Zürcher Pfarrblatt provoziert

Werden Katholiken des Bistums Chur «entheimatet»?

Die grosse Mehrheit der Katholiken im Bistum Chur werden von ihrem eigenen Bischof «praktisch entheimatet». Dieser Ansicht ist Thomas Binotto, Chefredaktor des Zürcher Pfarrblatts «Forum». Das Bistum bezeichnet dies als «Intoleranz» gegenüber dem Bischof.

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Kathedrale in Chur. (Foto: Wikipedia, Adrian Michael)
Diözesanbischof Vitus Huonder treibe einen «Keil zwischen die – nennen wir sie ’ordentlichen’ und die ’ausserordentlichen’ – katholischen Gläubigen seines Bistums», klagt Binotto in einem Meinungsbeitrag in der aktuellen Ausgabe des Pfarrblatts . Der Bischof bezeichne die «ordentlichen», die die überwältigende Mehrheit seiner Herde ausmachten, selbst bei offiziellen Anlässen «als eigentlich gar nicht mehr katholisch».

Jüngst habe Bischof Huonder anlässlich einer Priesterweihe vom 27. November in der Kathedrale von Chur vor dem Schluss-Segen gar geklagt, dass sein Bistum vom Glauben abgefallen sei. Die Mehrheit der Katholiken würde auf diese Weise «von ihrem eigenen Hirten praktisch ’entheimatet’ und gegen ihren Willen aus der Herde verstossen», schreibt Binotto.

Konflikt um tridentinische Messe

Die «Diagnose» von Binotto beruht auf verschiedenen Tendenzen, die er im Bistum Chur beobachtet: Zum einen weist der Chefredaktor des «Forums» auf die Vorliebe des Bischofs für die tridentinische Messe hin, auf seine engen Beziehungen zur Priesterbruderschaft St. Petrus sowie auf Differenzen zwischen ihm und dem Regens des Churer Priesterseminars St. Luzi. Letztere drehen sich offenbar um die Ausbildung von Priestern für die tridentinische Messe im Bistum.

Gemäss der Darstellung von Binotto versucht das Bistum mit allen Mitteln, den Konflikt um die tridentinische Messe unter Verschluss zu halten. So hat der Bischof dem Regens des Priesterseminars Ernst Fuchs verboten, gegenüber Medien Stellung zu nehmen zur Situation im Priesterseminar, wie Fuchs auf Anfrage gegenüber dem «Forum» sagte.

Binotto ist der Ansicht, dass Bischof Huonder ein Kirchenbild pflege, für das ihm «zunehmend» die Anhänger abhanden kämen: Ein Kirchenbild, in dem das Bischofsamt und seine Leitungsaufgabe und der Gehorsam des Priesters gegenüber seinem Bischof eine wichtige Rolle spielen.

Chur: «Intoleranz» gegenüber Bischof

Das Bischöfliche Ordinariat in Chur hat Binottos Artikel am Freitag kritisiert. Dem Bischof von Chur werde mit Intoleranz begegnet und dies in einem Pfarrblatt, schreibt der Informationsbeauftragte des Bistums, Bischofsvikar Christoph Casetti. Im Namen der Toleranz begegne man dem Bischof von Chur mit Intoleranz, weil er sich unter anderem um eine Minderheit im Bistum sorge, die sich der ausserordentlichen Form des römischen Ritus verbunden fühle. Das Bestreben, auch dem Bedürfnis dieser Minderheit verantwortungsvoll zu begegnen, werde mit generellen Verdächtigungen beantwortet.
Dem Bischof von Chur werde vorgeworfen, die Diözese zu spalten. Dies geschehe in öffentlich polemischer Weise und bewirke genau das, was angeklagt werde: die Herbeiführung des Unfriedens und das Spalten des Bistums. Wer die öffentliche Anklage dem ernsthaft gesuchten Dialog und dem Bemühen um Verständnis vorziehe, könne von sich nicht behaupten, etwas für den Frieden oder die Einheit getan zu haben.

Tridentinische Messe

Als tridentinische Messe bezeichnet man den lateinischsprachigen Gottesdienst im alten Ritus, wie er nach dem gegenreformatorischen Konzil von Trient (1545-1563) für die katholische Kirche weltweit vorgeschrieben war. Diese Messbücher wurden erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) schrittweise durch eine erneuerte Liturgie ersetzt, die in der Regel in der jeweiligen Landessprache gefeiert wird.

Mit der Apostolischen Konstitution Missale Romanum vom 3. April 1969 setzte Papst Paul VI. eine von ihm selbst im Detail mitbestimmte Neuausgabe des lateinischen Ordo Missae und der Institutio Generalis Missalis Romani in Kraft und bestimmte: «Unsere Anordnungen und Vorschriften sollen jetzt und in Zukunft gültig und rechtskräftig sein, unter Aufhebung jedweder entgegenstehender Konstitutionen und Verordnungen unserer Vorgänger sowie aller übrigen Anweisungen, welcher Art sie auch seien.» Latein blieb weiterhin erlaubt.

Gegen diese Liturgiereform wandten sich die Traditionalisten um den französischen Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991). Sie hielten die Einführung der Landessprache und die stärkere Einbeziehung der Gemeinde in die Messfeier für verfehlt. Um ihnen entgegenzukommen, gestattete Papst Johannes Paul II. 1984 die Verwendung der alten, tridentinischen Messe nach dem letzten vorkonziliaren Messbuch, das Papst Johannes XXIII. 1962 vorlegte, unter strengen Auflagen. Dennoch überwarfen sich Lefebvre und seine engsten Anhänger mit dem Vatikan.

Papst Benedikt XVI. erlaubte in einem Anfang Juli 2007 veröffentlichten Apostolischen Schreiben, dass künftig wieder öfter Gottesdienste in der Kirchensprache Latein nach dem tridentinischen Ritus von 1962 gefeiert werden dürfe. Er benannte eine Reihe von Vorgaben, um diese Feiern in die Einheit der Kirche und die Diözesen einzubinden.

Webseite:
www.bistum-chur.ch

 

Datum: 13.12.2010
Quelle: Kipa

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