Aufgrund des Krieges in
Berg-Karabach verfasste die EVP einen Offenen Brief an Aussenminister Ignazio
Cassis. Livenet veröffentlicht diesen im Wortlaut und lässt Parteipräsidentin
Marianne Streiff ebenso zu Wort kommen wie Nik Gugger, Mitglied des Europarats,
Delegation Schweiz und Mitglied der aussenpolitischen Kommission.
Marianne Streiff und Nik Gugger (Bild: EVP Schweiz)
Kaum veröffentlicht, zieht der
Offene Brief der EVP an Aussenminister Ignazio Cassis breite Kreise. Auf Nik Guggers Nationalrats-Facebook-Seite wurde
der Offene Brief bereits rund 6000 Mal angeschaut und rund 50mal geteilt.
«Erschreckend, wie armenische Christen angegriffen werden»
«Wir verfassten den Brief, weil der
Krieg nach einer kurzen Waffenruhe wieder aufflammte», erklärt Nationalrat und
EVP-Vizepräsident Nik Gugger. Es stehe der Schweiz gut an, «dass wir uns zu
Wort melden und unsere guten Dienste und unsere Diplomatie anbieten». Es sei erstaunlich, dass andere Parteien sich dem Thema noch nicht angenommen haben.
«Es ist erschreckend, wie die
armenischen Christen immer wieder angegriffen und vertrieben werden»,
bilanziert EVP-Präsidentin und Nationalrätin Marianne Streiff. «Diesem Volk
widerfährt seit einer langen Zeit in seiner Geschichte eine grosse Ungerechtigkeit.
Da wollen wir nicht zuschauen. Sie sind eines der ersten christlichen Völker
und immer in Gefahr, ausgerottet zu werden.»
Minderheiten unter Druck
Wie die EVP im Offenen Brief
festhält, kämpft die Türkei gegen diese christliche Minderheit in der Region, ähnlich wie sie auch die Assyrer und Christen generell im eigenen Land
im Visier hat (Livenet berichtete) und
unter Erdogan mittlerweile sogar nach Jerusalem schielt.
Werden die Assyrer ebenfalls zum
Thema? «Im Moment sind wir da nicht aktiv daran, aber auf dem Radar ist das
Thema bei uns schon immer», sagt Marianne Streiff-Feller. «Wir können die Augen
nicht davor verschliessen, dass es die Christen da schwer haben und man ihnen
immer weniger Raum lässt. Das gibt mir zu denken und erschüttert mich, wir
müssen da hinschauen.»
Das Einstehen für die unterdrückten
Minderheiten ist von grosser Bedeutung, hält Nik Gugger fest. «Enorm wichtig
ist, dass man ganzheitlich hinschaut: Interkulturell und interreligiös zum Schutz
für alle Minderheiten – auch jene der Christen.»
Dauerauftrag an den Bundesrat
Dies gilt weltweit, beispielsweise
in Nigeria, dem Land, in dem gegenwärtig am meisten Menschen wegen ihres christlichen Glaubens sterben. «Wir
müssen auf der ganzen Welt hinschauen, auch auf Nigeria, wo Boko Haram die
Christen verfolgt. Dies ist im 21. Jahrhundert nicht würdig. Auch dies gilt es
zu verurteilen, leider ist auch dieser Konflikt in der Weltöffentlichkeit zu
wenig bekannt, ebenso wie andere Kriege», sagt Nik Gugger.
Vor rund vier Jahren reichte
Marianne Streiff eine Motion ein, die überweisen wurden und verlangt, dass der
Bundesrat die Religionsfreiheit bei Treffen mit Delegationen anderer Nationen
anspricht. «Es ist ein Dauerauftrag, dass hingeschaut wird. Wir sind ein
neutrales Land und es ist nicht opportun, dass man sich einmischt. Es stellt sich
die Frage, wie man das Thema adressieren kann. Bei Konflikten wie in Berg-Karabach
sollen wir vermitteln und durch humanitäre Hilfe unterstützen.»
Der Offene Brief im Wortlaut:
«Das Kriegstreiben in Berg-Karabach
geht weiter. Die Waffenruhe wurde bereits wieder gebrochen und es ist kein
Waffenstillstand in Sicht. Der Krieg zeigt Anzeichen eines erneuten Genozids.
Die EVP Schweiz ist darüber sehr besorgt. Sie fordert deshalb den Bundesrat in
einem offenen Brief an Aussenminister Ignazio Cassis dazu auf, ein
unverzügliches Ende der Aggressionen in Berg-Karabach zu verlangen und jeglichen
Export von Kriegsmaterial an die anti-armenische Koalition zu verbieten.
Ende September startete
Aserbeidschan einen Angriff auf Berg-Karabach und bombardierte dabei auch
zivile Ziele wie die Hauptstadt Stepanakert. Schweres Artilleriefeuer
und Raketenluftangriffe verursachten massive Schäden an Häusern, Krankenhäusern
und Schulen und trieben viele Familien zur Flucht. NATO-Mitglied Türkei
unterstützt den Angriff. Eine vereinbarte Waffenruhe wurde bereits wieder gebrochen,
die militärischen Aktivitäten halten an.
Anzeichen eines erneuten Genozids
Der aktuelle Krieg zeigt ähnliche
Anzeichen wie 1915 der Völkermord an armenischen Christen durch die Türkei
sowie die ethnischen Säuberungen, die Aserbeidschan in Berg-Karabach in den
frühen 1990er Jahren an den Armeniern durchführte.
EVP fordert unverzügliche und
unmissverständliche Stellungnahme.
Die EVP Schweiz ist deshalb sehr
besorgt und fordert den Bundesrat in einem offenen Brief an Bundesrat Ignazio
Cassis auf, im Namen der Schweiz umgehend Stellung zu beziehen, das
Kriegstreiben zu verurteilen und ein unverzügliches Ende der Aggressionen zu
verlangen.
Verbot von Kriegsmaterialexport
Auch bittet sie darum, die
humanitäre Hilfe der Schweiz zu beschleunigen und jeglichen Export von
Kriegsmaterial an die anti-armenische Koalition zu verbieten. Sie ist
überzeugt, dass die Schweiz in diesem Konflikt auf Basis ihrer humanitären
Grundwerte ihre guten Dienste anbieten kann und muss.
Ein Wegschauen und Schweigen wäre
der Schweiz unwürdig und widerspräche ihrer humanitären Tradition zutiefst. Die
Genfer Konvention wird in diesem Krieg fortlaufend missachtet und mit Füssen
getreten. Dies darf nicht unbeantwortet bleiben.»