Wenn Leben weh tut

«Hoffnung trotz Schmerz»

Wie gelingt es, mit Leid und seelischen Verletzungen im Leben weiterzugehen? Eine Tagung in Sursee, die Fachleute und Betroffene zusammenführte, zeigte vielfältige Therapieansätze auf.
Dr. Samuel Pfeifer, Chefarzt der Klinik Sonnenhalde in Riehen, sprach über gelingenden und krankhaften Umgang mit Traumata. Er zeigte auf wie tief seelische Schmerzen manche Menschen verändern. Ein Teil schafft es Schockerlebnisse wegzustecken oder sich bald davon zu erholen. Andere geraten in anhaltende Angstzustände, Beziehungsprobleme und Glaubenskrisen («Gott, wo warst du, als…?»). Im Gehirn findet sich laut Pfeifer neurobiologisch feststellbar eine Entsprechung zum Gefühl der Geborgenheit und des Urvertrauens. Das heisst aber auch, dass «Traumata im Gehirn bleibende Schädigungen hervorrufen können».

Seelischer Schmerz tut gleich weh

An der Tagung der Organisation Glaube und Behinderung und des bcb-Seelsorgezentrums im Campus Sursee nahmen 500 Personen teil. In einem zweiten Vortrag ging Dr. Verena Kesselring (Schmerzklinik Valens) auf Hirnfunktionen bei körperlichem und seelischem Schmerz ein.  Laut einer Studie aktiviert der Schmerz, aus einer Gemeinschaft ausgestossen zu werden, die gleichen Hirnregionen wie körperlicher Schmerz. Kesselring riet präventiv zu regelmässiger körperlicher Aktivität. Sie reduziere körperliche Schmerzen, beuge Krankheiten vor und hebe die Stimmung. «Wenn man sich körperlich bewegt, werden mehr Beziehungen zwischen Hirnzellen hergestellt.»

Vom Opfer-Dasein loskommen

Bei der Traumatherapie geht es nicht zuletzt darum, Pläne und Interessen (wieder) in den Blick zu nehmen und die Fixierung aufs Opfer-Sein abzustreifen. Samuel Pfeifer rief dazu auf, «den Glauben nicht aufzugeben trotz unerfüllten Wünschen und Fragen an Gott, die Liebe nicht aufzugeben trotz erfahrener Lieblosigkeit und Ungerechtigkeit, die Hoffnung nicht aufzugeben trotz schier unüberwindbaren Hindernissen und Widerständen».

Worte fürs Leiden in der Bibel

Peter Zimmerling, Theologieprofessor in Leipzig, bezog sich in seinem Vortrag auf die Mentalität der Leistungsgesellschaft: Menschen, die ohne Gott lebten, hätten nichts als ihre irdische Existenz; ihnen müsse ein einziges Leben genügen. Kirchen hätten heute «mit uneinlösbaren Heilungsversprechen und einem damit verbundenen triumphalistischen Geistverständnis zu kämpfen».

In den klagenden Abschnitten der Psalmen der Bibel kommt Glaube angesichts von Leid, Schmerz und Angst zur Sprache. «Psalmen bringen Leid in Dialog mit Gott.“ In der ganzen Bibel seien Protest und Klage Bestandteil der gelingenden Beziehung zu Gott, sagte Zimmerling. „Hiob wird zum Rebell Gottes – doch sein Protest ist von der Hoffnung getragen, dass sein Erlöser lebt.» Manches Leid wird nicht weggenommen, ist unausweichlich. Gemeinden täten gut daran, niederschwellige spirituelle Rituale anzubieten, etwa ein Krankengebet mit Salbung. In allem geht es laut Zimmerling darum, «die Trost- und Hoffnungspotenziale“ des Evangeliums freizusetzen, dies aufgrund der Auferstehung von Jesus, dem „Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens».

Hoffnung – übers Leben hinaus

An die Referate schlossen sieben Workshops an. Sehr nahe ging den TeilnehmerInnen der Bericht Sarah Schwaningers. Sie lebt mit ihren beiden behinderten Knaben, welche an einer fortschreitenden Muskelkrankheit leiden. Peter Henning blickte zurück auf die Erkrankung seiner Frau, die zum Tod führte, und sprach vom  dreieinigen Gott der Liebe. «Gott ist der leidenschaftlich Liebende und deshalb auch der Mit-leidende.» Die christlichen Gemeinden sollten im Vertrauen darauf «zeichenhafte Zeugen des Evangeliums sein», bis Gott sein Reich vollendet. So könnten Christen «im Leid aufgehoben sein, dass es erträglich bleibt».

Die drei Referate sind als Audiofiles auf einem USB-Stick erhältlich.
Mehr zur Tagung in der nächsten Ausgabe von Idea Spektrum

Webseite:
Glaube und Behinderung

Datum: 27.06.2011
Quelle: Livenet/ Medienmagazin Pro

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

Gesunder Umgang mit Gefühlen
Mit ihrem Buch fordert die Psychotherapeutin Angelika Heinen auf, auch verpönte Gefühle wie Ärger, Angst und Traurigkeit anzunehmen. Sie hätten einen...
Zielbewusst und entspannt
Die ruhigere Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr scheint dazu einzuladen, dass man sich überlegt, was man im neuen Jahr anders machen möchte. Viele...
Exklusiv bei Livenet
Kaiser Augustus will alle Leute im Reich zählen lassen. Das mündet in ein Chaos: Überfüllte Herbergen, endlose Staus, da kann wohl nur noch Gott...
Olivier Giroud vor 2. WM-Finale
Olivier Giroud sorgt für Pokale: WM-Sieger 2018, Gewinn der Champions-League, Meister in Italien und Frankreich und viermal Cup-Sieger in England....

AKTUELLE NEWS

Benedikt XVI.
Benedikt XVI. war nach 500 Jahren der erste deutsche Papst. Mit ihm sass von 2005 bis 2013 ein Intellektueller und Theologe von Weltformat auf dem Stuhl Petri. Nun ist der Papa Emeritus im Alter von 95 Jahren gestorben.
Benedikt XVI.
Benedikt XVI. war nach 500 Jahren der erste deutsche Papst. Mit ihm sass von 2005 bis 2013 ein Intellektueller und Theologe von Weltformat auf dem Stuhl Petri. Nun ist der Papa Emeritus im Alter von 95 Jahren gestorben.
Leihmutterschaft
«Gebärmutter zu vermieten. Suche: Paar mit Kinderwunsch. Biete: Neun Monate Unterkunft für einen Embryo mit Vollpension. Miete gesamt 12000 CHF.» So könnte die Anzeige einer Leihmutterschaft, die in Europa noch verboten ist, aussehen.
Allianzgebetswoche 2023
Christen sind zur Freude aufgerufen – doch was bedeutet das? Darum geht es in der diesjährigen Allianzgebetswoche vom 8. bis 15. Januar 2023. Livenet veröffentlicht die täglichen Andachten, heute mit SEA-Generalsekretärin Viviane Krucker-Baud.
Auf Platz 2 hinter China
Jeder Vierte in Deutschland bezeichnet sich selbst als nicht-religiös oder atheistisch. Das geht aus einer Umfrage in acht Nationen hervor. Nur in China sind mehr Menschen nicht religiös.
Steigende Tendenz
Der jährliche Bericht über die religiösen Gemeinschaften Israels ergibt, dass die christliche Bevölkerung um zwei Prozent gewachsen ist. Somit macht ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung des Landes rund 1,9 Prozent aus.
Ganz ohne Angst
Locker und in jugendlicher Sprache erzählt Tabea Tacke in «Fearless – 24 mutige Vorbilder aus der Bibel» die Geschichten von zwölf Männern und zwölf Frauen aus dem Buch der Bücher.

Anzeige

Kommentar

Regula Lehmann: Empörung ist billig
Wir befinden uns inmitten der Fastenzeit vor Ostern. Livenet-Kolumnistin Regula Lehmann fastet...

Ratgeber

Zielbewusst und entspannt Gute Vorsätze für 2023
Die ruhigere Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr scheint dazu einzuladen, dass man sich überlegt...