Wer hätte gedacht, dass alles so schnell gehen könnte? Kaum hatte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel Hand zu einer Abstimmung geboten, war die Sache im Bundestag auch schon geritzt. Wann ist es in der Schweiz so weit? Ein Kommentar von Fritz Imhof.
Während in Deutschland das Thema Ehe auch für homosexuelle Paare plötzlich ganz oben auf der Traktandenliste stand, fand kurz zuvor in Bern eine vom Justizdepartement organisierte Diskussion über einen Zivilen Partnerschaftsvertrag (PACS) nach französischem Muster statt, der hetero- und homosexuellen Paaren offen stehen würde (wir haben darüber berichtet). Noch früher votierte die Rechtskommission des Nationalrates knapp für die «Ehe für alle». Fällt somit auch in der Schweiz bald einmal diese Bastion?
«Ehe für alle» als einfachere Lösung?
Die Diskussion in Bern über einen PACS hat gezeigt, dass mit einer «Ehe light» die Diskussion erst anfängt. Viele Fragen sind zu diskutieren, was in eine solche gesetzlich geregelte Paarbeziehung hineingehören soll und was nicht. Und ob man heute Paaren überhaupt Vorschriften machen soll, wie sie ihre Beziehung regeln wollen. Mit einer «Ehe für alle» könnte sich die Politik diesen Fragen weitgehend entziehen, denn eine «Ehe light» würde dann an Dringlichkeit einbüssen. Insbesondere wenn man sich darauf einigen würde, die Eingetragene Partnerschaft für heterosexuelle Paare zu öffnen.
Kirchen schon vorgeprellt
Eine Belastungsprobe ist die «Ehe für alle» allerdings für die Kirchen. Wer sich zivil getraut hat, kann bei einer Landeskirche grundsätzlich die Trauung verlangen. Vier deutsche evangelische Landeskirchen sind sogar schon vorgeprellt und ermöglichen eine Homo-Trauung schon jetzt, wo die entsprechende Ziviltrauung noch gar nicht möglich ist. Dies belastet die Ökumene mit der katholischen Kirche, die an der traditionellen Definition der Ehe als unauflösliches Bündnis zwischen Mann und Frau mit der Absicht, gemeinsam Kinder zu haben, festhält.
Unter den Betroffenen umstritten
Für die Interessenverbände der homosexuell geprägten Menschen ist es entscheidend, dass sie mit der Möglichkeit zu heiraten die volle gesellschaftliche Anerkennung und Gleichberechtigung erreicht haben, denn die Ehe eröffnet ihnen auch die Adoption von Kindern und neue Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin. Unter Homosexuellen selbst ist die Ehe aber umstritten, wie ein Kommentar eines jungen Schweizers, der in Berlin lebt, in 20 Minuten eindrücklich illustriert. Für ihn ist die Ehe ein Relikt einer vergangenen Zeit, die eigentlich abgeschafft werden sollte. Sie passt für ihn nicht mehr in eine Zeit, die Beziehungen jeder Art erlaubt und die individuell geregelt werden können. Dass zum Verständnis einer Ehe auch sexuelle Treue gehört, macht sie ohnehin nicht so attraktiv für homosexuelle Männer.
Politischer Mut wäre gefragt
So oder so wäre die Politik in unserem Land gut beraten, sich noch einmal zu überlegen, ob sie die Tür für die «Ehe für alle» öffnen und damit gleichzeitig deren traditionelle Bedeutung abwerten will. Die Gesellschaft will die jahrhundertelange Diskriminierung von homosexuellen Menschen heute mit dieser symbolischen Geste kompensieren. Ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Langzeitfolgen. Politiker sollten auch den Mut aufbringen, einmal gegen den Zeitgeist anzutreten und sich nicht der «Macht des Faktischen» zu beugen. Besser wäre, bestehende Ehen und Familien zu unterstützen und zu ermutigen. Eine Forderung, die gerade angesichts explodierender Gesundheitskosten – welche oft einen direkten Zusammenhang zu Beziehungsproblemen haben – in Bern endlich ernst genommen werden sollte.