Inklusion inklusive

Jubiläumsgala im Zirkuszelt

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Die Teilnehmer des Zirkus Mugg (Bild: zVg)
Der Verein Insieme Zürcher Oberland bietet Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung Freizeit-Angebote an. Sein 60-Jahre-Jubiläum feierte er mit einer Gala im Zirkus Mugg in Betschwanden GL. 17 Teilnehmende begeisterten das Publikum.

«Ich schaffe das nicht!», stöhnt eine junge Frau mit Down-Syndrom. Sie hat den Auftritt im Zirkuslager von Insieme intensiv geübt. Aber jetzt, kurz vor dem Auftritt, ist sie so nervös, dass sie nicht mehr an ihren Erfolg glaubt. Sie ist damit nicht die Einzige der 17 Teilnehmenden mit einer geistigen Behinderung. Aber als die Zirkusmusik ertönt und dann der Vorhang aufgeht, marschieren alle in die Arena und nehmen freudig den ersten Applaus der rund 120 Gäste entgegen.

Zirkuswelt schnuppern

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Mirjam Fisch (Bild: Livenet)
Zwei Wochen lang haben sie zusammen mit sieben freiwilligen Bezugspersonen und dem Verantwortlichen von Insieme ein Zirkusprogramm einstudiert. Mein Mann und ich gehörten dazu. Jonglieren, Zaubern, Balancieren auf dem Fass oder Seil, Trapez und Rönrad haben sie als Disziplinen gewählt. Jede und jeder trainierte während gut zwei Stunden vor- und nachmittags darin so viel, wie möglich ist. Natürlich gehörten das Zirkuslied, Spiele, Einturnen und Pausen dazu. Und als Krönung dürfen sie sich vor dem Auftritt noch verkleiden. Spätestens jetzt fühlen sich wohl alle wie ein Profi.

Ausfliegen

Jeweils der Mittwoch und das Wochenende zwischen den beiden Lagerwochen waren freie Tage. Sie wurden zur Erholung und für Ausflüge genutzt. So lernte die fröhliche Truppe das Glarnerland besser kennen. Wir fuhren Zug und Postauto, wanderten durch Braunwald, grillierten in Elm, wo man sich Gratis-Elmer-Citro aus dem Brunnen fischen durfte oder degustierten feinste Schoggi im House of Läderach. In Glarus genossen wir eine Shopping-Tour oder ein Glacé im Park-Café. Dabei entstanden immer wieder Kontakte zu Mitreisenden. Weil unsere Leute sie unkompliziert ansprachen und ausfragten. Die Reaktionen waren durchwegs freundlich.

Geduld bringt Rosen

Es braucht viel Zeit und Geduld, wenn man sich auf das Abenteuer «Ferien mit behinderten Menschen» einlässt. Nicht alle kennen einander, so auch die freiwilligen Helfer und ihre zu Betreuenden. Einige von ihnen haben das Down-Syndrom in unterschiedlicher Ausprägung. Es gibt ADHS-ler, auch körperlich Beeinträchtigte und Männer oder Frauen, deren kognitive Einschränkung nicht genau definiert ist. Spürbar ist jedoch, dass viele von ihnen sehr feinfühlig sind. Sie nehmen Anteil am Ergehen der anderen, trösten oder ermutigen, wenn das nötig scheint. Oft umarmen sie einander oder ihre Bezugspersonen. «Ich habe dich gern», bekam ich oft zu hören.

Kurz aufflammende Konflikte werden rasch wieder beigelegt, nachtragend ist offenbar niemand. Und ab und zu erlebt man eine Überraschung. Sei es, weil sich einer der Teilnehmenden zwischen 21 und 62 Jahren verletzt hat und nun laut weint. Oder ein sonst sehr in sich gekehrter junger Mann alle mitreisst und am Discoabend zu den Klängen von «Macarena» zu tanzen.

Balanceakt

Die Balance zu halten zwischen Anteilnahme, Hilfestellung und der Ermutigung, es selber zu tun, forderte uns Freiwillige heraus. Nur einige haben schon professionell mit behinderten Menschen gearbeitet. Alle zeigten jedoch eine respektvolle und freundliche Grundhaltung. Mir kommt die Aufforderung von Jesu in den Sinn: «Lasset die Kinder zu mir kommen, denn ihnen gehört das Reich Gottes.» Sie benahmen sich manchmal wie Kinder, unsere Lagerteilnehmer. Oft werden kognitiv Beeinträchtigte auch jünger geschätzt als sie sind. Ich habe gestaunt, als der «junge Mann» mir gegenüber erklärte, dass er bald Fünfzig wird.

Ihre Gemütslage entspricht aber oft nicht dem Lebensalter. Sie reagieren daher nicht entsprechend, können komplexe Situationen nicht einschätzen, nicht schnell reagieren, eine Situation nicht verallgemeinern oder selbständig planen. Dafür freuen sie sich an kleinen Fortschritten, zeigen ihre Emotionen ungeschminkt. Zum Abschied wurden wir jedenfalls zum Teil stürmisch umarmt und gedrückt. Und das machte einige herausfordernde Situationen wieder mehr als wett.

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Zur Website:
Verein Insieme Zürcher Oberland

Zum Thema:
Zwei Söhne mit Beeinträchtigung: «Es ist alles gut!»
Aufruf zum 5. Mai: Fünf Minuten für Inklusion beten
Oliver Merz im Livenet-Talk: Nur tragbar oder mittendrin?

Datum: 03.10.2022
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

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