Ehrlich glauben

Kein Problem – keine Medizin

Wie viel Zeit verbringen Sie mit Bibellesen? Eine kleine Frage, die bei vielen Christen Schuldgefühle auslöst. Warum? Erfrischend ehrlich geht Ulrich Eggers in seinem Buch «Ehrlich glauben – Warum Christen so leicht lügen» dieser Frage nach. Ein Textauszug.

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Vor einiger Zeit veröffentlichte der Bibellesebund die Ergebnisse einer Umfrage. 77 Prozent der Leser seiner Bibellesehilfen lesen täglich in der Bibel. Nun ja, interessant. 77 Prozent des harten Kerns der Lesewilligen lesen tatsächlich. Klingt mehr wie eine Selbstverständlichkeit als ein Erfolg. Und sagt irgendwie nicht viel – ausser, dass da wieder mal zufrieden eine grosse Prozentzahl für die Bibel genannt wird. Aber was ist mit den Christen generell?

Meine Arbeitsthese über das Leben ist, dass es allen anderen auch nicht so völlig anders gehen wird als mir selbst – egal, was die politisch-korrekte Version des frommen Lebens ist. Das stimmt zwar nicht immer, aber oft liege ich damit verblüffend richtig. Also startete ich eine Umfrage in meinem Hauskreis, alles engagierte Mitarbeiter, feine fromme Leute. «Jetzt mal ehrlich: Wer von euch liest gerne in der Bibel?» Wissendes Lachen – und ein klares Ergebnis: Drei von fünf Frauen, ein halber von vier Männern melden sich. Knapp 40 Prozent, interessant. Fragt sich natürlich, wie dieses Bild für die gesamte Gemeinde aussieht. Besser?

Was ich damit sagen will? Nichts Schlechtes – schon gar nichts gegen die Bibel. Aber etwas Wahres: Ganz offensichtlich lesen wir Christen weit weniger gern und häufig in der Bibel, als wir es offiziell wahrhaben wollen. Vielleicht sollten wir mal ein Jahr der Bibel machen – aber für uns selbst. In so einem Jahr könnten wir dann untersuchen, warum es uns so schwerfällt, in Bezug auf unser wichtigstes Buch ehrlich und realistisch zu sein. Und was man dagegen tun könnte, dass wir etwas, was wir alle angeblich so wichtig finden, persönlich und tatsächlich weit weniger wichtig nehmen als unser politisch korrekter Posaunenton es bläst. Und von welcher Wirklichkeit wir eigentlich ausgehen, wenn wir über den Stellenwert der Bibel in unseren Gemeinden reden. Der erwünschten, pädagogisch hoch gehaltenen – oder der wahren?

Wenn zum Beispiel alle denken, dass jeder gerne in der Bibel liest und das sehr fruchtbar und spannend findet, dann kann sich Otto-Normal-Christ eigentlich nur ziemlich mies fühlen, weil das ausgerechnet bei ihm wieder mal anders ist, als immer gesagt wird. Wenn es aber eine Mehrheit wäre, die sich damit eher schwertut, dann könnte man ja eine riesige Selbsthilfegruppe gründen und ganz schamlos überlegen, wie man dieser offensichtlichen Unlust am besten begegnen könnte. Denn es stimmt ja – und dafür bin auch ich ein starker Verfechter: Ohne festes biblisches Fundament können wir als Christen nicht leben. Und wenn wir uns einig wären über die Probleme, die da viele zunehmend zu haben scheinen, dann könnten wir gute Ratschläge austauschen, gemeinsam zum Arzt gehen – und vielleicht am Ende etwas gesünder werden. Aber da wir ja alle viel Spass am Lesen der Bibel haben (ausser mir...), können wir natürlich schlecht etwas dagegen tun – weil ja alles in Ordnung ist. Kein Problem – keine Medizin.

Was mich gelegentlich am meisten wundert, ist der Optimismus, mit dem wir Christen anderen so gerne Bibeln schenken und meinen, dass es sehr gut wäre, wenn (jedenfalls) sie dieses wichtige Buch lesen. Die Wahrheit ist doch eigentlich: Wenn wir schon mehrheitlich wenig Lust dazu haben – wieso sollen dann ausgerechnet Nichtchristen so ohne weiteres Aha-Erlebnisse dabei bekommen? Natürlich, ich verstehe die gute Absicht und den frommen Wunsch hinter solchen Aktionen. Und der Heilige Geist kann Menschen überall und immer treffen. Aber müssten wir angesichts unserer eigenen Leselust-Probleme mit diesem ja gar nicht so einfach zu verstehenden Buch nicht zuerst...

  • ... dieses Thema schnellstmöglich aus der Schmuddelecke des schlechten Gewissens holen, damit uns die Wahrheit über die Unlust vieler frei machen kann?
  • ... bedenken und erkennen, wie wir selber wieder mehr Lust an der Bibel gewinnen können und was da praktisch zu tun wäre?
  • ... leichter lesbare und in ihrer Bedeutung besser erklärte Versionen der Bibel kreieren (vielleicht – oh Grauen! – eine «Reader's Digest»-Version – eine Kurzfassung mit vielen Erklärungen...) und sie mit so viel Hilfe und Begleitung verschenken, dass sie die Empfänger auch wirklich verstehen?

Wer so schreibt wie ich hier, wird unter uns schnell als Nestbeschmutzer gesehen. Als Defätist, der die eigenen Kampflinien aufweicht und den klaren Posaunenschall für die Wichtigkeit der Bibel verwässern will. Das Gegenteil ist der Fall! Wenn es nötig scheint, erkläre ich hiermit sogar rituell, dass auch ich die Bibel auf die berühmte einsame Insel mitnehmen würde – gemeinsam mit einem guten Gesangbuch.

Nur eben: Auch die Wahrheit ist mir wichtig. Und die scheint mir bei diesem Thema oft aus pädagogisch-therapeutischer Absicht gebeugt zu werden. Meines Erachtens hilft es aber niemandem, die Situation schönzureden. Helfen würde es, wenn diejenigen, die Probleme mit dem regelmässigen Lesen ihrer Bibel haben, das einfach ehrlich zugeben könnten. Nein, es ist keine Untat und Charakterschwäche – wir sind da einfach verschieden. Im Übrigen ist alles sowieso immer so, wie es ist – und nicht, wie es aus guten Gründen sein sollte. Und wenn wir alle einfach sagen könnten, wie es ist, dann könnten wir anschliessend jedenfalls gemeinsam kämpfen, weil keiner sich schlecht fühlen muss.

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Cover des Buches «Ehrlich glauben: Warum Christen so leicht lügen» von Ulrich Eggers
Zum Buch
Titel: Ehrlich glauben - Warum Christen so leicht lügen
Autor: Ulrich Eggers
ISBN: 978-3-417265-51-4
Verlag: SCM R.Brockhaus
Erscheinungsdatum: 25.09.2013
Seiten/Umfang: gebunden, 208 S., mit Schutzumschlag

Webseiten:
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Zum Thema:
Tipps zum Bibellesen

Datum: 25.09.2013
Autor: Ulrich Eggers
Quelle: SCM R. Brockhaus

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