„Im Dritten Reich sassen die Christen einer Konkurrenzreligion auf“

Adolf Hitler hatte einen anderen Gott als den christlichen – trotzdem wurden ihm deutsche Christen hörig. In einer Studie legt der Theologe und Religionssoziologe Thomas Schirrmacher dar, dass Hitler seine gesamte Weltanschauung in Gott gründete, allerdings nicht in dem christlichen Gott, sondern in einem Kriegsgott. Die Vorstellung von ihm ergab sich aus einer Mischung von Evolutionismus, Naturverherrlichung, Antisemitismus und Nationalismus.

Hitler habe nie versucht, seine Wähler mit einem scheinbar christlichen Gott zu ködern, sondern von Anfang an ein dezidiert nichtchristliches Gottesbild vertreten, schreibt Schirrmacher in seinem neuen Buch ‚Hitlers Kriegsreligion'. Ohne diese religiöse Komponente sei das politische Programm des Nazi-Führers nicht zu verstehen. Man könne Tausende von Belegen für Anrufungen Gottes und religiöse Begründungen nicht einfach als Rhetorik abtun.

Die Frommen fielen auf Hitler herein

„Es ist erschreckend, dass Christen nicht erkannten, dass Hitlers Gott ein völlig anderer als der christliche Gott war“, so Schirrmacher bei der Vorstellung des Buches. Besonders die ‚Frommen im Lande' seien wegen ihrer angeblichen politischen Abstinenz nicht nur auf Hitlers politische Parolen hereingefallen, sondern letztlich auf eine alternative Religion. Hitler habe viel vom Schöpfer gesprochen, der das Naturgesetz des Rassenkampfes geschaffen habe, nie aber vom Gott der Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Jesus erscheine zwar oft als das grosse Vorbild im Hass gegen die Juden, nie aber als Begründer der christlichen Botschaft oder als Gottes Sohn.

Fleissarbeit in der braunen Brühe

Die 1200 Seiten umfassende Dissertation an der Bonner Universität – die Hälfte davon besteht aus religiösen Hitlerzitaten – könnte 62 Jahre nach dem Tod Hitlers die Diskussion um das Wesen des Nationalsozialismus und das Verhältnis von Christentum und Nationalsozialismus neu beleben. Zwar wurde die These, dass der Nationalsozialismus auch eine Religion gewesen sei, schon häufiger vertreten, hier aber wird sie anhand von Tausenden von Hitlerzitaten und einer Analyse aller erhaltenden Reden und Schriften erdrückend ausführlich belegt und anhand eines Wörterbuches der religiösen Sprache Hitlers verifiziert.

Hitler nicht geschönt

Schirrmacher erhielt nicht nur die Abdruckrechte für viele Quellen, etwa die Tischgespräche Hitlers, sondern auch für viele Passagen aus Hitlers ‚Mein Kampf' – der Rechteinhaber, der Freistaat Bayern, gewährt sie nur wenigen Wissenschaftlern zuteil wird. „Es spricht für die Qualität der Arbeit und dafür, dass der Verfasser die Niederträchtigkeit von ‚Mein Kampf' in seiner Tiefe genügend abschreckend darstellt, dass Bayern seine sonst sehr restriktive Haltung aufgegeben hat“, so der Verlag.

Thomas Schirrmacher (47) doziert Religionssoziologie an der Universität Oradea, Rumänien, und Internationale Entwicklung an der ACTS University in Bangalore, Indien. Der Rektor des Martin Bucer Seminars (Bonn, Zürich, Innsbruck, Prag, Ankara) legt mit der Studie in vergleichender Religionswissenschaft seine dritte Doktorarbeit vor; dazu kommen zwei Ehrenpromotionen aus den USA und Indien.

Thomas Schirrmacher
Hitlers Kriegsreligion
Die Verankerung der Weltanschauung Hitlers in seiner religiösen Begrifflichkeit und seinem Gottesbild
2 Bände. VKW: Bonn, 2007. 1220 Seiten
Paperback, 99 Euro
ISBN 978-3-938116-31-9
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Quelle: Bonner Querschnitte, Bearbeitung Livenet

Datum: 05.07.2007

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