Israel im Umbruch

Wie viele Religion im öffentlichen Leben?

In der unruhigen Region fühlt sich Israel stärker bedroht. Das hindert die Bewohner nicht daran, über religiöse Fragen heftig zu diskutieren.

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Rabbiner in Israel: Welche Rolle spielt die Religion in Zukunft?
Durch die Wahlen in Ägypten sind Islamisten an die Macht gekommen. Werden sie bald auch in Syrien das Sagen haben? So explosiv die Region sich präsentiert, so heftig streiten im Innern Israels Juden um den Rahmen für Staat und Gesellschaft. In der Westbank kämpfen extreme Siedlergruppen gegen die Armee, die nicht bewilligte Aussenposten räumen will. Kommentatoren bezeichnen die Siedler als Bedrohung der Existenz Israels. Ultra-orthodoxe Kreise wollen ihre Lebensweise nicht nur garantiert haben, sondern sie der gesamten Gesellschaft aufzwingen.

Kommt die Zivilehe?

Zu den meistdebattierten Themen gehört die Zivilehe. Bisher gilt für Juden im Land nur die vor dem Rabbi geschlossene Ehe. Seit der Gründung 1948 hat der Judenstaat das Eherecht dem Oberrabbinat überlassen (aber wenn nicht-orthodoxe jüdische Einwanderer aus den USA übers Wochenende nach Zypern gehen und sich trauen lassen, wird die Ehe anerkannt). Eine neue Studie über die Einstellungen und Werte der der Israelis zeigt eine in dieser Frage hälftig gespaltene Gesellschaft: 51 Prozent der Befragten wünschen die Einführung der Zivilehe oder würden sie begrüssen.

Im Durchschnitt religiöser

Nach dem am 26. Januar 2012 veröffentlichten «Portrait von israelischen Juden», erstellt vom Israel Democracy Institute und der Avi Chai Foundation, sind die Israelis zwischen 1999 und 2009 traditionsbewusster und im Durchschnitt religiöser geworden. «Wir können sagen, dass israelische Juden an der Rolle der Religion im Staat Israels und an der Bedeutung eines ‚Judenstaats‘ interessiert sind und es begrüssen, dass Religion und Tradition in der Öffentlichkeit zum Ausdruck kommen», heisst es im Bericht der Jerusalem Post. Allerdings wollten sich die Israelis ihre persönliche Freiheit bewahren und namentlich den Schabbat nach eigenen Vorstellungen gestalten.

Ja zur Tradition – aber mit persönlicher Freiheit

In den 1990er Jahren hatte die Masseneinwanderung aus ex-sowjetischen Staaten die israelische Gesellschaft tiefgreifend verändert. Im folgenden Jahrzehnt wuchs das Interesse an jüdischer Tradition und Religion wieder, und dieser Trend dürfte laut der Studie anhalten, weil Orthodoxe und Ultra-Orthodoxe deutlich mehr Kinder haben.

Israelis wollen beides: die jüdische Tradition bewahren – und persönliche Freiheit hochhalten. 85 Prozent der über 2000 befragten erwachsenen Israelis fanden es wichtig, jüdische Feste traditionell zu begehen. 90 Prozent feiern das Sedermahl an Pessach, 68 Prozent fasten am Yom Kippur. Eben dieser Anteil der Befragten wünscht aber auch, dass Cafés und Kinos am Schabbat offen sind. Für 59 Prozent sollten Busse am Schabbat fahren.

Die Entschlossenheit vieler Israelis, für eine pluralistische Gesellschaft zu kämpfen, wächst, wenn sie (wie zum Jahreswechsel) hören, dass Gynäkologinnen von den Veranstaltern einer Fachkonferenz als Referentinnen ausgeladen wurden: Wenn sie, die Ärztinnen, sprächen, würde man genau jene ultra-orthodoxen Kreise, die man erreichen wolle, vor den Kopf stossen. So ging die Gynäkologen-Konferenz ohne Referate von Frauen über die Bühne.

Lesen Sie morgen: Israel und die Drohungen seiner Feinde

Webseite:
Bericht der Jerusalem Post

Datum: 07.02.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / Haaretz / Jerusalem Post

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