Häufigster Abtreibungsgrund

Polen verbietet Abtreibung wegen angeborenen Mängeln

Polens oberster Gerichtshof hat in der letzten Woche entschieden, dass die Abtreibung von Kindern mit Fehlbildungen nicht verfassungsgemäss ist. Damit fällt der häufigste Grund für Abtreibungen weg.

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Pro-Life Aktivisten in Warschau (Bild: cbn.com)
Die Beendigung einer Schwangerschaft wegen Fehlbildungen oder Mängeln ist der häufigste Grund für Abtreibungen in Polen. Konservative Juristen hatten argumentiert, dass dieses Motiv dem verfassungsmässigen Recht auf Leben für jedes Individuum widerspricht und verglichen es mit der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Eugenik – der «genetischen Selektion», die unter anderem die Nazis zu ihren pseudowissenschaftlichen Experimenten trieb.

Jetzt stellten sich lediglich zwei Richter gegen die Entscheidung des 13köpfigen Verfassungsgerichts, das künftig auch behinderten Kindern eine Lebensmöglichkeit gibt. Nach Ansicht des Gerichts gibt es «keinen Schutz der Würde des Individuums ohne den Schutz des Lebens».

Der Antrag einer katholischen Gruppe Anfang dieses Jahres wäre noch weitergegangen und wäre praktisch auf ein totales Abtreibungsverbot hinausgelaufen. Das verhinderten die Gesetzgeber, indem sie den Fall von angeborenen Behinderungen nun separat behandelten. Polen hat damit eins der striktesten Abtreibungsgesetze Europas.

Gesetz seit 1993

Das bisher geltende Abtreibungsgesetz wurde in Polens junger nachkommunistischer Demokratie im Jahr 1993 als Kompromiss zwischen der einflussreichen katholischen Kirche und dem Staat eingeführt. Es erlaubt Abtreibungen bei Gefährdung von Gesundheit oder Leben der Mutter, wenn das Kind auf Vergewaltigung oder einen illegalen Akt zurückzuführen ist oder eben im Fall von zu erwartenden Geburtsschäden.

In Polen wurden im Jahr 2019 rund 1'100 legale Abtreibungen pro Jahr durchgeführt, davon 1074 wegen zu erwartenden Defekten. Laut tagesschau.de schätzen Frauenrechtsorganisationen jedoch, dass jedes Jahr bis zu 200'000 Polinnen illegale Abtreibungen vornehmen lassen oder dafür ins Ausland gehen.

«Trauriger Tag für Frauenrechte»

Abtreibungs-Aktivisten beklagten den Gerichtsentscheid und die Menschenrechtsbeauftragte des Europarates, Dunja Mijatovic, bezeichnete ihn als «traurigen Tag für die Frauenrechte». Am Wochenende wurde vor katholischen Kirchen und auch in einigen Sonntagsmessen gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts demonstriert. In der Kathedrale im westpolnischen Posen (Poznan) musste der Priester am Sonntag einen Gottesdienst abbrechen, weil er von gut zwei Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten massiv gestört wurde.

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Datum: 27.10.2020
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / CBN News

Kommentare

Es ist beeindruckend, wie ein katholisches Land gesellschaftliche Kräfte gegen die Kultur des Todes mobilisieren kann. Es ist nach wie vor meine Meinung, dass Evangelikale und Katholiken im ethischen Bereich viele Gemeinsamkeiten haben und gut zusammenarbeiten können, auch wenn sie auf theologischer Ebene nicht zusammenfinden.

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