«Mein Name ist Stephen Lungu, ich komme aus Simbabwe.» So beginnt der ehemalige marxistische Terroristenchef, dessen Leben durch Jesus Christus auf den Kopf gestellt wurde, seinen Bericht.
Früher Terrorist, jetzt Christ: Stephen Lungu
Als Kind wurde ich verstossen, lebte auf der Strasse und musste für mich selbst sorgen. In den 60er-Jahren schloss ich mich einer marxistischen Terrorgruppe an und wurde schliesslich ihr Anführer. Das Ziel war es, unser Land zu befreien und die Unterdrückung der Schwarzen zu bekämpfen. Vor brutaler Gewalt schreckte ich dabei nicht zurück.
Terror im Zirkuszelt
Eines Tages stand ein grosses Rundzelt auf einem Feld nahe unserer Stadt. Jeden Abend strömten viele Menschen hinein und dann konnte man sie gemeinsam singen hören. Ich hatte in Erfahrung gebracht, dass dieses Zelt einer christlichen Missionsgesellschaft aus Südafrika gehörte.
Ich rief die Mitglieder meiner marxistischen Befreiungsgruppe zusammen. «Hört her, aus Südafrika kommt nichts Gutes!», sagte ich meinen zwölf Jungs. «Das ist das Land der Rassentrennung. Warum kommen diese Leute hierher und predigen uns ihren Gott? Sie wollen uns einer Gehirnwäsche unterziehen. Ich schlage vor, wir erteilen ihnen eine Lektion.»
Die Milizen stimmten mir lebhaft zu. Ich legte meinem Einsatzkommando meinen Plan vor: «Postiert euch in Zweiergruppen rings um das Zelt. Ich werde hineingehen und mich zwischen die Zuhörer setzen. Wenn ich wieder herauskomme, schleudert eure Steine und Benzinbomben in den Zelteingang.»
Der Weg in die Schlacht
Von meinem Handgelenk baumelte locker eine Papiertüte, in der sich fünf Molotowcocktails befanden. Ich suchte mir in der letzten Bank einen Platz. Die Missionsveranstaltung war bereits in vollem Gange. Ein etwa 30-jähriger schwarzer Prediger stand auf dem Podium und blickte über das Publikum hinweg zum Zelteingang. Dann begann er mit lauter Stimme:
«In Römer, Kapitel 6, Vers 23 steht: ‚Denn die Sünde wird mit dem Tod bezahlt.’ Gott schenkt uns aber in der Gemeinschaft mit Jesus Christus das ewige Leben, das schon jetzt beginnt und niemals aufhört.»
Ich wollte gerade meinen Jungs das vereinbarte Zeichen geben. Da zog der Prediger erneut meine Aufmerksamkeit auf sich. Er war einen Moment still. Dann fügte er leise hinzu: «Ich muss weinen. Ich muss weinen, denn Gott hat mir gesagt, dass viele Menschen hier heute Abend sterben müssen, wenn sie Jesus Christus nicht in ihr Leben aufnehmen.»
Was war das für eine Show? Ich spürte, dass der Prediger mit seinem harten Bibelzitat gegen meinen Willen auch mich angesprochen hatte. Aber nun hörten sich seine Worte beinahe so an, als würde er unseren Plan kennen.
Wenn das so war, dann wusste er auch, wer wir waren. Ich hatte also keine Zeit mehr zu verlieren. Ich langte in meine Tüte, um eine Benzinbombe herauszuholen. Der Prediger fuhr fort: «Ihr habt alle gesündigt. Ihr habt betrogen, gelogen und anderen Menschen Unrecht getan.»
Gefesselt von Worten
Ich musste unwillkürlich an all das Böse denken, das ich in letzter Zeit getan hatte. Mir wurde der Hass in mir bewusst, der mich fast aufzehrte. Ich hatte das Gefühl, als ob der Prediger direkt mich ansprach und alle Schuld, die ich jemals begangen hatte. Ich vergass den geplanten Überfall und meine Leute, die draussen vor dem Zelt lauerten. Ich musste ihm weiter zuhören.
Jetzt sprach der Prediger von Jesus. Er sei kein grosser Herrscher, sondern ein armer Mann aus dem Volk gewesen. Er hatte kein Zuhause und kein Geld. Er stammte aus einem Volk, das von einer fremden Macht unterdrückt wurde – genauso wie wir. Und doch hatte er gewaltige Vollmacht. Er heilte Kranke und machte sogar Tote wieder lebendig.
«Schliesslich wurde er von denen umgebracht, zu deren Rettung er gekommen war», sagte der Prediger. «Durch seinen Tod versöhnte er Gott mit den Menschen. Jeder, der das will, kann Jesus in sein Leben aufnehmen», sagte der Prediger. «Ihr könnt eure Schuld und Armut gegen seine Liebe und seinen Reichtum eintauschen.»
Hoffnung, Feuerhagel und Zweifel
Plötzlich verstand ich, welchen Tausch mir Jesus anbot. All der Schmerz, die Einsamkeit, der Selbsthass und die Angst, die mich bestimmten, wurden mir bewusst. Mir liefen die Tränen über die Wangen. Ich wollte frei werden von dieser unerträglichen Last, die meine inneren Verletzungen und das Böse mir aufgebürdet hatten.
Ich ergriff meine Tüte, bahnte mir einen Weg durch die Stuhlreihen und ging nach vorne. Kurz bevor ich den Prediger erreicht hatte, versagten meine Beine und ich fiel vor ihm zu Boden. Ordner eilten herbei und ergriffen mich. Sie wollten den Prediger schützen und mich von ihm wegziehen.
Da kam ein Hagel von Steinen ins Zelt geflogen. Angst erfasste das Publikum. Meine Männer hatten losgeschlagen, ohne auf mein Signal zu warten. Eine Benzinbombe explodierte aussen an der Zeltwand und setzte sie in Brand. Die Menschen im Inneren schrieen in Panik und drängten zum Ausgang.
Weitere Benzinbomben schlugen auf dem Zeltdach auf. Der Prediger stand noch immer bewegungslos auf dem Podium. Er schloss die Augen und konzentrierte sich, wie um zu beten. «Kann dein Jesus einen wie mich retten?», rief ich ihm zu. Er blickte mich an. «Ja», sagte er bestimmt, «Jesus starb für dich. Gott liebt dich.»
Doch da erwachte meine Rebellion. Was hatte Gott jemals für mich getan? Er hatte zugelassen, dass ich immer wieder von den Weissen gedemütigt worden war. «Dafür bringe ich dich um», schrie ich den Prediger an.
Ich tastete nach dem Revolver, der in meinem Hosenbund steckte. Aber etwas hielt mich zurück. Ich nahm wieder meine Umgebung wahr. Das Zelt war inzwischen fast leer. Drei Viertel der Zeltwände brannten bereits. Brennende Stofffetzen rauschten zu Boden oder wirbelten durch die Luft.
Der Prediger nahm mich am Arm und führte mich behutsam hinaus. Ich sah noch die letzten Zuhörer, die in allen Richtungen davonrannten. Wir gingen zu einem Baum in der Nähe und liessen uns darunter nieder. Ich musste daran denken, dass wahrscheinlich in Kürze die Polizei hier auftauchen würde. Aber ich konnte mich von dem Prediger nicht losreissen. Er forderte mich auf, etwas über mich zu erzählen. Und ich berichtete ihm von meinem Leben. Es war das erste Mal, dass sich jemand dafür interessierte.
Terrorist trifft auf die Liebe Gottes
Ich erzählte ihm, wie mich mein Vater verachtet und verstossen hatte. Meine Mutter hatte mich als Kind ausgesetzt. Nachts hatte ich unter Brücken geschlafen und tagsüber in stinkenden Mülltonnen nach etwas Essbarem gesucht.
Schliesslich hatte ich mich der Kampfgruppe angeschlossen, die ich heute anführte. Der Pastor blickte mich mitfühlend an. Das hatte ich bisher noch nie erlebt. «Ich möchte dir etwas vorlesen», sagte er und schlug seine Bibel auf. «Dies ist ein Text, der für Leute wie dich bestimmt ist:
Psalm 27, Vers 10: «Wenn Vater und Mutter mich verstossen, nimmst du, Herr, mich doch auf.» In diesem Moment spürte ich die Liebe Gottes. Ich kniete nieder und betete: «Oh Gott, ich habe nichts, ich bin nichts, ich kann nicht lesen und nicht einmal meinen Namen schreiben. Nimm mich auf, bitte, nimm mich auf. Ich bereue all das Böse, das ich getan habe. Jesus, vergib mir und nimm mich an.»
Wenig später waren von dem Zelt nur noch rauchende Trümmer übrig. Offenbar hatte niemand den Brand bemerkt. Die Polizei liess sich nicht blicken. Darauf ging ich selbst zum nächsten Revier und stellte mich. Meine Waffe gab ich ab. Nach acht Stunden Arrest und Verhören wurde ich freigelassen. Ein Polizist gab mir Geld für meine erste Bibel.
Stephen Lungu lernte lesen und schreiben und besuchte eine Bibelschule. Er nahm an Missionseinsätzen in Botswana, Sambia, Südafrika, Mosambik und seinem Heimatland Simbabwe teil. Heute ist er Pastor im benachbarten Malawi.
Aus dem Buch «Ich war Terrorist – 4 Stories zwischen Terror und Amok», mit freundlicher Genehmigung von Soulsaver.de