Indien: «Covid-19 hat uns wie ein Tsunami getroffen»
Ein Spital in Indien (Bild: Twitter @india_spain)
Mehr als 400'000 Neuinfizierte pro Tag, rund 3000 Covid-Tote
täglich: Indien ist zum Corona-Epizentrum geworden. Und weil das Land keine Impfstoffe
mehr exportiert, leiden viele Länder in der Dritten Welt, vor allem in Afrika.
Die zweite Corona-Welle hat
Indien besonders hart getroffen – es ist im Moment das Land mit den
zweitmeisten Ansteckungen weltweit nach den USA. Täglich sterben nach
offiziellen Angaben über 3000 Menschen an dem Virus, über 200'000 Menschen sind
bisher der Pandemie zum Opfer gefallen. In einem Interview mit «Protestante
Digital» erklärt Vijayesh Lal, Generalsekretär der indischen Evangelischen
Allianz, dass die reale Todesziffer wahrscheinlich weit höher liege: «Die meisten
Menschen sterben nicht an Covid-19, sondern weil es keine genügende
Infrastruktur gibt. Sie sterben am Mangel an Spitalbetten und Sauerstoff. Viele
sterben zu Hause, in ihren Autos, auf der Strasse. Es ist eine schlimme Zeit
für Indien, es hat uns wie ein Tsunami getroffen. Das Gesundheitssystem ist
völlig überfordert. Viele meiner Freunde sind Ärzte, haben Covid-Patienten
behandelt und sind nun selbst positiv. Ich habe selbst Familienmitglieder und
Freunde verloren.»
Kirchen:
voller Einsatz
Leichenverbrennung in Delhi
«Die Kirchen leiden; täglich
verlieren wir Pastoren und Leiter, die wir in Jahren mit viel Einsatz aufgebaut
haben. Vor allem im Norden des Landes haben wir zu wenig Leiter», erklärt Lal.
«Aber die Gemeinden tun dasselbe wie in der ersten Welle: Wir mobilisieren
Gebet, organisieren Nothilfe und bringen Hoffnung. Über Nacht bilden sich
Einsatzgruppen über die sozialen Medien, die sich als 'kleine Armeen'
organisieren und Menschen helfen, Sauerstoff oder Spitalbetten zu finden. Wir
haben dazu ein Hilfstelefon eingerichtet; Kirchengebäude werden den Behörden
zur Verfügung gestellt. Wir wollen Hoffnung verbreiten – die Decke der Angst in
unserem Land ist so real, und wir beten, dass wir Träger des Lichts in dieser
dunklen Zeit sein können.»
Finny Philip, Rektor des Filadelfia Bible College in Udaipur,
ergänzt: «Wir richten als Kirchen Essensausgaben ein, wir kaufen
Sauerstoffzylinder für die Ärmsten, wir organisieren eine kostenlose Ambulanz und
helfen, Beerdigungen zu bezahlen. Christliche Freiwillige helfen auf den
Friedhöfen, dass die Leute eine würdige Beerdigung bekommen, und sie trösten
und besuchen die Trauernden.»
Besonders ländliche Gebiete
würden betroffen. «Die Leute dort kennen Covid oft nicht und denken, es sei
eine mysteriöse Krankheit. Wenn eine Familie die wirtschaftliche Grundlage
verliert, müssen sie ihre Kinder verkaufen. Betet, dass das nicht eintrifft.»
Nationaler
Gebetstag am 7. Mai
Vijayesh Lal
Die indische Evangelische
Allianz, die indische Bischofskonferenz und der Nationale Rat der Kirchen in
Indien haben den kommenden 7. Mai als Tag des Gebets und Fastens für die
Heilung ihrer Nation erklärt. «Betet bitte weltweit für unser Land, dass Gott
eingreift; betet vor allem für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen, für die
Familien, die trauern, hilflos und einsam sind. Betet, dass die Christen
Hoffnungsträger sind und die verschiedenen christlichen Gruppen noch besser
zusammenarbeiten. Indien hat Ihr Gebet sehr nötig, ich erinnere mich nicht an
eine ähnliche Zeit der Not», ruft Lal die weltweite Gemeinschaft der Christen
auf.
Impfstoff-Exportstopp
Noch vor kurzem lieferte
Indien Millionen von Impfdosen – z.T. gratis – in arme Länder der Welt. Das
Land war der Hauptlieferant der globalen Impfinitiative Covax und produziert den Impfstoff im
Serum Institute in Pune, dem weltweit grössten Impfstoffhersteller. Bis Ende Mai
hätten 251 Millionen Impfdosen ausgeliefert werden sollen. Jetzt hat die
Regierung vorübergehend einen Exportstopp für das Serum angeordnet, was
wiederum in ärmeren, vor allem afrikanischen Ländern, zu Panik und Engpässen
führt. Indien braucht seinen Impfstoff selbst – Premier Modi hat vor allem auf
die Impfung gesetzt und andere Bereiche vernachlässigt, was ihm im eigenen Land
zunehmend Kritik einbringt.