Zahlreiche Christen in Indien sind von Gewalt,
Einschüchterungen und Belästigungen bedroht. Die Kommission für
Religionsfreiheit der Indischen Evangelischen Allianz gab jetzt Details
bekannt.
Indische Christen sind ständig von Angriffen hinduistischer Extremisten bedroht.
Im Jahr 2018
registrierte die Evangelische Allianz in Indien insgesamt 325 Übergriffe gegen
Christen; diese Zahl umfasse aber bei weitem nicht alle Vorfälle, sondern
basiere auf freiwilligen Meldungen und zivilen Recherchen. «Über die meisten
Fälle gibt es keine Berichte, entweder weil die Opfer und Zeugen in Schrecken
versetzt sind, oder weil die Polizei speziell in den nördlichen Bundesstaaten
wegschaut», schreibt die Kommission in ihrem Bericht. Im
Jahr 2012 gab es noch nur 130 Übergriffe, 2016 stieg die Zahl dann sprunghaft auf
247 und 2018 sogar auf 351 an. Auch im Januar 2019 wurden christliche
Gottesdienste, Bibeltransporte und Pastoren angegriffen.
Hass-Klima verschärft Spannungen
Cover des Berichtes
Laut des Berichts
verschärfen die geplanten Wahlen im April und Mai 2019 das Klima im Land.
Versuche, religiös zu polarisieren, sowie Hassreden sogar von Ministern entlang
der religiösen Trennungslinien, seien auf einem Allzeit-Hoch. Die Bharatiya
Janata-Partei (BJP) von Premierminister Narendra Modi bedient zunehmend
Hindu-nationalistische Themen. Generelle
Angriffe auf Minderheiten sowie Dalits und Frauen hätten dabei deutlich
zugenommen. «Die kleine christliche Gemeinschaft, etwa 2,3 Prozent der 1,3
Milliarden Einwohner, wird offenbar angegriffen wegen Bekehrungen, ist aber
auch mitbetroffen von den Hass-Angriffen gegen die mit 15 Prozent viel grössere
muslimische Gemeinschaft», heisst es im Bericht.
Schmierenkampagne in Uttar Pradesh
Die Gewalt gegen
Christen hat besonders in Uttar Pradesh zugenommen. Auf diesen
bevölkerungsreichsten Staat im Norden Indiens entfallen über 40 Prozent der
Vorfälle. Allein zwischen September und Dezember 2018 gab es 94 Angriffe gegen
Christen, fast doppelt so viele wie im ganzen Jahr 2017.
Im Juli 2018 hatten ein
TV-Sender und ein hinduistisches Massenblatt über «betrügerische Bekehrungen
von Hindus im grossen Stil» berichtet. Der Bericht ging auf sozialen Medien
viral. Daraufhin gab es eine Welle von Übergriffen der Polizei: Gottesdienste
wurden unterbrochen und Pastoren und Evangelisten verhaftet. Uttar Pradesh wird
von Yogi Adityanath regiert, der gleichzeitig auch der Hohepriester des
Gorakhnath-Tempels in Gorakhpur ist. Er ist ebenfalls Gründer von «Yuva
Vahini», einer hinduistischen Jugendmiliz, die bereits in örtliche Gewalt verwickelt war
und es auf religiöse Minderheiten abgesehen hat.
Der Vorwurf der
«betrügerischen oder gewaltsamen Bekehrung» entwickelte sich zu einem
praktischen Mittel für Polizei und Hindu-Milizen, Gottesdienste zu stören und
Strassenzufahrten zu Kirchen zu blockieren. «Rechtsgerichtete Mobs verprügeln
regelmässig Pastoren, belästigen Kirchenbesucher und vandalisieren Kirchen», so
der Bericht. «Eine grosse Desinformations- und Schmierenkampagne nutzt die
gefällige Presse und die sozialen Medien und dient als Katalysator, um Christen
und ihre Kirchen anzugreifen.»
Verfassung garantiert Religionsfreiheit
Unter den übrigen
Bundesstaaten Indiens steht Tamil Nadu ganz im Süden an zweiter Stelle mit 40
Gewalttaten. Im Jahr 2018 sind für ganz Indien 70 Fälle von körperlicher Gewalt
dokumentiert, wo oft die Opfer statt der Täter verhaftet wurden. In 81 Fällen
wurden Christen verhaftet und / oder fälschlich angeklagt und gleichzeitig
verprügelt.
Die indische Verfassung
betrachtet das Land als grundsätzlich säkular und erklärt das grundlegende
Menschenrecht, dass niemand aufgrund seiner Religion, Rasse oder Kaste
diskriminiert werden darf. Der Gesetzgeber garantiert «Autonomie» für religiöse
Minderheiten.