Bald wieder Gottesdienst

Verhaltene Freude und viel Ungewissheit im Livenet-Talk

Der Bundesrat erlaubt wieder Gottesdienste. Die weitreichenden Einschränkungen trüben jedoch die Vorfreude in vielen Gemeinden. Was das Schutzkonzept konkret bedeutet und wie die Rückkehr in den «neuen Alltag» aussehen könnte, wurde im Livenet-Talk erörtert.

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Wann predigt Phil Sternbauer vom ICF Mittelland wohl wieder vor einem vollen Saal? (Bild: Facebook)
Mit Vertretern verschiedener Religionen konnte Peter Schneeberger, Präsident des Dachverbandes «Freikirchen Schweiz», die Lage der christlichen Gemeinden bereits am Dienstag Bundesrat Alain Berset darlegen (Livenet berichtete). «Nun geht es überraschend schnell», bilanzierte Peter Schneeberger im Livenet-Talk und nannte auch ein paar Gründe, die sicherlich zur Entscheidung beitrugen: «Jetzt sind die hohen Feiertage im Christentum, Judentum und Islam.» Deshalb wollten drängten die Leiter des «Rats der Religionen» auf eine Öffnung vor dem 8. Juni.

Singen verboten, zwei Meter Abstand

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Livenet-Talk über die Öffnung der Gottesdienste
«Es ist wie bei den Restaurants, das Flair der Gottesdienste ist durch die Einschränkungen natürlich noch nicht das gleiche.» Erforderlich ist ein umfangreiches Schutzkonzept.

Zum Beispiel muss in den Gottesdiensten die Zwei-Meter-Regel eingehalten werden. Peter Schneeberger: «Die zwei Meter sind Pflicht. Als Empfehlung gilt, auf vier Quadratmeter nur eine Person zu platzieren. Für viele Kirchen heisst das, dass nur ein Drittel oder die Hälfte der Plätze besetzt sein dürfen.»

Manche Gemeinden starten deshalb noch nicht, wie Livenet-Redaktionsleiter Florian Wüthrich in einer Umfrage bei einigen Gemeinden in Erfahrung brachte: «Die 'Vineyard Bern' eröffnet deshalb noch nicht, weil vor und nach dem Gottesdienst keine Gemeinschaft gepflegt werden kann und die Leute vor allem das vermissen.» Johannes Wirth von der GvC Winterthur kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: «Kein Singen, zwei Meter Abstand, das sieht nicht gut aus für uns.» Oder Sämi Truttmann von der Pfimi Burgdorf sagt, «nur die Leute für ein eher spezielles Erlebnis in die Räume zu schleusen, macht für uns wenig Sinn». Da bleibe man lieber beim Live-Stream.»

Wichtig ist gleichzeitig eine Präsenzliste: Jede Person muss registriert sein, damit mögliche Fälle zurückverfolgt werden können («Contact Tracing»).

«Chance für Veränderung gross wie nie»

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Phil Sternbauer
Phil Sternbauer, Pastor im ICF Mittelland, hat diese ganze Coronazeit zur «Sabbat-Phase und Reflektionszeit» für sich und seine Kirche erklärt. Eine solche Chance für Veränderungen gebe es vielleicht nie mehr. «Der Mensch tendiert dazu, möglichst schnell wieder ins alte 'Normal', in die alte Gewohnheit zurückzukehren.» Das möchte er nicht.

Was kurzfristig im ICF Mittelland geplant ist, ist zur Stunde noch offen, da der Bundesratsentscheid noch ganz neu ist. Es gehe aber darum, sich neu zu erfinden.

«Keine Lust auf Konsumbefriedigung»

Im ICF Mittelland fragte Phil Sternbauer, was man künftig weglassen soll. «Viele junge Menschen sagten, dass sie sich verabschieden wollen von einem Programm, das einfach irgendwelche Bedürfnisse – man kann von Konsum reden – befriedigt. Sie wollen ein ehrliches, authentisches Gotteserlebnis.» Das habe ihn wachgerüttelt.

Der «Konsument» habe gemerkt, dass er am Sonntag daheimsitzen und das Produkt auswählen könne, das ihm am besten entspricht. «Vielleicht macht er die Erfahrung, dass etwas auf der Strecke bleibt. Und dann kommt vielleicht der Gedanke, dass etwas Essenzielles den Unterschied macht: Jesus Christus in unserer Mitte. Das ist mein Wunsch.» Es gehe für ihn darum, frei von der Konsumhaltung zu werden. «Die jungen Menschen wollen nicht mehr die 'Progrämmchen' füllen, die wir aufgebaut haben – ich höre diesen Schrei der jungen Generation, sonst sind wir morgen weg.»

Sich um die seelischen Bedürfnisse kümmern

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Daniela Baumann
Zu den grossen Fragen der letzten Woche gehörte die Frage nach der Systemrelevanz der christlichen Gemeinden. «Durch das Vermitteln von Würde und Nächstenliebe ist das Christentum vermutlich systemrelevanter als manches Wirtschaftsunternehmen», stellte Peter Schneeberger fest.

Daniela Baumann, die Mediensprecherin der «Schweizerischen Evangelischen Allianz» (SEA) bedient Gemeinden fortlaufend mit Informationen zur Coronasituation. Sie sieht vor allem eine Priorität bei der persönlichen, seelsorgerlichen Begleitung. «Die seelischen Bedürfnisse der Menschen bleiben oft auf der Strecke, das sieht man immer mehr aufgrund der zunehmenden psychischen Erkrankungen der Menschen.»

«Gerade da haben wir als Kirchen eine sehr grosse Chance, Menschen zu helfen», erläutert Daniela Baumann weiter. «Die gegenwärtige Situation ist eine Möglichkeit, diese Kompetenz der Kirche wieder ins Bewusstsein zu bringen.»

«… dann sind wir bereit gewesen!»

Er freue sich, dass Gottesdienste bald wieder möglich sind, sagte Stefan Schweyer, Professor für praktische Theologie an der STH Basel, im Talk. «Wir sind bereit.» Obwohl theologisch gesehen müsse er dies relativieren: «Eigentlich sind wir nie bereit für Gottesdienste. Es gibt nicht den Punkt, an dem wir als Menschen sagen können, dass wir jetzt alles richtig organisiert haben, dass Gott in unserer Mitte ist und etwas von seiner Herrlichkeit ausströmen lässt in die Welt.»

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Dr. Stefan Schweyer, Professor an der STH Basel
Auf die Frage, ob man bereit sei, den Gottesdienst-Betrieb wieder hochzufahren, sagte er: Wenn es nachher gleich sei wie vorher, dann sei man innerlich nicht bereit gewesen. «Wenn ein grösserer Segen für Menschen in Not ausstrahlt, wenn ein grösseres Verständnis füreinander ausstrahlt und das miteinander unter den Gemeinden grösser wird und wenn wir uns mehr unserer Gesellschaft, die Liebe nötig hat, zuwenden – dann sind wir bereit gewesen, die Gnade zu empfangen», so Stefan Schweyer.

Hier können Sie den Talk in voller Länge sehen:

Zum Thema:
Dossier Coronavirus
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Kirchenvertreter beim Bundesrat: Gutes Gespräch, aber noch kein Ergebnis zu Gottesdiensten
«Kirchen sind systemrelevant»: Freikirchen bereiten sich auf Öffnung vor

Datum: 22.05.2020
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

Kommentare

Ich sehe das ähnlich und ich schreibe diesen Kommentar unter Tränen. MEIN Jesus ist NICHT für Programme und christliche Unterhaltung am Kreuz gestorben. Er ist für Menschen gestorben, besonders für die, die ihn noch nicht kennen. Was soll überhaupt ein "Gottesdienst" sein? Die sonntägliche Versammlung? Wieso soll das ein Dienst an Gott sein? Wieso fallen so viele Junge vom Glauben ab? Vielleicht weil wir nicht TUN, was wir glauben? Auch in dieser Zeit kannst Du zum Telefonhörer greifen und jemandem Gebet anbieten und ihm von Jesus erzählen.
Corona, die grosse Chance! Jetzt sind immer noch viele Menschen verunsichert, was machen wir daraus? Ist nicht jetzt ERNTEZEIT? Was wäre, wenn jetzt jeder Glaubende sein Identität als Jünger Jesu lokal auslebt und aus Liebe zu Jesus gehorsam seinen Missionsbefehl ausführt! Wie viele verfolgten Christen können keinen Gottesdienst besuchen, treffen sich versteckt in kleinen Gruppen und trotzdem riskieren sie ihr Leben und erzählen jedem von Gottes grossen Taten? Haben wir (Freikirchler) versagt, unsere Mitglieder zu Jüngern zu machen, die nicht mehr für sich leben, sondern sich ganz Gottes Mission hingeben und selbstständig weitere Jünger machen?

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