Die Reformation soll 500 Jahre nach Luther und Zwingli als Aufbruch gefeiert werden und Impulse vermitteln. Die Schweizer Reformierten verbinden sich dafür mit der Evangelischen Kirche in Deutschland EKD. In einer Zeit gehäufter politischer Irritationen ist der Schulterschluss ungleicher kirchlicher Partner bemerkenswert. Bleiben die Freikirchen draussen?
Für ein wegweisendes Jubiläum: Margot Kässmann und Gottfried Locher am Dienstag in Zürich.
Margot Kässmann, EKD-Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017, und SEK-Ratspräsident Gottfried Locher haben am 27. November in Zürich gemeinsame Pläne für Feiern in Deutschland und der Schweiz erörtert. In der Kirchensynode in der Zwinglistadt und vor den Medien legten die beiden ihre Perspektiven für die 500-Jahr-Feier dar. Damit seien Chancen für die Kirchen der Reformation verbunden, die vor grossen Herausforderungen stehen.
«Eine Sprache finden, die Menschen erreicht»
Kässmann erinnerte an das Sprachgenie Luther. Wie damals gehe es heute darum, den Leuten aufs Maul zu schauen und «eine Sprache zu finden, welche die Menschen erreicht».
Mit einem Rückblick in 100-Jahr-Schritten machte Kässmann deutlich, wie die Deutschen Luther in jeder Epoche zeitgeistig instrumentalisierten. Und setzte dann Eckmarken: Das Jubiläum 2017 sei dialogbereit, nicht konfessionell-abgrenzend, zu feiern, nach hundert Jahren ökumenischer Bewegung.
Gut für die Frau
Die Reformatoren, teils Priester, hätten geheiratet, so Kässmann weiter, und damit die Bedeutung des Familienlebens, überhaupt des weltlichen Daseins, als Leben vor Gott unterstrichen. Dass Frauen nun in den protestantischen Kirchen Zugang zu Pfarramt und leitenden Stellungen haben, habe seinen Grund in der Reformation, sagte die frühere Bischöfin der grössten deutschen Landeskirche.
Bildung und ökumenisches Miteinander
Zudem, so Kässmann, vertrat Luther einen «gebildeten Glauben». 500 Jahre später seien Glaube und Vernunft zusammenzuhalten – der Protestantismus als für Europa wegweisende Bildungsbewegung. 1973 hätten sich Reformierte und Lutheraner fast 450 Jahre nach dem Nein Luthers zu Zwinglis Verständnis des Abendmahls auf kirchliche Gemeinschaft verständigt; diese sei als echte ökumenische Errungenschaft Grund zum Feiern.
«Wer glaubt, ist frei»
Die deutschen Protestanten gehen mit der Lutherdekade von zehn Themenjahren auf 2017 zu; 2013 steht unter dem Motto «Reformation und Toleranz». Für die Schweizer Reformierten kommt das globale Datum der Reformationsfeier, das sich auf die Initialzündung 1517 (95 Thesen Luthers) bezieht, früh. Zwingli begann 1519 in Zürich zu predigen und die meisten eidgenössischen Orte beschlossen die Reformation mehrere Jahre nach Zürich (1523).
Doch SEK-Ratspräsident Gottfried Locher hat schon 2011 deutlich gemacht, dass die Schweizer Protestanten Grund haben, 2017 mit dem Rest der Welt zu feiern. Er hat dafür das Motto «Wer glaubt, ist frei» vorgeschlagen – was Margot Kässmann vor der Zürcher Kirchensynode für gut befand.
Neues kommt aus der Stille
In seiner Ansprache im Rathaus an der Limmat sagte Locher, wer die Kirche reformieren wolle, tue gut daran, «sich auf drei Dinge zu besinnen: Stille, Bewegung, Gemeinschaft». Zwingli wie Luther hätten ihre reformatorischen Gedanken in der Stille eines Klosters entwickelt. Das Evangelium setze in Bewegung, «es gibt uns den Blick frei für Neues und die Freiheit, Altes loszulassen», betonte der Kirchenbundspräsident. «Vor uns liegen Jahre voller Herausforderungen, unsere Kirche weiterzuentwickeln, neu aufzubauen.»
Gemeinsamer Kongress 2013
Im Oktober 2013 werden Kirchenbund und EKD in Zürich gemeinsam einen Fachkongress zum Jubiläum durchführen. Reformierte und Lutheraner beidseits des Rheins sollen 2017 gemeinsam feiern. Dies machten Kässmann und Locher mit ihrem gemeinsamen Auftritt, dem ein Besuch beim Weltkirchenrat in Genf folgte, deutlich. Nicht zur Sprache kam in Zürich, wie die Protestanten die Freikirchen einbeziehen wollen, die die Reformation weiter entwickelt und in letzter Zeit erfolgreicher als die älteren Volkskirchen operiert haben.