«Sabine, bist du bereit, für mich in ein anderes Land zu gehen, um dort von meiner Liebe zu erzählen?» Sabine Kaiser ist zwölf Jahre alt, als sie den Eindruck hat, Gott rufe sie mit diesen Worten. Sie ist bei einer Jungscharfreizeit und hat an dem Tag Jesus in ihr Leben eingeladen. Sie erschrickt bei dem Gedanken, eines Tages Missionarin zu werden – aber der Gedanke lässt sie die nächsten Jahre nicht los.Es vergehen 18 Jahre, bevor Sabine Kaiser 1993 schliesslich als Missionarin der Überseeischen Missionsgemeinschaft (ÜMG) in die Armenviertel von Manila auf den Philippinen reist. Bis dahin sind aber noch einige Glaubensschritte nötig. Angefangen bei der Ausbildung. Nach der Realschule möchte sie einen praktischen Beruf erlernen. Wie wäre es mit Krankenschwester – auch im Blick auf die Mission? Der Haken dabei: Wenn sie Blut sieht, fällt sie regelmässig in Ohnmacht. Sie bewirbt sich trotzdem um einen der begehrten Ausbildungsplätze. «Wenn ich genommen werde, dann soll es so sein», sagt sie sich.
Der kritische Moment
Sie bekommt einen Ausbildungsplatz. Eines Tages kommt der Moment: Sie soll den Arzt zum Blutabnehmen begleiten. «Ich hatte Angst und habe gebetet und gebetet», erzählt sie. Im Krankenzimmer angekommen, nimmt der Arzt der Patientin Blut ab – und Sabine steht immer noch. «Das war mein erster Schritt des Glaubens, wo ich etwas tun musste, was ich absolut nicht beeinflussen konnte. Mir wurde in den ganzen Jahren nie mehr schlecht beim Blutabnehmen.» Sie macht das Examen als Krankenschwester. Und die Mission? Die kann noch warten, erst möchte sie zwei Jahre im Beruf arbeiten. So vergeht die Zeit.
Plötzlich, von einem auf den anderen Tag, ist der Schwung weg. Sie sucht nach einer Ursache. Da merkt sie, es sind zwei Jahre nach dem Examen rum.
Willst du jetzt ...?
«Gott fragte mich sachte: Sabine, willst du jetzt in die Mission?», erzählt Sabine Kaiser. Sie bittet um konkrete Zeichen: Drei Menschen, die nichts von ihrer Berufung wussten, sollten sie auf die Mission ansprechen. So geschieht es. «Gott hat geantwortet. Ich wusste, jetzt muss ich Schritte tun.» Aber wenn Mission, dann bitte Afrika, nicht Asien. Sie will zu einem Kurzeinsatz nach Afrika, aber es klappt nicht. Gott hat einen anderen Plan. Stattdessen fliegt sie nach Asien. «Ich dachte, Gott will mir was vorenthalten», erzählt sie, «dabei meint er es nur gut mit mir.» Später hat sich herausgestellt, dass sie gegen Hirse allergisch ist – in Afrika, wo man viel Hirse isst, hätte sie das vielleicht nicht überlebt.
Asthma – und jetzt?
Sabine Kaiser studiert von 1988 bis 1991 auf St. Chrischona. Nach einem Jahr Gemeindepraktikum und einem Jahr Vorbereitung für die Mission, ist es soweit. Sie möchte auf die Philippinen, in den Armenvierteln, den Slums der Hauptstadt Manila arbeiten. Beim Gesundheitscheck für angehende Missionare stellt sich heraus: Sie hat Asthma. Die Millionenmetropole Manila mit ihrer schlechten Luft – wie soll das gehen? «Wenn ich trotz dieser scheinbar unüberwindbaren Hürde jemals in den Slums von Manila arbeiten kann, dann ist meine Berufung als Missionarin glasklar», sagt sie sich. Mit zitternden Knien fliegt sie mit der ÜMG auf die Philippinen. Sie macht ein Praktikum in einem Slum in Manila – es hat geklappt, das Asthma macht ihr keine Probleme, auch die ganzen Jahre danach nicht.
Darf ich vertrauen?
Zwölf Jahre ist Sabine Kaiser Missionarin in Manila. 2005 erhält sie die Anfrage, in die ÜMG-Zentrale nach Mücke in Hessen zu wechseln. Dort kümmert sie sich heute um die Interessenten, Bewerber und Missions-Kandidaten. Gehen die jungen Leute heute anders mit dem Thema Berufung um? «Es fällt den jungen Leuten heutzutage schwerer, sich festzulegen», sagt sie, «weil es viel mehr Möglichkeiten gibt als früher.» Heute gibt es sehr viele Informationen über die Mission. Das sei zwar gut, die Herausforderung aber trotzdem die gleiche wie vor dreissig Jahren: «Informationen geben keine Sicherheit, Vertrauen zu Gott ist gefragt. Die Frage besteht nachwie vor: Kann ich mich im Vertrauen auf Gott auf etwas einlassen, ohne zu wissen, was dabei herauskommt?»
Sabine Kaisers Glaube hat sich mit der Zeit verändert: Früher hat sie Angst gehabt, Gott könne etwas von ihr wollen, was sie nicht kann oder möchte. Sie hat die Erfahrung gemacht: «Gott meint es gut mit mir. Auch dann, wenn Dinge anders laufen als gewünscht. Und das einzige, was in diesen Zeiten trägt, ist Gott zu vertrauen.»