Glaube kritisiert statt geschützt?

Kritik am EU-Parlament wegen Religionskritik

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Das Europäische Parlamentsgebäude (Bild: www.europarl.europa.eu)
Das Europäische Parlament hat einen neuen Bericht über die Verfolgung religiöser Minderheiten herausgegeben. Neben positiven Aspekten gibt der Bericht Anlass zu deutlicher Kritik.

Der Bericht «Persecution of minorities on the grounds of belief or religion» (Verfolgung von Minderheiten aufgrund von Glaube und Religion) wurde nach einer Debatte vom Europäischen Parlament am 3. Mai angenommen. Neben vielen Hinweisen auf religiöse Verfolgung ist er wegen eindeutig religionskritischer Elemente in die Kritik geraten. So unterstreicht er, «dass die Instrumentalisierung von Religion und Glauben eine wichtige Triebkraft für Konflikte weltweit ist» – eine Aussage, die leicht verkürzt werden und so als Angriff gegen Religion verstanden werden kann.  

Einseitige ethische Position

Dem Bericht liegen bestimmte Interessengruppen sehr am Herzen: Er «verurteilt alle Handlungen oder Anstiftungen zu Gewalt, Verfolgung, Nötigung und Diskriminierung von Personen aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung, auch durch religiöse Führer oder aufgrund religiöser oder weltanschaulicher Motivationen» und er beklagt, dass «sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR), einschliesslich Abtreibung, im Namen der Religion sowohl von staatlichen als auch von nichtstaatlichen Akteuren verboten werden».

Er drückt auch «tiefe Besorgnis» aus über «den Missbrauch und die Instrumentalisierung des Glaubens oder der Religion, um eine diskriminierende Politik durchzusetzen» und über Gesetze, «die im Widerspruch zu den Rechten von LGBTIQ-Personen stehen und diese untergraben» und die «Abtreibung in allen Fällen kriminalisieren und Ehebruch kriminalisieren…». Der Bericht «verurteilt die religiösen Sekten (…), die einseitige Weltanschauungen fördern, die oft Homophobie, Transphobie und Frauenfeindlichkeit einschliessen».

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Miriam Lexmann
Während der Debatte in Strassburg erklärte die slowakische Europaabgeordnete Miriam Lexmann, dass der Bericht «gekapert (hijacked)» worden sei und dass das Europäische Parlament verfolgte religiöse Minderheiten verteidigen sollte, anstatt «ideologische antireligiöse Positionen» einzunehmen. «Ich begrüsse den Bericht des Europäischen Parlaments über die Verfolgung der Religionsfreiheit, kann aber nicht umhin, meine Bestürzung über die Art und Weise zum Ausdruck zu bringen, in der dieser Bericht missbraucht wurde, um die Religion selbst zu stigmatisieren» sagte Lexmann.

Und weiter: «Religiöse Verfolgung ist heute eine der Hauptursachen für viele der Herausforderungen, vor denen die Welt steht. Und deshalb müssen nicht ideologische antireligiöse Standpunkte, sondern die entschlossene Unterstützung der Verfolgten auf der ganzen Welt, zusammen mit der Ernennung eines neuen Sonderbeauftragten für Religionsfreiheit, der mit den richtigen Instrumenten unterstützt wird, die Priorität sein.»

Praktisch keine Verweise auf Hauptverfolgte

Kritiker äusserten sich ausserdem frustriert darüber, dass bis auf eine Ausnahme alle Verweise auf das Christentum aus dem endgültigen Entwurf gestrichen wurden, obwohl Christen unter weit verbreiteter Verfolgung leiden, während wiederholt Besorgnis über das Wohlergehen von Atheisten, Humanisten und anderen nicht-religiösen Menschen geäussert wurde. Mit dem Recht zu glauben wird im Bericht fast jedes Mal das Recht zum Nichtglauben in einem Atemzug genannt.

Zur Rolle des Sonderbeauftragten für die Förderung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit ausserhalb der EU – ein Posten, der seit über einem Jahr unbesetzt ist – heisst es in dem Bericht, der nächste Amtsinhaber solle sich auch auf die Förderung «des Rechts auf Nichtglauben, Apostasie und das Bekenntnis zu atheistischen Ansichten konzentrieren und dabei auch auf die Situation von gefährdeten Nichtgläubigen achten». An anderer Stelle stellt der Bericht fest, «dass Atheismus und nicht-religiöse Gruppen schnell wachsen und im Rahmen der EU-Politik gleich behandelt werden sollten».

«Offen religionsfeindlich»

Jean-Paul Van De Walle, Rechtsberater der Menschenrechtsorganisation ADF International, kommentierte den Bericht mit den Worten: «Niemand sollte wegen seines Glaubens verfolgt werden. Es ist inakzeptabel, dass dieser Bericht, der sich mit denjenigen solidarisch zeigen soll, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden, offen religionsfeindlich ist.» Seine Folgerung: «Mit der Annahme des Wortlauts dieses Berichts hat das Europäische Parlament seine Glaubwürdigkeit untergraben, sich mit den Herausforderungen auseinandersetzen zu wollen, mit denen religiöse Minderheiten weltweit konfrontiert sind.»

Die Katholische Kirche in der Europäischen Union (COMECE) erklärte, der Bericht werde den Millionen von Menschen, die wegen ihrer Religion verfolgt werden, nicht helfen. «Jeder Versuch, das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit und das Recht auf Leben durch missbräuchliche Auslegungen zu untergraben, die ihren legitimen Geltungsbereich unangemessen einschränken, oder sie neu geschaffenen und nicht konsensfähigen 'so genannten Menschenrechten', einschliesslich der Abtreibung, zu unterwerfen, stellt eine schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts dar, die die Europäische Union vor der internationalen Gemeinschaft und vor Millionen europäischer Bürger diskreditiert», sagte COMECE-Generalsekretär Pater Manuel Barrios Prieto.

Zum Thema:
Tag der Menschenrechte: Schutz der Religionsfreiheit nur noch Lippenbekenntnis?
Olympische Winterspiele: Die Unterdrückung der Christen muss die Politik wachrütteln
Unterschiede aushalten: Gespräche an der Schnittstelle von Religion, Politik und Medien

Datum: 05.05.2022
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christian Today / EU Parlament

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