Umbruch bringt mehr Klarheit

US-Kirchen – was ist wirklich los?

«Sie stirbt nicht». So beginnt der Forscher und Autor Ed Stetzer eine Analyse des Zustands der Kirche in den USA in der Zeitschrift «Christianity Today». Er kommt zu einem interessanten und plausiblen Ergebnis.

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Die Crystal Cathedral, eine Megachurch in Garden Grove, Kalifornien (USA)
In einer nationalen Umfrage im Jahre 2009 war unter anderem festgestellt worden, dass der Prozentsatz der «Christen» in den USA seit 1990 von 86 auf 76 Prozent gefallen sei; gleichzeitig sei die Zahl der Religionslosen von 8 auf 15 Prozent angestiegen. «Newsweek» und diverse Buchautoren hatten daraufhin den Kollaps des christlichen Amerika bzw. der Evangelikalen vorausgesagt.

Neue Nahrung bekam die um sich greifende Furcht vor dem Ende der Kirche, als 2012 bekannt wurde, dass die Religionslosen allein in den letzten fünf Jahren um fünf Prozent zugenommen hatten. Wird es eng für das christliche Amerika?

Nein, meint Stetzer. Einen Hauptgrund für die zunehmende Zahl der Religionslosen in den USA sieht er in der einfachen Tatsache, dass «Menschen, die sich einst Christen nannten, das nicht mehr tun». Und was in Europa seit langem üblich ist, greift nun auch in den USA um sich: Die Erkenntnis nämlich, dass «Christ» noch lange nicht «Christ» ist.

Drei Arten von «Christen»

Stetzer unterscheidet drei Arten von Menschen, die sich in den USA «Christen» nennen bzw. als solche erfasst werden:

  1. Kulturchristen (cultural Christians) sind Menschen, die sich für Christen halten, weil ihre Gesellschaft ihnen das sagt. Sie haben das Christentum geerbt, leben aber keinen bewussten Glauben und haben auch keinen Kontakt mit einer Kirche. Diese Gruppe macht in den USA ein Drittel der 75 Prozent der «christlichen» Bevölkerung aus.
  2. Kirchenchristen (congregational Christians) sind Menschen, die auf irgendeine Art mit einer Kirche verbunden sind. Sie sind irgendwie kirchlich aufgewachsen, besuchen vielleicht ab und zu einen Gottesdienst, leben aber keinen eigenständigen, lebendigen Glauben. Diese Gruppe umfasst ein weiteres Drittel der 75 Prozent «Christen».
  3. Überzeugungschristen (convictional Christians) schliesslich sind Christen, die bewusst versuchen, ihren Glauben zu leben. Jesus hat für sie prägende Kraft, und sie orientieren ihr Leben an der Bibel. Diese Gruppe macht ein letztes Drittel der 75 Prozent Christen aus, also rund ein Viertel der US-Bevölkerung.

Kein Rückgang, aber mehr Klarheit

Interessant ist die Beobachtung, dass der Prozentsatz der letzten Gruppe, der Überzeugungschristen, seit 1972 etwa gleich geblieben ist. Das bedeutet, dass nicht sie abnehmen, sondern dass Menschen aus den ersten beiden Gruppen zunehmend nicht mehr willig sind, sich aus Tradition oder Erwartungsdruck «Christen» zu nennen. «Nicht die Überzeugungschristen verlassen ihren Glauben; die 'schwammige Mitte', wie ich sie nenne, flacht langsam ab» kommentiert Stetzer die Zahlen. «Christen werden in Amerika immer mehr an den Rand gedrängt, und die Leute überlegen sich die Kosten», ist er überzeugt.

Er kommt zum Schluss: «Mehr Religionslose bedeutet nicht weniger Christen – wir sollten uns nicht demoralisieren lassen. Aber es ist nötig, dass die Überzeugungschristen sich als eine missionarische Kraft auf einem Missionsfeld verstehen» und schliesst: «Statt herumzurennen und zu klagen, dass der Himmel zusammenfällt, ist es Zeit, für das Evangelium zu arbeiten und es zu leben».

Der Artikel von Ed Stetzer in «Christianity Today»

Zum Thema:
Zenit überschritten?: USA: Mega-Gemeinden im Umbruch
Latinos in den USA: Brücken bauen von der alten Kultur zur neuen Sprache
USA: Persönliche Beziehung statt Vermittler

Datum: 30.10.2013
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christianity Today

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