Christliche Werke wehren sich gegen ARD-Dokumentation
Der ARD-Film über «radikale Christen in Deutschland» erhitzt noch eine Woche nach Ausstrahlung die Gemüter. Mehrere erwähnte Personen haben Stellung bezogen. Sie kritisieren die Recherchemethoden und die aus ihrer Sicht einseitige Berichterstattung.
Gaby Wentland von «Mission Freedom»
Gaby Wentland vom Verein «Mission Freedom», der sich gegen Zwangsprostitution einsetzt, bemängelt die Aufmachung der Sendung: Diese diene dem Zweck, Christen zu diffamieren. «Es werden Dinge vermischt, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben.» Der Hauptvorwurf gegen «Mission Freedom» laufe ins Leere: Anders als die Dokumentation vorgebe, habe man eine umstrittene DVD bereits 2013 vom Markt genommen, auf der über eine angebliche frühere Zwangsprostituierte berichtet wurde. «Der NDR wurde über diese Tatsache auch im November 2013 schriftlich informiert! Es ist sehr bedauerlich, dass so eine einseitig und unvollständig recherchierte Sendung ausgestrahlt wurde.»
Die Fernsehdokumentation «Mission unter falscher Flagge» stellte evangelikale Christen als fragwürdig und gefährlich dar.
Jörg Kohlhepp, Leiter des sozialdiakonischen Vereins «Zukunft für dich», wehrt sich gegen den Vorwurf, «unter falscher Flagge» zu arbeiten: Auf der Homepage sei nachzulesen, dass «sowohl Sozialarbeit als auch die Vermittlung des christlichen Glaubens zwei wichtige Grundsätze unseres Vereins sind.» Auch das Etikett «radikale Christen» sei falsch: «Unser Verein wird von freiwilligen Spendengeldern von freikirchlichen, evangelischen und katholischen Christen finanziert.»
Der Vorwurf, Kinder mit Süssigkeiten zu «locken», sei unhaltbar, heisst es in der Stellungnahme weiter. Auf Kinderfesten oder in Supermärkten würden ebenfalls Süssigkeiten verteilt. Der «starke Zulauf» des Vereins sei jedoch nicht auf Bonbons oder Schokoriegel zurückzuführen. «Die Kinder sowie deren Eltern und auch am Rande der Gesellschaft stehende Menschen kommen deshalb so gerne zu unserem Verein, weil sie sich dort wertgeschätzt und angenommen fühlen.»
Wenz: Fragwürdige Recherche
Gegen die Darstellung in der Sendung protestiert auch Peter Wenz vom «Gospel Forum» in Stuttgart. «Kein einziger Kritikpunkt», der in der Sendung erwähnt wird, habe sich als zutreffend herausgestellt. So missbrauche «Gospel Forum» den Glauben nicht als Machtfaktor. «Wir nutzen Menschen nicht aus, sondern investieren uns uneigennützig in ihre persönliche geistliche und soziale Entwicklung.» Auch gehe es dem Verein nicht «in erster Linie» um Geld.
Wenz bemängelt, dass keiner der Besucher der Gottesdienste «positiv über ihre Erfahrungen mit der Gemeinde berichten konnte.» Auch die Recherchemethoden des NDR kritisiert Wenz: Das Fernsehteam habe Besucher gegen ihren Willen gefilmt, Mütter seien auf dem Weg zum Kindergottesdienst «ausgefragt» und danach «mit verächtlichen Worten und Blicken belegt» worden. Die Reporter hätten ausserdem den Kontakt zu «schwerst psychisch kranken Menschen» gesucht, «um dort negative Argumente zu finden, um damit eine Gemeinde zu denunzieren.»
FCJG: Journalisten voreingenommen
Das Vorgehen der Journalisten kritisiert auch die «Freie Christliche Jugendgemeinschaft» (FCJG) aus Lüdenscheid. «Eigenmächtig und ohne jede Absprache» hätte das Team auf dem Gelände der Gemeinde gefilmt. Auf Rückfragen habe es «feindselig» reagiert. Gesprächsangebote seitens der Gemeinde hätten die Journalisten ausgeschlagen.
Der Grundton der Sendung sei «diffamierend und verleumderisch.» Bei der Berichterstattung über die Drogenreha «Haus Wiedenhof» seien nur Personen zu Wort gekommen, die anonym über negative Erfahrungen berichtet haben. «Hunderte könnten positiv von ihrem Weg zurück in ein erfülltes Leben berichten.»
TOS: Diffamierung evangelikaler Christen
Der freikirchlich-charismatische Gemeindebund TOS vermisst in der Dokumentation «Sachlichkeit, Respekt und Würde.» Die Sendung stelle 1,3 Millionen evangelikale Christen als dumm, intolerant und gemeingefährlich dar. «Die Methoden sind einseitige Darstellung, Auslassungen und Verkürzungen sowie suggestive Musik und Schnitte.»
Die Kritik an der TOS seien ohne Anhaltspunkt. So sei die Darstellung falsch, derzufolge Mitglieder der TOS-Gemeinde eine vollständige Auflistung ihrer Sünden erstellen müssten. Allerdings biete die TOS persönliche Beichte an, und die Erstellung eines «Beichtspiegels» könne hilfreich sein für die Vorbereitung darauf. Die ARD habe den Teil des Interviews nicht ausgestrahlt, in dem der Leiter der TOS, Jobst Bittner, erkläre, wie der «Beichtspiegel» zu verstehen sei: Er sei nicht als moralischer Sündenkatalog, sondern als «Prüfung des Gewissens» gedacht.