Cyberwar

«Israel hat den Iran bereits angegriffen»

Haben Israel und die USA Cyberwar-Instrumente gefunden, die den Iran am Bau von Atombomben hindern können? Dies würde einen riskanten Militärschlag gegen die Islamische Republik überflüssig machen, schreibt der israelische Journalist Yossi Melman in der Zeitung «Haaretz».

Israels Geheimdienst habe mit Hilfe der USA den Iran bereits attackiert – aber nicht mit herkömmlichen militärischen Mitteln. Konventionell werde Israel «den Iran nicht angreifen, wenigstens nicht in den nächsten Jahren», prognostiziert Melman. Als weitere Gründe führt er den Widerstand in Washington und die schweren Bedenken israelischer Politiker und Experten an.

Meir Dagan, der abtrende Chef des Mossad, des israelischen Auslandgeheimdienstes, hatte vor kurzem Aufsehen erregt mit der Aussage, der Iran werde vor 2015 keine Atombombe besitzen, aufgrund von Verzögerungen und westlichen Sanktionen. Dagan riet von einem militärischen Angriff auf iranische Anlagen ab. Eine Attacke sei nur ratsam, falls Israel angegriffen werde oder direkter Gefahr ausgesetzt sei. Zugleich forderte er weiteren Druck der Staatengemeinschaft. Manche Nahost-Beobachter setzen auf Zeit. Die iranische Regierung hat kürzlich die Preise für Benzin und zahlreiche Güter des täglichen Bedarfs angehoben; dies könnte den Unmut in der armen Bevölkerung weiter wachsen lassen.

Schäden durch Wurm

Die Verzögerung des iranischen Atomprogramms wird mit den Schäden an Zentrifugen in Zusammenhang gebracht, die offensichtlich der Computerwurm Stuxnet 2010 verursachte. Die «New York Times» schrieb von Hinweisen, dass Israelis und Amerikaner den Wurm gemeinsam entworfen und in der streng abgeriegelten Atomanlage Dimona in der israelischen Negev-Wüste getestet hätten. Die Israelis hätten Stuxnet an Zentrifugen getestet, die den iranischen ähnlich gewesen seien, sagte ein amerikanischer Experte der Zeitung. Deswegen sei der Computerwurm so wirksam gewesen. Die Zentrifugen reichern Uran an – eine Voraussetzung für die militärische Verwendung.

«Raffinierteste Cyberwaffe»

Der Iran hatte im Oktober zugegeben, dass Tausende Rechner in seinen Atomanlagen infiziert wurden. Die «New York Times» schätzt, dass Stuxnet ein Fünftel der iranischen Uranzentrifugen lahmlegte und das gesamte Programm der Anreicherung zurückgeworfen hat. Der Wurm sei «die raffinierteste Cyberwaffe, die je entwickelt wurde».

Der Computerwurm Stuxnet war im Juni 2010 identifiziert worden. Er wird gefürchtet, weil er in Siemens-Systeme zur Steuerung von Industrieanlagen eindringt. Ein Angreifer kann dadurch die Kontrolle über zentrale Systeme etwa von Kraftwerken, Pipelines oder Fabriken übernehmen und die Anlagen zerstören.

Geplänkel vor Gesprächen

Vor den Gesprächen, die der Iran und die Vertreter der Staatengemeinschaft ab heute in Istanbul führen wollten, hat Teherans UN-Botschafter Präsident Obamas Iranpolitik als gescheitert bezeichnet. Mohammad Khazaee sagte Reportern am Dienstag, Obama habe seine Zusagen nicht eingehalten und wiederhole Fehler seines Vorgängers. Präsident George W. Bush hatte auf die Isolation des Iran hingearbeitet. Aufgrund von Irans Manövern und der fehlenden Kooperationsbereitschaft wird diese Sanktionspolitik weitergeführt. Iran wolle als Regionalmacht respektiert werden, sagte der Botschafter. Die Sanktionen hätten Iran geschadet, aber die Regierung werde weder politischem Druck noch Wirtschaftssanktionen nachgeben.

Spaltung der israelischen Arbeitspartei

Während die äussere Bedrohung durch den Iran die Israelis zusammenschweisst, hat das Gezerre um die Politik in den besetzten Gebieten eine weitere Spaltung gezeitigt: Überraschend ist Verteidigungsminister Ehud Barak aus der von ihm geführten Arbeitspartei ausgetreten. Barak war wegen seiner Mitwirkung in der Koalitionsregierung von Benjamin Netanjahu parteiintern scharf kritisiert worden. Nun gründet er zusammen mit vier der zwölf Fraktionskollegen eine neue Partei mit dem Namen «Atzmaut» (Unabhängigkeit). Die Partei wolle in der Mitte politisieren; sie sei zionistisch ausgerichtet, sagte Barak.

Mit Premier Netanjahu feilschte der altgediente Politiker erfolgreich um den Erhalt der vier Ministerposten. Seine Kritiker in der Labour-Partei legten ihre Ministerämter nieder; sie werden durch Politiker ersetzt, die sich Barak anschlossen. Der Labour-Abgeordnete Amir Peretz, vom Bruch überrascht, kritisierte den Opportunismus des früheren Premiers. Sein Vorgehen sei mehr in seinem eigenen als im nationalen Interesse. Peretz und drei weitere Abgeordnete hatten seit Monaten versucht, sich von Labour zu trennen, weil sie die Politik der Regierung kritisieren.




Datum: 20.01.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet, Haaretz, New York Times

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