Perspektive 3D

Mehr als Senioren-Kaffee – Ü65 will mitgestalten

Zoom
Christa Gasser (Bild: christagasser.ch)
Die Babyboomer sind heute im Rentenalter. «Sie lassen sich gern herausfordern, möchten aber nicht einfach nur 'helfen', sondern mitdenken und mitgestalten», erklärt Christa Gasser, Leiterin von «Perspektive 3D», im Interview mit Livenet.

Die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) initiiert die Arbeitsgemeinschaft «Perspektive 3D», am 28. Oktober 2022 erfolgt die erste Tagung. Im Interview mit Livenet gibt Christa Gasser einen Einblick in die neue Arbeitsgruppe.

Christa Gasser, was genau tut die neue SEA-Arbeitsgemeinschaft «Perspektive 3D»?
Christa Gasser: «Perspektive 3D – das dritte Drittel des Lebens mündig und glaubensstark gestalten.» Dieser Slogan drückt etwas davon aus, was wir uns von dieser Arbeitsgemeinschaft erhoffen. Wir wissen, dass unsere Gesellschaft in einer grossen Veränderung steht, da unsere Lebenserwartung steigt und die «Alten» einen immer grösserer Teil der Bevölkerung ausmachen werden. Wir möchten den Einzelnen, aber auch Verantwortlichen und Kirchen Inspiration für die Altersgruppe ü55 vermitteln. Da liegt ein grosser Schatz an Erfahrungen, Kompetenzen aber auch Gestaltungswillen!

Wir haben realisiert, dass die herkömmliche Seniorenarbeit mit Kaffee und Kuchen für die «jungen Alten» nicht mehr taugt. Wir können die 55- bis 90-Jährigen nicht für das Gleiche begeistern. Unsere Aufgabe sehen wir darin, zu vernetzen und durch Gedanken- und Erfahrungsaustausch auch zu inspirieren. Wir wollen die Freude und das Bejahen vom Älterwerden stärken. Auch diese dritte Phase des Lebens will gestaltet werden. Wir kennen das aus jüngeren Jahren. Da besucht man Weiterbildungen, Coachings und Mentorings, weil man sich entwickeln möchte. Plötzlich stellt man sich selber und/oder das Umfeld stellt die Frage, ob sich der Aufwand noch «lohnt». Dies, obwohl unsere durchschnittliche Lebenserwartung bei etwa 85 Jahren liegt. Für dieses dritte Drittel des Lebens wollen wir uns einsetzten. Wir sind überzeugt, dass es sich lohnt, diese Jahre als ein Geschenk und eine Möglichkeit zu sehen, weiter Gutes einzuüben und zu tun. Aber auch den Blick zu stärken, dass wir auf eine Ewigkeit zugehen. Jemand sagte mir kürzlich, diese Generation sei die Brücke zwischen Himmel und Gegenwart…dieser Gedanke hat mich bewegt.

Was hat zur Gründung geführt?
Markus Müller hat als erfahrener Altersforscher und Buchautor schon viel dazu beigetragen, für diese Altersgruppe zu sensibilisieren. Als wir dann von der Evangelischen Allianz in England hörten, dass sie die Vernetzungs-Plattform «later Life» betreiben, war uns klar, dass wir etwas Ähnliches auch im deutschsprachigen Raum möchten. Ich kannte Markus von Seminaren, die ich mit ihm in Bern organisiert hatte. Markus wiederum kannte auch viele Leute, die irgendwo Verantwortung im Bereich Senioren tragen und so haben wir uns einfach mal per zoom getroffen, um zu schauen, ob sich da etwas entwickeln könnte.

Was sind die ersten Projekte?
Als erstes sind wir dabei, eine Webseite aufzuschalten, die eine Vernetzungs- und Ressourcen-Plattform werden wird. Es geht also nicht in erster Linie darum, dass wir als Arbeitsgemeinschaft selber etwas organisieren, sondern dass wir vernetzen und Verantwortlichen, Kirchen und Einzelnen Impulse geben. Wenn sich so im ganzen deutschsprachigen Raum Menschen bewegen lassen, dass Alter nicht mehr als Feind oder Abstellgeleise zu sehen, sondern als Chance zu wachsen und hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken, dann wird eine Bewegung entstehen, die zukunftsorientiert ist.

Welchen Unterschied soll «Perspektive 3D» machen?
Wir wünschen uns, dass wir zuerst mal in unseren Kirchen und Gemeinden das Alter schätzen lernen. Und dass wir davon ausgehen, dass von ü65ig nicht nur Hilfsdienste erwartet werden kann. Also pro statt anti-aging! Dass wir in unseren Gemeinden Raum schaffen für die vielen Babyboomer, die pensioniert sind und werden. Viele dieser Babyboomer lassen sich gern herausfordern, möchten aber nicht einfach nur «helfen», sondern mitdenken und mitgestalten. Sie wollen wissen, dass ihr Beitrag einen Unterschied macht. Unsere Gemeinden und Kirchen sollen Orte der Hoffnung sein, gerade, weil wir eine Zukunftsperspektive haben als Menschen, die ihr Leben auf Jesus ausrichten.

Sind Christen in dieser Altersstufe engagierter als Menschen, die mit dem Glauben weniger zu tun haben?
Ich bin mir da nicht ganz sicher. Es gibt viele überzeugte Christen, die sich von Erfahrungen abhalten lassen, sich weiterhin in der Gemeinde zu engagieren. Die mit der Vergangenheit noch nicht wirklich versöhnt sind und deshalb auch nicht dankbar in die Zukunft gehen können. Kürzlich war ich in einer Gruppe ü60. Wir haben darüber gesprochen, was sie für Fähigkeiten und Kompetenzen in der Gemeinde, aber auch sonst im Leben einbringen könnten. Es hat mich sehr betroffen gemacht, wie wenig da zusammen kam bei all den bestandenen, reifen Menschen. Es ist notwendig, dass Kirchen Orte werden, die die Einzelnen darin unterstützen, ihren wichtigen Beitrag zu sehen.

Haben Menschen in dieser Altersstufe eine andere Lebenseinstellung, eine andere Perspektive, als Menschen, die nicht mit Gott unterwegs sind?
Leider können wir das nicht so generell sagen. Aber was wir sicher sagen können, ist, dass Menschen, die mit Gott unterwegs sind, in der Beziehung zu ihm und in der Gemeinschaft riesige Ressourcen haben, um dankbar und hoffnungsvoll älter und alt zu werden.

Was bewegt Sie persönlich bei Ihrer Arbeit für «Perspektive 3D» besonders?
Es ist mein eigener Wunsch, bis zu meinem Tod lernbereit zu bleiben. Ich will immer wieder neu lernen, was es heisst, als Nachfolgerin von Jesus zu leben und ihm zu dienen. Dieses Anliegen trage ich auch für die Arbeitsgemeinschaft Perspektive 3D. Nachfolgerinnen und Nachfolger von Jesus werden in ihrer Nachfolge nicht pensioniert. Wir dürfen weiter dienen und mit ihm unterwegs sein, angepasst unseren Möglichkeiten und Kräften. Und, wir haben Zukunftsperspektive! Ich wünsche mir Kirchen und Gemeinschaften, die Einzelne darin ermutigen und unterstützen.

Am 28. Oktober 2022 wird zum Perspektive-Tag nach Bern geladen, was erwarten Sie von diesem Tag, was soll er auslösen?
Für uns ist dieser Tag ein Kickoff unserer Bewegung «Perspektive 3D – Das Dritte Drittel des Lebens mündig und glaubensstark gestalten.» Wir erhoffen uns viele Teilnehmende, die Verantwortung in ihren Kirchen und Gemeinden tragen. Es wird Raum geben, miteinander auszutauschen, sich gegenseitig zu inspirieren und zu vernetzen und im Diskutieren kreative Ideen zu entwickeln. Wir alle wissen eigentlich, dass die herkömmliche Seniorenarbeit für die jungen Alten nicht mehr taugt, aber wir wissen noch nicht genau, wie die neue Seniorenarbeit aussehen soll. Wir sind am Ringen darum, diese «jungen Alten» an Bord zu holen oder zu behalten und ihnen Raum zu geben, ihren grossen Erfahrungsschatz einzubringen. Mit Markus Müller als Hauptreferent, mit spannenden Themen, die wir diskutieren werden, mit der Möglichkeit, einander kennenzulernen und zu vernetzen, birgt der Tag ein grosses Zukunftspotential.

Weitere Infos zum Perspektive 3D-Tag gibt es hier.

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Zum Thema:
Seniorenarbeit: Durch «Umwertung» das Alter würdigen
Ein Ehepaar setzt sich ein: Niemand ist zu alt, um Jesus zu dienen
Trendsetter Markus Müller: Das Alter neu erfinden

Datum: 03.10.2022
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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