Zum WM-Start in Katar

Kirchen stehen seit Jahren im Abseits

Zoom
Die katholische Kirche im Mesaymeer-Komplex (Bild: Open Doors)
Während die Fussball-WM 2022 in Katar beginnt, geht Open Doors, das Hilfswerk für verfolgte Christen, der Frage nach, warum alle offiziell registrierten christlichen Kirchen in Katar in einem einzigen Gebäude versteckt sind.

«Die Besucher werden ermutigt, Katars Museen, historische Stätten und Einkaufszentren zu besichtigen, doch sie werden nicht in der Lage sein, eine Kirche zu besuchen», sagt Anastasia Hartman, Sprecherin von Open Doors für den Nahen Osten. «Die lebendige christliche Gemeinschaft des Landes ist völlig aus der Öffentlichkeit verbannt.»

Alle offiziell registrierten christlichen Kirchen in Katar befinden sich auf einem einzigen Gelände in der Hauptstadt Doha: dem Mesaymeer-Komplex. Er steht den Christen zur Verfügung, die einen nennenswerten Teil der beträchtlichen Zahl internationaler Fachkräfte im Land ausmachen. Sichtbare religiöse Zeichen wie Kreuze sind den Kirchen nicht erlaubt. Einheimische Kataris dürfen das Gelände nicht betreten. Es gibt noch einige andere Auslandskirchen, die jedoch keine gesetzliche Erlaubnis zur Ausübung ihrer Religion erhalten.

Konvertiten weiterhin in Gefahr

«Im Jahr 2020, mit der Ausbreitung von Covid-19, teilte die Regierung den Kirchen mit, dass die Erlaubnis, sich ausserhalb des Komplexes zu versammeln, ausgesetzt wurde», berichtet Hartman. «Über hundert Kirchen hatten daraufhin keine Erlaubnis mehr, ihre Aktivitäten fortzuführen. Jetzt, da die Pandemie abgeklungen ist, ist das Land wieder offen. Es gibt jedoch immer noch keine Anzeichen dafür, dass die Kirchen die Erlaubnis zur Wiedereröffnung erhalten. Es gab zwar Ankündigungen, dass die Regierung Lizenzen ausstellen würde, aber das ist nicht geschehen.»

Die wenigen indigenen katarischen Konvertiten haben keine offizielle Erlaubnis, sich zu treffen oder ihren Glauben zu praktizieren. Der Übertritt zu einer nicht-muslimischen Religion gilt als Glaubensabfall (Apostasie) und wird nach dem islamischen Scharia-Recht offiziell mit dem Tod bestraft. Das wurde seit vielen Jahren zwar nicht mehr umgesetzt, allerdings sind die Konvertiten extremem Druck seitens ihrer muslimischen Familie und Gesellschaft ausgesetzt. Ein Übertritt vom Islam kann nicht offiziell anerkannt werden und führt zu rechtlichen Problemen und dem Verlust von sozialen Rechten, dem Sorgerecht für Kinder und von Eigentum.

Sowohl einheimische als auch zugewanderte Konvertiten stehen in Gefahr, Diskriminierung, Schikanen und polizeilicher Überwachung ausgesetzt zu sein.

«Freie Entfaltung an der Zeit»

Der Mesaymeer-Komplex wurde vom Vater des derzeitigen Emirs von Katar als eine Massnahme der Regierung zur Förderung des interreligiösen Dialogs gegründet. Hartman erklärt: «Das ist eine schöne Geste. Aber jetzt ist das Areal viel zu überfüllt. Es ist an der Zeit, dass sich die Christen in Katar frei entfalten können – die Religionsausübung ist ein Menschenrecht und nicht etwas, das man verstecken muss, als wäre es eine Schande.»

«Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen besagt, dass jeder in der Lage sein sollte, seinen Glauben in Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht auszudrücken», unterstreicht Kurt Igler, Geschäftsführer von Open Doors Österreich. «Während wir die Schritte anerkennen, die unternommen wurden, um ausländische Kirchen im Mesaymeer-Komplex unterzubringen, fordert Open Doors das offizielle Katar auf, religiösen Organisationen – sowohl ausländischen als auch einheimischen – zu erlauben, friedlich und frei von Überwachung und Einmischung tätig zu sein.»

Auf dem Weltverfolgungsindex 2022 von Open Doors, der die 50 Länder auflistet, in denen Christen am stärksten verfolgt werden, liegt Katar auf Rang 18.

Zum Thema:
Vereint und stark: Zwei Briefe aus Nordkorea
Wachstum trotz Verfolgung: Referat über Christen in Afghanistan
Sonntag der verfolgten Kirche: Die Verfolgung von Gläubigen nimmt weiter zu

Datum: 20.11.2022
Autor: Christian Forster / Daniel Gerber
Quelle: Open Doors / Livenet

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

Allianzgebetswoche 2023
Christen sind zur Freude aufgerufen – doch was bedeutet das? Darum geht es in der diesjährigen Allianzgebetswoche vom 8. bis 15. Januar 2023. Livenet...
Allianzgebetswoche 2023
Mehr als einmal berichtet die Bibel von einem Apostel Paulus, der in Bedrängnis, Leid und Schwachheit Freude empfindet. Und er fordert auch uns dazu...
Livenet-Top 5
Hunderttausende Besucher haben im Jahr 2022 auf die Seiten von Livenet und Jesus.ch geklickt und eine Vielfalt von Artikeln gelesen. Wir haben die...
Für Ostern 2023
Passend zu Ostern wird die nächste «Viertelstunde für den Glauben» zum Thema «Aufblühen» erscheinen. Sie wird ab Februar 2023 verfügbar sein, bereits...

AKTUELLE NEWS

Benedikt XVI.
Benedikt XVI. war nach 500 Jahren der erste deutsche Papst. Mit ihm sass von 2005 bis 2013 ein Intellektueller und Theologe von Weltformat auf dem Stuhl Petri. Nun ist der Papa Emeritus im Alter von 95 Jahren gestorben.
Benedikt XVI.
Benedikt XVI. war nach 500 Jahren der erste deutsche Papst. Mit ihm sass von 2005 bis 2013 ein Intellektueller und Theologe von Weltformat auf dem Stuhl Petri. Nun ist der Papa Emeritus im Alter von 95 Jahren gestorben.
Leihmutterschaft
«Gebärmutter zu vermieten. Suche: Paar mit Kinderwunsch. Biete: Neun Monate Unterkunft für einen Embryo mit Vollpension. Miete gesamt 12000 CHF.» So könnte die Anzeige einer Leihmutterschaft, die in Europa noch verboten ist, aussehen.
Allianzgebetswoche 2023
Christen sind zur Freude aufgerufen – doch was bedeutet das? Darum geht es in der diesjährigen Allianzgebetswoche vom 8. bis 15. Januar 2023. Livenet veröffentlicht die täglichen Andachten, heute mit SEA-Generalsekretärin Viviane Krucker-Baud.
Auf Platz 2 hinter China
Jeder Vierte in Deutschland bezeichnet sich selbst als nicht-religiös oder atheistisch. Das geht aus einer Umfrage in acht Nationen hervor. Nur in China sind mehr Menschen nicht religiös.
Steigende Tendenz
Der jährliche Bericht über die religiösen Gemeinschaften Israels ergibt, dass die christliche Bevölkerung um zwei Prozent gewachsen ist. Somit macht ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung des Landes rund 1,9 Prozent aus.
Ganz ohne Angst
Locker und in jugendlicher Sprache erzählt Tabea Tacke in «Fearless – 24 mutige Vorbilder aus der Bibel» die Geschichten von zwölf Männern und zwölf Frauen aus dem Buch der Bücher.

Anzeige

Kommentar

Regula Lehmann: Empörung ist billig
Wir befinden uns inmitten der Fastenzeit vor Ostern. Livenet-Kolumnistin Regula Lehmann fastet...

Ratgeber

Zielbewusst und entspannt Gute Vorsätze für 2023
Die ruhigere Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr scheint dazu einzuladen, dass man sich überlegt...