Theologie

Jesus wie er leibt und lebt – heute

Wie ermächtigt Christus die Kirche, ihre Sendung zu leben und den Auftrag umfassender zu erfüllen, den er ihr gegeben hat? Diese philosophische Frage stand letzte Woche im Zentrum einer theologischen Tagung im Aargau.

Dass die Kirche ihre Bestimmung klarer erfasst und ihr Handeln darauf ausrichtet: dies erstrebt eine neuere Denkrichtung, die unter der Flagge «missionale Theologie» segelt. Es geht dabei nicht um eine Nabelschau, sondern um den Blick auf die Menschen der heutigen Gesellschaft, die zunehmend  in Milieus zerfällt.

Missional leitet sich vom lateinischen Wort mittere (senden) ab. Gott hat sich in seinem Sohn Jesus Christus uns Menschen zugewandt. Wie die Kirche diese Sendung weiterführt, wie sie die Fülle von Christus Menschen heute vermittelt, beschäftigte am 18. und 19. Januar 20 TheologInnen auf dem Herzberg bei Aarau. Das Zürcher Institut für Gemeindebau und Weltmission (IGW) hatte einen Kreis von Theologen zu einem zweiten «Think Tank» eingeladen, um den Fokus von «missionaler Christologie» zu präzisieren. Dies geschah in der Diskussion der Thesen von drei Referenten.

Christusbilder im Wandel

Das Bild von Jesus Christus ändert sich in der Geschichte: Die Christologie, die Lehre von seiner geheimnisvollen Person und seinem Werk, spiegelt die kulturelle und soziale Entwicklung. Der Erlanger Kirchenhistoriker Peter Aschoff brachte vier Thesen aus neutestamentlicher Sicht auf den Herzberg. Er sprach von der Gefahr, der jede Generation unterliegt, wenn sie die Bibel liest: ihre eigenen Sehnsüchte und Konzepte auf Jesus zu projizieren. So mag der ungezähmte, «radikale» Jesus der letzten Jahrzehnte eine neo-romantische Projektion sein: Entwächst er den Sehnsüchten jener, die innerlich unerfüllt als brave Rädchen der Dienstleistungsgesellschaft funktionieren?

Erlöser-Sehnsüchte

Eine missionale Christologie will darum genauer hinsehen, wie der Wanderprediger Jesus die Erlöser-Sehnsüchte seiner Zeitgenossen (nicht) erfüllte. «Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?» Die Frage, die auf den Kern seiner Sendung ging (Die Bibel, Matthäusevangelium, Kapitel  11, Vers 3), beantwortete Jesus indirekt, mit dem Verweis auf Zeichen und Wunder – und dass Armen die Frohbotschaft verkündigt wird. Die Gruppe bejahte Aschoffs These, dass aufgrund des Handelns von Jesus als Messias die Wirklichkeit heute «im Blick auf den kommenden, sich erbarmenden Gott und seinen verheissenen Schalom (Frieden)» zu deuten ist. Jesus enttäuschte populäre Erwartungen, als er sich für den Anbruch der befreienden Herrschaft Gottes selbst hingab; diesem «eigensinnigen Entschluss Jesu» sei zu folgen.

Prophetie erfüllt

Der IGW-Dozent Rainer Ebeling forderte in seinem Vortrag, die christliche Dogmatik (Glaubenslehre) sei von der missionalen Christologie her neu zu erarbeiten und zu gliedern. Ihr Ansatzpunkt ist nicht im Menschen, «sondern im sendenden und gesandten Gott begründet und somit transzendent». Betont wird auch der spezifisch kulturelle Kontext, in dem die Sendung Jesu, in Erfüllung alttestamentlicher Verheissungen, geschah.

Als Gemeinschaft auf dem Weg

Björn Wagner, IGW-Studienleiter in Karlsruhe, trug Thesen aus praktisch-theologischer Sicht bei. Christus habe, indem er die Gemeinschaft mit dem Vater im Himmel hielt, seine Sendung erfüllt. «So ist die Gemeinde aufgerufen, Gemeinschaft zu sein und zugleich den Sendungsauftrag zu erfüllen.» Die auf dem Herzberg erarbeiteten Thesen werden intern weiter diskutiert und in einigen Wochen veröffentlicht. Der Zürcher IGW-Studienleiter Michael Girgis, der durch die zwei Tage führte, zog gegenüber Livenet eine positive Bilanz: «20 Leitungspersönlichkeiten miteinander reden, lachen, diskutieren, essen, trinken und feiern zu sehen, und dabei zu erleben, was zustande kommen kann, wenn Menschen kooperieren und gemeinsam an etwas arbeiten: faszinierend und phantastisch.»

Datum: 26.01.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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