Grundeinkommen

Alle sollen an der Gesellschaft teilhaben können

Am 5. Juni wird in der Schweiz über das bedingungslose Grundeinkommen abgestimmt. An vorderster Front engagieren sich auch Vertreter der reformierten Kirche für diese politische Vorlage. Für sie steht fest: Mit einer finanziell gesicherten Existenz könnten und würden Menschen ihre Stärken und Talente sinnvoll in die Gesellschaft einbringen.

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Res Peter (links) und Christoph Sigrist (rechts)
Es tönt ein bisschen nach Schlaraffenland: Jeder erwachsene Mensch im Land soll jeden Monat vom Staat einen fixen Geldbetrag erhalten. Für Kinder gibt es einen kleinen Beitrag. In der Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) werden zwar keine Beträge genannt, aber in der Diskussion wird von 2'500 Franken für Erwachsene und einem Viertel davon, 625 Franken, für Kinder gesprochen.

Nichts für Faulenzer

Christoph Sigrist und Res Peter sind reformierte Pfarrer in der Stadt Zürich. Sie engagieren sich zum einen aus einer christlichen Grundhaltung für das bedingungslose Grundeinkommen. Ein erstes Stichwort dazu: Menschen, die eine sichere Lebensgrundlage haben, sind füreinander da. «Wir gehen von einem solidarischen Menschenbild aus», sagte Res Peter im Gespräch mit kath.ch. Der Neumünster-Pfarrer ist überzeugt, dass sich Menschen, deren Existenz gesichert ist, die Sinnfrage ganz neu stellen. «Beim Grundeinkommen geht es ja nicht darum, nicht mehr arbeiten zu müssen, sondern dadurch Zeit zu bekommen, sich auf ganz anderen Ebenen, im Sozialen oder kulturell zu engagieren», so Peter.

Auch Christoph Sigrist, Pfarrer am Grossmünster, will nichts von einem Teppich für Faulenzer hören, der mit dem BGE ausgebreitet würde. Er richtet den Blick auf die aktuelle Verteilung der Arbeit in unserer Gesellschaft, in der messerscharf zwischen bezahlter und unbezahlter Tätigkeit unterschieden wird. Aber: «Die Hälfte der bei uns geleisteten sozialen Arbeit ist nicht bezahlte Arbeit», so Sigrist. Ein Grundeinkommen für alle würde seiner Meinung nach die – in unserer Welt zweifellos sehr ungleichen Geldflüsse – für Arbeit anders verteilen.

Gott auf der Seite der Benachteiligten

Das Verhältnis zwischen Erwerbsarbeit auf der einen und Milizarbeit und Freizeit auf der anderen Seite stimmt nach Meinung der beiden Pfarrer nicht. Während manche Leute in der Arbeit ertrinken, finden andere keine Stelle mehr. Für einen Teil von Erwerbsarbeit werden horrende Gehälter bezahlt, während in manchen Branchen selbst Doppelverdiener ihre Familie nur knapp über Wasser halten können. Ein Grundeinkommen, statt immer wieder neu zu verhandelnde Beiträge aus Sozialversicherungen, würde Existenzängste bannen.

Für die beiden Seelsorger steht fest, dass der Mensch im Grunde ein solidarisches Wesen und nicht egoistisch und auf Profit bedacht ist. Die beschriebene Entwicklung der Erwerbsarbeit aber habe zu markanter Benachteiligung einzelner Gesellschaftsgruppen geführt. Und hier kommt die Theologie, der Glaube ins Spiel. «Gott steht auf der Seite der Benachteiligten», sagt Christoph Sigrist mit Verweis auf den Zürcher Reformator Ulrich Zwingli. Und deshalb müsse sich der Mensch, der aus dem Glauben lebe, ebenfalls auf die Seite der Benachteiligten stellen.

Das BGE allein löst keine Probleme

Gelebte Solidarität ist für Christoph Sigrist und Res Peter aber mehr als Renten oder geschützte Arbeitsplätze. Die Botschaft von Jesus Christus heisse in letzter Konsequenz die Befreiung des Menschen von Fesseln. Also auch von wirtschaftlichen Einschränkungen. Der Mensch, davon ist Christoph Sigrist überzeugt, würde sich gerne frei entscheiden, welchen Beitrag er in der Gesellschaft leisten kann. Ein Grundeinkommen spanne das dazu notwendige Netz. Denn viele Leute hätten heute gar nicht die Wahl, sich ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten entsprechend für andere zu betätigen.

Für Res Peter ist umgekehrt auch klar, dass das BGE alleine grosse Probleme wie Armut oder Arbeitslosigkeit nicht auf einen Schlag löst. «Was wir brauchen, das ist ein Systemwechsel bei Arbeit und Lohn», sagt der Neumünster-Pfarrer. Und sein Kollege vom Grossmünster veranschaulicht das so: «Das Zahlungsmittel der Kirche ist Sinn.» Wenn es gelinge, der Sinn-Arbeit die gleiche Wertigkeit wie Erwerbsarbeit zu geben, dann zweifelt er keinen Moment daran, dass sich Menschen mit bedingungslosem Grundeinkommen entsprechend ihren Möglichkeiten betätigen. Sei dies nun in der Wirtschaft, im öffentlichen Leben oder bei einer sozialen, fürsorgerischen Tätigkeit.

Auf politischer Ebenen wird das BGE von allen grossen Parteien abgelehnt. Als Utopisten sehen sich die beiden Pfarrer aber nicht. Sie wollen vielmehr mithelfen, dass ein revolutionär erscheinendes Anliegen diskutiert wird. Und sie bringen dabei ihre Überlegungen aus Glaube und Kirche ein.

Zum Thema:
Arme Menschen sollen eine Plattform erhalten
Fragen nach Sinn und Glück: Zeit macht glücklicher als Geld
Zufrieden sein können: Macht Geld doch glücklich?
Multi-Millionär Aurelio Baretto: Geld ist nicht genug

Datum: 06.05.2016
Quelle: kath.ch

Kommentare

Der Mensch hat zweifelsohne die Wahl ob er sich von seinem Egoismus oder vom Gebot der Nächstenliebe bestimmen lassen will. Auch Nichtchristen kennen die goldene Regel des Zusammenlebens. Mein Argument für ein Sympathie-Ja zu diesem Denkanstoss betrifft noch die Problematik unserer Hochlohnwirtschaft, die immer weniger konkurrenzfähiger wird. Durch ein Grundeinkommen könnten viele Lohnkosten eingespart werden und dies käme eigentlch einer Subventionsumlagerung gleich, die direkt den Arbeitmarkt stützt. Doch wie gesagt die Initiative bietet noch keine Lösung. Nur ein Denkauftrag an die Politik.
Die Überlegungen der beiden Pfarrer sind interessant, jedoch die Aussage, dass der Mensch im Grunde ein solidarisches Wesen und nicht egoistisch und auf Profit bedacht ist, ist humanistisches Denken. In der Bibel steht unmissverständlich, dass nichts Gutes im Menschen ist, ergo IST der Mensch egoistisch und auf eigenen Profit bedacht!

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