«Zurück zum Eisernen Vorhang»

Russland: Kein Rückzug für Denominationen und Missionen

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Leiter religiöser Denominationen und Missionen aus den USA haben klargemacht, dass sie keine Pläne haben, sich aus Russland zurückzuziehen, obwohl die neuen «Yarovaya-Gesetze» öffentliches Evangelisieren in Zukunft mit Bussen, Gefängnis oder Landesverweis bestrafen.

Das Gesetzespaket war unter dem Etikett «Anti-Terrorismus-Gesetze» von der Duma, dem russischen Parlament, am 24. Juni verabschiedet und am 7. Juli von Präsident Putin unterzeichnet worden (Livenet berichtete). Nach Angaben führender russischer Menschenrechtler nutzt die Regierung eine Katastrophe – die Bombardierung eines russischen Passagierflugzeugs im letzten Oktober – als Vorwand für den Angriff auf grundlegende Menschenrechte, einschliesslich das der Religionsausübung.

Nach den neuen Gesetzen ist es illegal, ausserhalb religiöser Gebäude zu predigen, zu evangelisieren oder religiöses Material zu verteilen. Die Behörden erhalten auch weitreichende Freiheiten, E-Mails und Telefonanrufe zu überwachen.

Christen hart getroffen

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Vladimir Putin
Aktive Christen in Russland sind von den neuen Gesetzen hart betroffen. Mitglieder der US-Kommission für internationale religiöse Freiheit verurteilten das Paket scharf. «Diese neuen, zutiefst problematischen Anti-Terrorismus-Massnahmen dienen als ein weiterer Pfeiler im Kampf der Regierung gegen Menschenrechte und religiöse Freiheit», sagte der Jesuitenpriester Thomas Reese, Vorsitzender der Kommission. «Sie machen es für die russischen Autoritäten einfacher, religiöse Gemeinschaften zu unterdrücken, friedlichen Protest zu ersticken und Menschen ins Gefängnis zu setzen.»

Hauskirchen illegal

Die neuen Gesetze verlangen eine Bewilligung dafür, andere für den Glauben zu gewinnen, und verbieten solche Aktivitäten ausserhalb religiöser Gebäude. Russland hat sehr viele «Hauskirchen», die unter den neuen Gesetzen nun illegal sind. Bussen betragen 780 US-Dollar für Individuen und bis zu 15'000 US-Dollar für Organisationen.

Nur etwa ein Prozent der russischen Bevölkerung ist protestantisch, der überwiegende Teil gehört der Orthodoxen Kirche an, die von Präsident Putin als Bollwerk des russischen Patriotismus favorisiert wird. Alle Aktivitäten evangelischer Missionare oder sonstige christliche Tätigkeiten werden als bedrohlich für die Orthodoxe Kirche wahrgenommen.

«Das drakonischte Anti-Religions-Gesetz»

Gennady Gudkov, Oppositionsführer im russischen Parlament, erklärte: «Das ist ein absolut drakonisches Gesetz; nicht einmal die alte Sowjetunion hatte solch eine repressive Gesetzgebung. Das ist ein 100-prozentiger Schritt zurück hinter den Eisenen Vorhang.» Whistleblower Edward Snowden twitterte: «Putin hat ein repressives neues Gesetz verabschiedet, das nicht nur die Menschenrechte, sondern auch den gesunden Menschenverstand verletzt. Ein dunkler Tag für Russland.»

Sergei Ryakhovsky, Präsident der Russischen Protestantischen Kirchen, beklagt: «Das ist das drakonischste Anti-Religions-Gesetz, seit Nikita Chruschtschow schwor, das Christentum in Russland auszurotten. Seit Jahren beobachten wir die grossen Veränderungen in Russland unter der zunehmend diktatorischen Regierung Putins. Religionsfreiheit ist eine Bedrohung für die gegenwärtige politische Agenda. Nur noch wenige ausländische christliche Missionen haben eine offizielle Präsenz in Russland...»

Die Leitung der «Heiligen der Letzten Tage» (Mormonen) erklärte, es gebe keine Pläne, ihre etwa 30 Missionare aus Russland zurückzuziehen. Die Zeugen Jehovas, deren Tür-zu-Tür-Mission jetzt ebenfalls illegal ist, beteuern, dass sie sich nie «extremistisch betätigt hätten». Der Weltrat der Adventisten kritisiert, dass hier nicht nur die Religions-, sondern auch die Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäusserung in Frage gestellt sind. Und Oleg Goncharov, Vizepräsident der Protestantischen Kirchen in Russland, erklärt: «Russland war immer ein multi-ethnisches und multi-religiöses Land, das bisher die Rechte und Freiheiten aller Menschen geachtet hat, unabhängig von ihrer Religion. (Aber dieses Gesetz) wird hunderttausende von Gläubigen aus verschiedenen Denominationen in eine sehr schwierige Situation bringen. Ganz legal wird jetzt in das Privatleben der Bürger eingedrungen und ihnen wird verboten, ihren Glauben und ihre religiösen Bedürfnisse sogar zu Hause zu decken. (Das) ist eine grobe Verletzung der russischen Verfassung und des internationalen Gesetzes.»

Zum Thema:
Seit der russischen Annexion: Krim: nur ein Prozent der religiösen Organisationen sind neu registriert
Christen protestieren: Neues Gesetz in Russland: Keine Evangelisation ausserhalb der Kirche
G.O.D. kaum betroffen: Mexiko will Haus-zu-Haus-Evangelisation verbieten

Datum: 22.07.2016
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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