Ergebnis einer neuen Studie

«Direkte Demokratie behindert religiöse Minderheiten»

Die direkte Demokratie erschwere und verzögere die Gleichstellung religiöser Minderheiten in der Schweiz. Allerdings hänge das stark von der Wahrnehmung durch die Mehrheit ab. Muslime etwa seien als Ausländer und nichtchristliche Minderheit gleich doppelt betroffen.

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Zu diesem Schluss kommt eine am 1. Februar veröffentlichte Untersuchung der Universität Bern im Rahmen eines Nationalen Forschungsprogramms, meldet das reformierte Internetportal ref.ch. Die Forscher nahmen 21 Volksabstimmungen über religiöse Minderheiten aus den letzten 120 Jahren unter die Lupe.

Angst vor der Abstimmung

Darin zeigte sich, dass die Volksentscheide durchs Band negativ für die Minderheiten ausfielen, ihre Gleichstellung verzögerten oder zu strengeren Gesetzen führten. Jedoch wirkten sich nicht allein die Instrumente Initiative und Referendum negativ auf die Minderheiten aus.

Eine entscheidende Rolle spielte die Strategie der Behörden und des politischen Establishments. Obwohl die politische Elite die Rechte der Minderheiten in vielen Fällen anerkannte, scheute sie einen Entscheid im parlamentarischen Prozess aus Angst vor dem Abstimmungskampf bei einem Referendum.

«Taktisch vorgehen»

Die Forschenden der Uni Bern empfehlen den Behörden, Vorlagen über Minderheiten eher im Rahmen ganzheitlicher Verfassungsrevisionen vorzulegen als in einzelnen Verfassungsartikeln. Dadurch sinke die Gefahr emotional aufgeladener Diskussionen. Bei Volksinitiativen gehe das allerdings nicht.

Neben der Behördentaktik sind Wertehaltungen in der Bevölkerung gegenüber religiösen Minderheiten bedeutend. Wer für eine offene Schweiz plädiert, ist in der Regel für die Minderheiten. Traditionell Orientierte hingegen nehmen eine ablehnende Haltung ein. Dem liegt gemäss der Untersuchung die Angst vor Fremden und vor dem Verlust der schweizerischen Kultur zugrunde.

Wenn Behörden und Parteien diese Befürchtungen nicht ernst nehmen und rein juristisch argumentieren, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Votums gegen die Minderheiten - wie die Anti-Minarett-Initiative beweist. Gefordert sind in solchen Abstimmungen die Mitteparteien. Operieren sie lasch oder äussern sie sich gegen die Minderheit, folgen ihre Anhänger den Parolen der Rechten.

Fremde Wertvorstellungen

Eine weitere Rolle spielen die Minderheiten selbst. Gelten sie als schlecht integriert und vertreten sie fremde Wertvorstellungen, haben sie laut Studie kaum Hoffnung auf Unterstützung durch das Stimmvolk.

Datum: 03.02.2011
Quelle: ref.ch

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