Spannungsfelder in Gemeinden

Umgang mit Konflikten

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Gott hat den Gläubigen die Botschaft der Versöhnung gegeben. Gleichzeitig ist Versöhnung innerhalb der Gemeinde stark umkämpft. Es lohnt sich, die Versöhnung von Jesus als Vorbild zu nehmen.

Menschen haben ganz unterschiedliche Vorstellungen über den Umgang mit Konflikten. Während einige das Gefühl haben, Probleme würden unter den Teppich gekehrt, können es andere gleichzeitig so empfinden, als würde auf längst vergangenen Ereignissen sinnlos «herumgeritten». Solche unterschiedlichen Vorstellungen über den Umgang mit Konflikten können zu neuen Konflikten führen.

Vergeben und weiter gehts

Eine häufige Grundhaltung von Christen in Konflikten ist so etwas wie ein «Vergeben und weiter gehts». In manchen Situationen mag dies angemessen sein. Stellen wir uns aber eine Frau vor, die ihrem Mann nach dessen Seitensprung sagt: «Ich vergebe dir und will jetzt nie mehr darüber sprechen.» Der Verdacht liegt nahe, dass damit tiefer liegende Probleme tatsächlich unter den Teppich gekehrt werden. Weiter stellt sich auch die Frage, inwieweit die Beziehung durch diese Art des Vergebens tatsächlich wieder hergestellt ist. Und damit sind wir auch schon bei den Themen Versöhnung und Wiederherstellung angelangt.

Versöhnung und Wiederherstellung

Für Jesus war es nicht genug, am Kreuz zu sterben, damit wir Vergebung der Sünde empfangen können. Nein, das ist nur der Anfang! Die Vergebung soll zu echter Versöhnung mit Gott und letztlich zu einer Wiederherstellung des Menschen führen. Jesus vergibt uns nicht, um uns dann uns selbst zu überlassen. Nein, er vergibt uns als Anfang einer Versöhnung. Es geht um die Gemeinschaft, welche durch die Sünde unmöglich gemacht wurde. Jesus verniedlicht unsere Sünden nicht. Er sieht sie in ganzer Schwere und zahlt einen unvorstellbar hohen Preis dafür – um Wiederherstellung zu ermöglichen.

Gott hat den Menschen geschaffen, damit dieser in inniger Gemeinschaft mit ihm lebt. In dieses Leben will er uns jetzt zurückführen und wiederherstellen, was durch die Sünde zerstört wurde. Noch einmal: Vergebung war nur der Anfang, um ein grösseres Ziel zu erreichen. Genau gleich verhält es sich auch bei zwischenmenschlicher Vergebung. Sie ist der Anfang, um zu ungetrübter Gemeinschaft zurückzufinden und das wiederherzustellen, was durch die Sünde kaputt ging.

Während Vergebung ein einmaliger Akt ist und sehr schnell geschehen kann, dauert Wiederherstellung meistens etwas länger. Nach einem Verrat muss Vertrauen neu gewonnen werden. Da dabei meist Gefühle verletzt wurden, ist Heilung Teil der Wiederherstellung. Das geschieht selten von heute auf morgen und darf nie forciert werden.

Phasen der Wiederherstellung

Es kann helfen, die Phasen der Wiederherstellung klar zu benennen. In einer ersten Phase geht es um die Vergebung, sprich die willentliche Entscheidung, dem anderen das begangene Unrecht nicht mehr nachzutragen. In der Phase der Versöhnung geht es dann darum, die Beziehung wieder herzustellen. Durch gegenseitige Aussprachen wird Verständnis für das Gegenüber gesucht. Dieser Prozess geht direkt über in eine Zeit der Wiederherstellung, welche nach schwerwiegenden Vertrauensbrüchen Monate oder sogar Jahre dauern kann.

In Gemeinden, wo Beziehungen nicht allzu tief gelebt werden, können sich diese Prozesse in die Länge ziehen und zuweilen auch versanden. Es bleiben nicht selten «unfertige Baustellen» zurück. Ein Christ sagt dann: «Ich habe vergeben, will aber mit dem anderen nichts mehr zu tun haben.» Damit werden Probleme tatsächlich unter der Teppich gekehrt. Es wäre besser zu sagen: «Ich habe vergeben und bete um Wiederherstellung der Beziehung.» Und dem Gegenüber kann es helfen, immer mal wieder ein Zeichen zu vernehmen, dass das Problem nicht einfach abgehakt ist.

Wenn es bei Beziehungen nur um den Dienst geht

Leider werden in Gemeinden manchmal nur Dienstbeziehungen gelebt. Nach einem Konflikt schaut man einfach nach einem «Ersatz» und geht dann «mutig vorwärts». Zurück bleiben verletzte Menschen, die sich nach einem Konflikt unnütz vorkommen, da ihre Bedeutung in der Gemeinde stark vom geleisteten Beitrag abhängig gemacht wird.

An dieser Stelle muss sich diese Person bewusst sein, dass sie die Gemeinde nicht verändern kann, um den eigenen Schmerz zu lindern. Nicht einmal die dahinter liegende Theologie lässt sich aus ihrer Position verändern. Sich mit dem eigenen Schmerz an Gott zu wenden, ist das Beste, was getan werden kann. Unversöhnlichkeit wird sonst erhärten und die Wiederherstellung von Beziehungen erst recht unmöglich. Und wer weiss: Vielleicht wird die gemachte Erfahrung zu einem späteren Zeitpunkt eine Hilfe sein, um andere Christen auf dem Weg der Wiederherstellung zu begleiten. Letztlich bleibt es nämlich eine Tatsache, dass es immer Konflikte geben wird – auch in christlichen Gemeinden.

Das Problem der Harmoniesucht

Harmoniesucht in christlichem Gewand ist ein verbreitetes Übel. Wir wollen Idylle, eine heile Welt. Uns selbst einzugestehen, dass wir Konflikte in unserer Mitte haben, ist ein bedrohlicher Gedanke. Dabei wird die Kraft des Evangeliums nicht in einer heilen Welt sichtbar, sondern genau dort, wo echte Versöhnung geschieht.

Viele Christen gehen Konflikten aus dem Weg, um ihre «schönen Gefühle» nicht zu gefährden. Diese Harmoniesucht führt aber dazu, dass Konflikte unter der Oberfläche weitergaren und Beziehungen an Qualität verlieren. Umgang mit Konflikten muss gelernt sein. Es geht nicht darum, diese zu suchen oder ihnen möglichst viel Raum zu geben, sondern einfach darum, Konflikte in der Tiefe zu lösen. Und hierzu braucht es Vergebung, Versöhnung und Wiederherstellung.

Zum Thema:
Spannungsfelder in Gemeinden: Schädliche Kraft durch verborgene Motive und Verletzungen
Spannungsfelder in Gemeinden: Verschiedene Weltanschauungen und Überzeugungen
Spannungsfelder in Gemeinden: Eine (un)gesunde Kritikkultur

Datum: 22.11.2020
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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