«Halt mich
fest und gib mich frei!» Teenagereltern
leisten täglich einen Balanceakt. Auch und gerade, wenn es um die
grossen Fragen rund um Liebe, Beziehungen und Sexualität geht, sind sie
gefordert, weise abzuwägen, mit wie viel Freiheit ihre Heranwachsenden schon
umgehen können.
Gesellschaftlich
wird Teenagern heute viel Freiheit zugemutet. Auf Internetportalen, in Chats, Magazinen und teilweise auch im Sexualkundeunterricht
werden junge Menschen dazu ermutigt, sich sexuell auszuprobieren. «Hauptsache,
alle sind einverstanden, niemand wird verletzt und ihr schützt euch vor
Krankheiten und Schwangerschaft!», lautet in diesem Fall die Empfehlung an 13- bis 16-Jährige. Freiheitlich, unrealistisch oder fahrlässig?
«Sie wissen nicht, was sie tun!»
Wer sich
mit Entwicklungspsychologie und Hirnforschung befasst, lernt, dass Teenager
alles andere als «zurechnungsfähig» sind und wer mit ihnen zusammenlebt weisst,
wovon die Fachleute sprechen. Bedingt durch den pubertären Grossumbau im Hirn
neigen Teens überdurchschnittlich dazu, Risiken einzugehen und die Konsequenzen
ihres Verhaltens zu unterschätzen. Teenager in gesundem Mass vor der eigenen
Unreife zu schützen, gehört deshalb zu den Jobs verantwortungsvoller
Teenagereltern.
«Sex haben» ist nicht
teenagergeeignet
Das
Ausleben von verantwortungsvoller und tatsächlich selbstbestimmter Sexualität
erfordert eine Reife, die Teenager in der Regel noch nicht haben. Wer Teenagern
sagt «Tu nur das, was du wirklich willst!», setzt voraus, was wenig realistisch
ist: Um zu wissen, was man will, muss man erst mal wissen, wer man ist. Und man
muss fähig sein, auch gegen Widerstand den eigenen Weg zu gehen. Tatsache ist,
dass viele Teenager tun, was andere tun,
weil sie «dazugehören» wollen. Was sexuelle Beziehungen betrifft, bestätigen
viele Erwachsene, dass sie Dinge mitgemacht haben, die sie im Tiefsten gar
nicht wollten und heute bereuen. Darüber
offen ins Gespräch zu kommen, kann für Teens eine echte Hilfe sein und vielen
fällt ein Stein vom Herzen, wenn sie vom Druck befreit werden, sich sexuell
beweisen zu müssen.
Was Teenager wissen sollten
Neben
fundierten Kenntnissen über den Körper, die Geschlechtsorgane, Zyklus und
Fruchtbarkeit brauchen Heranwachsende auch Informationen über die ganzheitliche
Bedeutung von Sexualität.
Sexuelle Intimität verbindet: Sexualität hat «Klebekraft». Beim Geschlechtsverkehr
schüttet der Körper das Bindungshormon Oxytocin aus. Dasselbe Hormon also, das
stillende Mütter mit ihren Babys verbindet. Wird diese Bindung getrennt, hinterlässt dies Spuren und wechselnde Partner schaden der Fähigkeit,
Nähe und Intimität aufzubauen.
«Sex haben» macht schwanger: Bei jeder sexuellen
Vereinigung kann ein Kind entstehen. Ist
ja eigentlich auch die Idee dahinter und einer der Gründe,
warum sexuelle Intimität und Ehe zusammengehören.
Sexualität ist auf ein DU hin angelegt: Es geht beim «miteinander
schlafen» nicht um egoistischen Konsum oder oberflächliche Abenteuer. Sondern darum, sich als ganzer Mensch auf
ein Gegenüber einzulassen. Dies erfordert Verbindlichkeit, Vertrauen, Liebe,
Reife und Beziehungskompetenz.
Fels in der Brandung sein
Teenager
brauchen Eltern, die ihnen durch ihre Stärke und ihr Präsent-Sein und Dableiben
Halt geben. Mütter und Väter, die Widerspruch und Konflikte aushalten, wenn es
darum geht, ihre Heranwachsenden vor der eigenen Unreife zu schützen. «Reibung
erzeugt Wärme» und klare Ansagen geben Orientierung. An der Beziehung
festzuhalten und täglich in das zu investieren, was verbindet, gehört zu den Geheimnissen dieser
Familienphase. Mitten in einem hochexplosiven Streitgespräch zu bekräftigen «Ja, ich hab dich auch lieb!» kann Wunder bewirken.
Festhalten und Freigeben – damit aus
Teenagern lebenstüchtige und beziehungsfähige Erwachsene werden!
Zur Autorin:
Regula Lehmann ist verheiratet und Mutter von vier erwachsenen Kindern. Die gelernte Familienhelferin leitet die Ehe-und Familienprojekte der Stiftung Zukunft CH und arbeitet daneben freiberuflich als Referentin, Kursleiterin, Elterncoach und Autorin. Ihr Ratgeber «Sexualerziehung? Familiensache!» erschien 2011 im fontis-verlag.