Fenster zum Sonntag

Neuer Chefredaktor: «Wir versuchen, nichts zu beschönigen»

Mike Bischoff löst Jürgen Single als Chefredaktor bei «Fenster zum Sonntag» (FzS) ab. Damit bricht eine neue Ära an, denn Single hat die Arbeit aufgebaut. Wie geht es nun weiter mit der Sendung, die seit mehr 22 Jahren im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wird, und die in ihrer Art wohl einzigartig in Europa ist?

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Mike Bischoff
Mike Bischoff, Sie sind Theologe. Wie kamen Sie zu «Fenster zum Sonntag»?
Mike Bischoff: Schon als Teenager hat mich die visuelle Welt fasziniert. Ich hatte immer eine Leidenschaft für Film und Fernsehen und fotografierte und filmte auch selbst. Während des Theologiestudiums half ich bereits bei Jugendsendungen von FzS mit, als Kabelträger! 1999 war das. 2009 bewarb ich mich auf eine freie Stelle bei der Alphavision in der Redaktion von FzS. So habe ich als Quereinsteiger angefangen. Das Handwerkszeug eignete ich mir durch «learning by doing» an.

Es ist ja eine Sendung, die über Glaube in der Gesellschaft redet. Von daher ist die Auseinandersetzung mit dem Glauben unser «tägliches Brot». Die theologisch geschulte Denkweise hilft mir, Dinge einzuordnen, zu bewerten oder einen roten Faden zu ziehen. Unser Zielpublikum sind Menschen, die mit dem Glauben nichts am Hut haben. Es geht darum, immer wieder Formulierungen zu finden, wie man den Glauben kommunizieren kann. Da hilft mir das breite Wissen und der theologische Rucksack. Das journalistische Handwerk vom Fernsehen kommt dazu. Es ist eine Mischung von Journalismus, Fernseh-Handwerk und theologischem Wissen.

Ändert sich nun die Grundausrichtung der Sendung?
Nein. Wir sind keine theologische Fachsendung und auch keine Wissenssendung. Unser Credo lautet nach wie vor: «Gelebten Glauben abbilden» – über Schicksale und über Porträts von Menschen. Wie kann Glaube und Christsein heute in unserer Gesellschaft aussehen? Anhand der Geschichten versuchen wir das glaubwürdig abzubilden.

Was hat Ihnen Jürgen Single auf den Weg mitgegeben?
Jürgen Single ist natürlich ein Pionier. Er hat die Arbeit aufgebaut. Die FsZ-Geschichte ist ein Stück weit seine Geschichte, wofür ich grossen Respekt habe. Er hat uns Redaktoren immer wieder Freiheit gelassen, unseren eigenen Stil zu pflegen und nicht alle in ein Korsett zu zwängen. Auch ich will dafür sorgen, dass die Persönlichkeit der einzelnen Macher weiterhin spürbar bleibt. In der Redaktion wird auch häufig gelacht. Auch wenn es eine ernste Sache ist, haben wir immer wieder Spass. Es ist Lebensfreude da. Das möchte ich auch mit meiner eigenen Prägung einfliessen lassen.

Was werden Sie anders machen?
Es wird anders sein, weil ich eine andere Person bin. Aber ich werde sicher nicht von heute auf morgen alles auf den Kopf stellen. Ich will das würdigen, was Jürgen in diesen mehr als 20 Jahren mit sehr grosser Ausdauer und langem Atem aufgebaut hat. Intern werden wir natürlich gewisse Prozesse überprüfen. Wir sind andere Charaktere. Als jüngere Person ist mir auch der ganze Bereich Social Media und Internet näher. Das möchte ich schon mehr pushen als Jürgen, der sich selbst weniger in diesen Kanälen bewegt hat. Es ist eine Mischung von Tradition und Innovation. Einerseits schauen, was wir bis jetzt gut gemacht haben, gleichzeitig offen bleiben für Neues, damit wir nicht den Zug verpassen. In diesem Spannungsfeld sehe ich meine Aufgabe.

Hat das Einfluss auf die Form der Sendungen?
Eine Sendung dauert jetzt eine halbe Stunde, das ist relativ lang, um es unterwegs anzusehen. Darum werden wir einzelne Beiträge auskoppeln und sie extra anbieten. Die Sendung wird aber nach wie vor auf dem Fernseher laufen können. Es ist nicht absehbar, dass sich die 30 Minuten Sendezeit verändern. Die Weiterverwertung und Aufbereitung für andere Kanäle müssen wir aber noch verbessern. Auf dem Internet kann man natürlich auch Bonusmaterial anbieten, also einen Mehrwert, der über das klassische Programm hinausgeht.

Der Vertrag mit SRF läuft noch bis Ende 2018. Wenn die Sendung eines Tages abgesetzt werden sollte, gibt es dann durch die neuen Medien dennoch einen Platz für «Fenster zum Sonntag»?
Das wäre eine komplette Neuorientierung, die man sich überlegen müsste. Schade wäre es sicher, weil das ­öffentlich-rechtliche Gefäss einzigartig ist. So eine Chance bekommt man nicht so schnell wieder. Es gibt natürlich Kanäle, die praktisch nur noch online funktionieren. Man muss offen sein für alles, im Moment arbeiten wir aber nicht mit diesem Hintergedanken. Finanziell und kräftemässig können wir nicht zweigleisig fahren. Wir erhalten von SRF auch keine Signale in diese Richtung. 22 Jahre sind für eine Fernsehsendung eine sehr lange Zeit. Das zeigt, dass das Format all die Jahre Anklang gefunden hat. Darum sind wir positiv und zuversichtlich gestimmt, dass die Geschichte weitergeht.

Was macht den Glauben heutzutage glaubwürdig?
Die Ehrlichkeit ist uns sehr wichtig. Wir versuchen, nichts zu beschönigen. Das spricht die Leute heute an. Wir zeigen, was der Glaube Positives bewirken kann, stehen aber auch dazu, wenn sich Dinge nicht verändern, wenn Nöte und Schmerz trotz des Glaubens vorhanden sind. Wenn es uns gelingt, solche Prozesse, die Menschen durchmachen, nicht zu vereinfachen oder als «heile Welt» zu präsentieren, dann ist es glaubwürdig. Wir wollen Menschen zeigen wie du und ich, die im Leben stehen, die aber merken, dass der Glaube darin einen Unterschied machen kann. Wir suchen bodenständige Leute und keine «geistlichen Überflieger», die weder Probleme, Konflikte noch Versuchungen haben.

Da finden Sie immer genügend Leute?
Manchmal geht es schnell und manchmal ist es eine Feuerwehrübung. Manchmal rückt der Drehtermin näher und wir haben noch niemanden. Es ist schon eine der grössten Herausforderungen, die richtigen Leute zu finden. Sie müssen einigermassen telegen sein, über das Erlebte verständlich reden können. Dazu muss man Bildgeschichten finden, die das Ganze transportieren können. Die Sendungen stehen und fallen mit den Protagonisten.

Was kommen für Rückmeldungen vom säkularen Publikum?
Interessanterweise sind es häufig Rückmeldungen, man habe «zufällig» in die Sendung gezappt. Vielleicht scheut man sich zuzugeben, regelmässig FzS zu schauen. Aber es gibt immer wieder Leute, die sagen: «Ich gehe nicht in die Kirche, habe mit Glauben nichts am Hut, aber das fasziniert mich.» Fernsehen ist natürlich ein relativ passives Medium. Bis der Zuschauer sich meldet, braucht es viel. Unsere Protagonisten bekommen oft ein viel direkteres Feedback. Viele sind überrascht, wie viele von ihrem nichtkirchlichen Umfeld die Sendung jeweils anschauen.

Viele Zuschauer schrei­ben uns, dass unser Programm ermutigend und positiv ist, dass es Neugier und Hoffnung weckt, selbst etwas im Leben zu verändern. Wenn das gelingt, wäre es traumhaft.

Zur Person

Mike Bischof, 43, wohnt in Steffisburg bei Thun, ist verheiratet mit Marisa, 3 Töchter im Alter von 7, 5 und 2 Jahren

Theologiestudium STH Basel (lic. theol.) 1995-2000, Pastor Evangelische Gemeinde Basel (2000-2006), Studienleiter IGW Basel (2001-2005), Leiter Handelsschule Minerva Bern (2007-2009), Redaktor ALPHAVISION, Magazin Fenster zum Sonntag (2009-2017), seit 1. Juni 2017 neu Chefredaktor

Das ganze Interview finden Sie im ideaSpektrum Nr. 24 / 2017.

Zum Thema:
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Datum: 17.06.2017
Autor: Christof Bauernfeind
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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