Warum Sie nicht so viel in der Bibel lesen sollten
Wer
darüber nachdenkt, wie Glaubenswachstum funktioniert und wie er oder sie
besser, schneller, deutlicher wachsen kann, stösst schnell auf eine typische
Antwort: «Lesen Sie in der Bibel.» oder «Lesen Sie mehr in der Bibel.» Der
US-Pastor Jim Egli sagt dazu herausfordernd: Falsch.
Egli ist nicht gegen das Bibellesen. Der Pastor
einer Vineyard-Gemeinde in den USA wendet sich nur gegen das gebetsmühlenhafte
Wiederholen der Aufforderung, in der Bibel zu lesen. Stattdessen hält er fest:
«Wir sollten aufhören, den Menschen zu sagen, dass sie die Bibel studieren
sollen, und anfangen, ihnen zu sagen, dass sie darüber nachdenken und sich
daran erfreuen sollen.»
Die
Bibel sagt wenig zum Bibellesen
Eigentlich sollte es niemanden überraschen, dass in
der Bibel selbst nur sehr selten davon die Rede ist, die Bibel zu lesen. Ihre
Bücher sind in einer Zeit entstanden, die viel «mündlicher» war als unsere.
Relativ wenige Menschen konnten lesen, aber das Auswendiglernen und Erzählen
von Texten war weit verbreitet. So ist das Lesen oder Studieren der Heiligen
Schrift etwas, das darin zwar vorkommt, aber eben nur unter anderem. Viel
häufiger fordert die Bibel dazu auf, ihre Inhalte zu bedenken, zu erinnern,
weiterzuerzählen. Sie redet davon, zu gehorchen und nachzufolgen. All dies ist
kein Gegensatz zum Lesen in der Bibel. Es unterstreicht allerdings, dass dieses
Lesen kein Allheilmittel ist.
Typisches Beispiel dafür ist Psalm 119. In 176
Versen, die nach dem hebräischen Alphabet sortiert sind, fordert der Psalmist
seine Beter und Sänger 176 mal dazu auf, die Wunder am Gesetz zu sehen, darüber
nachzudenken, sich darauf zu verlassen, ihm zu gehorchen und immer wieder daran
zu freuen: «Ich habe meine Lust an deinen Anweisungen; dein Wort vergesse ich
nicht» (Psalm 119,16).
Das
Problem ist unsere Vergesslichkeit
Dieses Vergessen ist einer der zentralen Punkte im
Glaubensleben. Wenn Christen ihre Stille Zeit oder Morgenandacht halten, dann
bekommt das Bibellesen manchmal einen unbewussten Charakter. Ein Beispiel: Wenn
Sie jemanden sehen, der gerade auf seine Uhr schaut, dann gehen Sie doch kurz
hin und fragen ihn, wie spät es ist. Was wird er tun? Ihnen die Uhrzeit sagen,
die er doch gerade abgelesen hat? Nein. Normalerweise wird er auf seine Uhr
schauen. Weil er die Zeit zwar eben gelesen, aber doch nicht behalten hat.
So ähnlich ist es beim Bibellesen. Es bildet die
nötige Grundlage für unsere Gotteserkenntnis und unser Wachsen im Glauben. Aber
mehr Lesen bringt nicht mehr Wachstum. Jetzt gilt es, etwas gegen unsere
Vergesslichkeit zu tun: zum Beispiel durch Nachdenken oder Umsetzen. Jakobus
bringt dies sehr deutlich auf den Punkt, wenn er in seinem Brief mahnt: «Denn
wer nur Hörer des Wortes ist und nicht Täter, der gleicht einem Mann, der sein
natürliches Angesicht im Spiegel anschaut; er betrachtet sich und läuft davon
und hat bald vergessen, wie er gestaltet war. Wer aber hineinschaut in das
vollkommene Gesetz der Freiheit und darin bleibt, dieser Mensch, der kein
vergesslicher Hörer, sondern ein wirklicher Täter ist, er wird glückselig sein
in seinem Tun»(Jakobus, Kapitel 1, Verse 23-25).
Reaktion
ist gefragt
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin nicht gegen
das Lesen oder Studieren der Bibel. Das ist manchmal wundervoll – und manchmal
ermüdend, wie schon Salomo wusste (Prediger, Kapitel 12, Vers 12).
Aber Gottes Wort will nicht in erster Linie studiert werden, es will gelebt
sein. Glaube will nicht erlesen werden, er will sich im Gehorsam entfalten. Wer
auf diese Weise vom Bibelleser und Gläubigen zum Täter wird, dem gibt Jakobus
das Versprechen mit: «Er wird glückselig sein in seinem Tun».
Es geht nicht nur um den Titel, man muss genau lesen. Egli (falls er richtig wiedergegeben wird) tut so, als gehe es ihm um das richtige Verhältnis zwischen Glauben und Praxis. Unter dem Strich möchte er aber das Bibellesen madig machen, was die meisten aber merken (s. meine und andere Kommentare). Sätze wie «mehr Lesen bringt nicht mehr Wachstum» stimmen nur für das Lesen ohne Heiligen Geist. Bibelstudium und Nachfolge gehen Hand in Hand. Es ist kein guter Stil, dass solche Artikel in der neuen Version wieder nach vorne gebracht werden, wo man sich als Leser nicht mehr wehren kann.
Submitted by Piit on 22. März 2022 - 10:42.
Der Titel wurde doch bewusst provokativ gewählt! Vielleicht kennen einige den Vergleich mit dem Haus auf Fels bzw Sand am Ende der Bergpredigt. Das Umsetzen ist der Unterschied! Beide hören das Wort, doch nur derjenige, der es tut, steht felsenfest. Was ich beobachte: einerseits herrscht wenig Bibelkenntnis, andererseits wird sehr selektiv die Bibel gelesen (Lieblingsstellen als Horoskop?). Dies hat zur Folge, dass oft eine einseitige Theologie geglaubt wird. Viele Spaltungen könnten verhindert werden, wenn man die ganze Bibel berücksichtigen würde und Spannungen im biblischen Zeugnis stehengelassen würden (Arminianer-Calvinisten, Charismatiker- Pietisten, Gottes Liebe- Gottes Zorn, etc.).
Submitted by Bessim Yeniah on 4. November 2018 - 18:34.
Da Bibel Gottes Wort ist, weißt auch am besten Gott ob,wie viel und auch wann jemand in der Bibel lesen sollte.Denn genauso wie ein zu viel von Essen zu Gift werden kann, gilt das auch für andere Dinge.Alles hat seine Zeit und braucht seine Zeit,denn wie es die Zeit der Freude und der Trauer gibt,so gibt es auch die Zeit des Lesens und die Zeit des Nichtlesens. Oder anders ausgedrückt: Jedem das Seine...
Außerdem beschränkt sich Gott auch nicht nur auf ein Kommunikationskanal, denn seine Schöpfung ist vielfältig und Gott weißt am besten zu wem wie und wann ein Zugang gefunden werden kann.Christsein ist mehr als viel in der Bibel zu lesen oder dies im richtigen Verhältnis zum Umset
Submitted by pisteuo on 9. August 2019 - 7:46.
Sie haben offenbar den Artikel nicht richtig verstanden. Es geht nicht darum, den Leuten vorzuschreiben, wie oft sie die Bibel lesen sollen, das ist Sache jedes Einzelnen. Hier wird ein unsinniger u. schädlicher Gegensatz zwischen Lesen und Nachfolgen konstruiert, als stünde das eine dem andern im Weg. Man soll sich zwar Kenntnis des Wortes zulegen - aber bloss nicht durch häufiges Lesen! (intravenös?) Die Offenbarung durch die Schöpfung ist derjenigen durch das Wort untergeordnet, nur dieses gibt uns das genaue Wissen über Gott und Glauben. Die Analogie zum Gift ist deplatziert, weil Gott uns ermuntert, uns "Tag und Nacht" mit seinem Wort zu befassen (Ps 1), er setzt nach oben keine Limite.
Submitted by Schäfchen Jesu on 15. September 2018 - 6:09.
Ich habe mir eine sehr grosse Sammlung von Bibelversen angelegt, die mich ansprechen (ermutigend, korrigierend,sowie weitere Gesichtspunkte). Mehr als 3000!
Dazu habe ich mir Programme gebastelt bzw. programmieren lassen unter verschiedenen Betriebssystemen (Windows; Windows Phone; IOS für iPhone bzw. iPad), die mir jeweils einen Vers auslosen.
Folgenden Vers habe ich gerade für diesen Kommentar ausgelost: Hiob 28, 13(Anfang)+15
"Kein Mensch erkennt den Wert der Weisheit. Sie ist unbezahlbar, mit Gold und Silber nicht aufzuwiegen."
Wer könnte so ein Programm für Android-Handys programmieren (mit verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten)? Auch das IOS-Prog. sollte erneuert/verfein
Submitted by Brigitte on 14. September 2018 - 10:20.
Guten Morgen,
ich bin ich ohne eigenen Plan und Absicht, in meinem Inneren von Gott gerufen und geführt worden und kam ohne jedes Bibelstudium oder Lesen, wie die "Jungfrau zum Kinde" und bin seit 2016 überzeugte und bekennende Christin.
Auf meinem Weg sind mir viele Christen begegnet, die sagten, das geht so nicht! Mein Leben bezeugt jedoch, dass der, der von Gott gerufen wird, IHM antwortet und IHM folgt, das Wort innerlich hören, erfahren und ganz danach leben kann.
Auch erfahre ich, dass alles seine eigene Zeit hat. Gottes Zeit. ER hat mich nun zum Lesen der Bibel geführt und mit Erstaunen finde ich darin,was mir geschah und geschieht und für mich ist das Leben mit Gott
Submitted by Hauke Burgarth on 14. September 2018 - 8:24.
Danke für die kritischen Rückmeldungen. Zwei kurze Antworten darauf:
- Ja, wir sollten weiterhin in der Bibel lesen. Aber eben im richtigen Verhältnis zum Umsetzen.
- Sie gehen in Ihren Reaktionen davon aus, dass dieser Artikel an postmoderne Millenials gerichtet ist, die sowieso kaum in der Bibel lesen. Das ist falsch. Dieser Text richtet sich an mich selbst und an Sie, die wir genau aus der Generation zu kommen scheinen, die das "Hauptsache, ich lese in der Bibel und weiß, was richtig ist", so internalisiert haben, dass die Praxis oft genug darunter leidet. Und die wir durch unser Verhalten die junge Generation negativ mitgeprägt haben.
Submitted by fae on 13. September 2018 - 16:16.
Einverstanden, Wachstum geschieht durch Nachdenken und umsetzen. Aber ich kann erst dann über etwas nachdenken bzw. es implementieren, wenn ich es im Kopf habe. Mit anderen Worten: Was nicht im Kopf ist, kann auch nicht im Herzen sein bzw. zu den den Händen und Füssen gelangen. Ich finde es bedenklich, wenn wir im Zeitalter des biblischen Analphabetismus den Leuten raten, noch weniger die Bibel zu lesen. Das Gegenteil muss der Fall sein, denn je mehr ich mich Gottes Wort aussetze - auch durch durchaus gute Rituale wie tägliches Bibellesens in der Familie oder wöchentliche Textlesung im Gottesdienst in der Kirche - desto mehr wird Gottes Reden mein Denken und Handeln prägen und verändern.
Submitted by Brigitte on 14. September 2018 - 10:23.
Guten Morgen!
Ich erfahre es genau umgekehrt. Gott berührt mich und ruft mich im Herzen, ich gehe damit schwanger, lass es geschehen, sage "Ja" dazu und verstehe es erst später.
Also Herz vor Kopf und dass das der Weg mit Gott ist, wie ihn uns auch Maria schon vorgelebt hat, als sie das wahre Leben empfing, bezeuge ich mit meinem eigenen Leben.
Herzlichen Gruß
Brigitte
Submitted by pisteuo on 13. September 2018 - 9:42.
Es hilft, nicht nur zu überprüfen, von welcher Seite ein Vorschlag jeweils kommt, sondern auch, ob nun gerade dies für unsere Zeit wirklich am dringendsten ist. Die Umsetzung des Glaubens in die Praxis ist ein altes, aber natürlich immer aktuelles Thema. Aber ob es nötig ist, einer postmodernen Christenheit zu raten, noch weniger in der Bibel zu lesen? Bibelkenntnis ist heute sowieso immer weniger vorhanden (1/3 der evangelikalen "Millennials" glauben nicht mehr, dass Jesus Christus der einzige Weg zu Gott ist). Auch wird die Bibel immer weniger als unfehlbares Wort Gottes respektiert. Muss wirklich vor zu viel Bibel gewarnt werden? https://www.youtube.com/watch?v=CHybYBa9jDk&t=81s
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