sie kommentiert. «Men of the year» macht das deutlicht: der perfekte Mann, der eigentlich gar nicht perfekt ist. Ein anderer Song, «Shat do you want from me?», handelt von einem Typen, der immer die falschen Sachen für seine Freundin kauft. Das macht diesen Song lustig. Er hat all seine Pornos verbrannt und so weiter.

Alice sieht dies und die Ironie dahinter. So hat jeder Song seine Story. Mein Album «Brutal Planet» war ein Gesamtkonzept. Hier geht es um verschiedene soziale Probleme. Jeder Mensch hat welche. Wenn ich 'raus auf die Strasse gehe, mich in ein Café setze und die Leute vorbeigehen sehe, dann weiss ich, jeder von denen hat Storys zu erzählen: grossartige Geschichten, lustige, grauenhaft, dramatische, über Sex und so weiter. Jeder hat seine Geschichten. Und ich probiere, diese Geschichten zu erzählen.

Wird Ihr nächstes Album – ich gehe davon aus, dass Sie gerade dran schreiben – wieder ein Konzeptalbum?
Nein, es werden wieder verschiedene Geschichten sein. So wie bei meinem jetzigen. Das übernächste dann wird wieder ein Konzeptalbum werden. Denn ich habe inzwischen drei Konzeptalben hintereinander produziert: «Last Temptation», «Brutal Planet» und «Dragontown». Dann sagte ich mir, ich lasse das jetzt und werde zwölf wirklich gute Lieder schreiben.

Wenn ein Konzept dahinter stand, dann das, dass wir mit wenig Technologie arbeiteten. Ich stellte die Band in einen Raum von der Grösse dieses Hotelzimmers. Das Schlagzeug dort, Gitarre hier, Gitarre da, Bass dort. Ein Mikrofon in der Mitte. Dann spielten wir jeden der zwölf Songs 25mal live. Wie in einem Club. Davon nahm ich dann die jeweils beste Aufnahme. Das Album soll genau so klingen, wie die Band tönt. Die Band soll die Band sein und nicht eine gläserne Version der Band. Man kann einen schlechten Song nehmen und ihn aufmotzen, bis er ganz grossartig klingt.

Ich wollte aber starke Songs der Band einspielen und sagen: So klingt die Band. Mit wenig Einsatz von Technik. Mich als Songschreiber setzt das unter Druck; genauso die Band, die dann spielt. Ich möchte das auch nicht mit einer anderen Gruppe ausprobieren. Aber diese Band hier ist aber die perfekte Formation für so etwas. Sie spielt live sehr gut. Das sieht man nun bei den Auftritten. Es hört sich genau gleich an wie auf dem Album.

In einem früheren Interview mit uns haben Sie gemeint, dass sich die Leute zwischen Paradies und Hölle entscheiden müssten. Inzwischen befindet sich ihr Land im Nahen Osten im Krieg. Manche vermuten dort zwischen Euphrat und Tigris den Garten Eden. – Grund genug für ein Album über das Paradies?
Als Paradies werden manchmal die hängenden Garten von Babylon 1) bezeichnet. Doch jetzt gibt es dort nichts mehr Paradieshaftes. Das kann an der schlechten Einstellung vieler Leute dort liegen. Aber ich bin nicht politisch. Überall werden Politik und Rock’n’Roll zusammengebracht. Aber ich finde, sie gehören nicht zusammen. Rock’n’Roll sollte vor der Politik fliehen und nicht mit ihr ins Bett gehen.

Aber etwas sollte jeder in seinem Kopf sehr gut speichern. Nämlich was diese Moslems sagen: «Wenn du nicht Moslem bist, musst du sterben!» Das sagen sie. Und sie tun es. Sie enthaupten Menschen im Fernsehen, einfach weil sie keine Moslems sind. Amerika will nicht diesen Anstrich bekommen. So etwas können sie uns nicht andrehen. Wenn dann irgendwo etwas falsch läuft, rufen die Leute nach Amerika, damit wir 'rüberkommen und es wieder richten. Und wenn Amerika nicht kommt und hilft? Dann sind die Leute auf Gedeih und Verderb diesen Killern ausgeliefert.

Man hat sich zu entscheiden zwischen dem einen und dem anderen. Also ruft uns nicht, damit wir 'rüberkommen und euch helfen! Denn wir werden es nicht tun. Wir Amerikaner werden angepisst. Nicht nur unsere Politiker, sondern auch die Leute auf der Strasse. Ich bin überrascht, dass man bei unseren Kämpfen in Afghanistan kaum hinter uns gestanden ist. Denn dort gibt es sehr schlechte Leute. Wenn diese Terroristen hier in der Schweiz wären, würden die jeden umbringen. Ich weiss nicht, wie man die einfach davonkommen lässt.

Aber lassen wir diese Themen. Ich will einfach eine Rockstory machen. Das andere haben wir schon im TV. Und ich will, dass die Leute davor flüchten können. CNN zeigt täglich, wie viele Leute umgebracht wurden. Ich bin es müde. Das Publikum will weg davon. Darum gibt es Filme wie «Harry Potter», «The Day after Tomorrow» und andere Filme wie «Troja». Damit die Menschen flüchten können. Und auch in meinen Konzerten soll das Publikum für 1 Stunde und 45 Minuten flüchten können.

Wenn wir gerade von Terroristen sprechen: Auf Ihrem letzten Album „Dragontown“ gibt es den Song «The Sentinel». Ist das ein Lied über einen Selbstmord-Attentäter?
Es geht um einen Terroristen, ja. Aber keinen guten. Er sprengt sich aus Versehen immer selber in die Luft. Mein Terrorist ist eine Art Komik-Terrorist; einer, der jeden umbringen will, aber zu dumm dafür ist. Er überlegt sich beim Bombenbasteln, ist das Kabel nun rot oder blau? Und im nächsten Moment hat er sich in die Luft gesprengt.

Sozusagen «the Terrorist, that didn’t rhyme» 2) … … der Terrorist, der kein Geschick hat.

1) Babylon liegt im Irak, rund 80 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Bagdad.
2) «The Song that didn’t rhyme» ist eines der beliebtesten Stücke auf Alice Coopers neuen Album.

Das Interview führte Daniel Gerber.

Alice Coopers Hilfswerk: www.srfrock.org


Weitere Webseiten:
www.alicecooper.com

www.alicegolf.com
www.alicepudding.com

Teil 1: Alice Cooper: „Jeder vermisst etwas!“

Lesen Sie nächste Woche: Der Schockrocker und sein Sozialwerk.

Datum: 03.08.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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