Freikirchen in der Öffentlichkeit

Besser keine Artikel als schlechte?

Nach den Erfahrungen des Religionswissenschafters Georg Otto Schmid tun Freikirchen gut daran, vorsichtig bei ihrer Medienarbeit zu sein. Artikel und Sendungen über sie seien oft negativ. Was sollen sie jetzt tun?

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Georg Otto Schmid
Im aktuellen Klima gelte für die Freikirchen das Bonmot «No News are Good News», sagte Georg Otto Schmid in seinem Referat an der Leiterkonferenz der Freikirchen (LKF) am letzen Freitag in Bern. Denn Freikirchen seien oft unfreiwillig ein Thema in den Medien. Sie könnten aber auch negative Schlagzeilen auslösen, wenn sie selbst auf die Medien zugingen.

Die LKF hatte den Leiter der «Informationsstelle Kirchen – Sekten – Religionen» zu einem Referat und zur Diskussion eingeladen, nachdem Schmid öfter mit negativen Stellungnahmen in Medien über freikirchliche Bewegungen und Organisationen aufgefallen war. Leider würden seine differenzierenden Äusserungen von den Journalisten oft nicht übernommen, bestätigte Schmid auf Anfrage. Er bemühte sich daher in Bern, auch die positiven Seiten der Freikirchen, die von der Öffentlichkeit als solche wahrgenommen würden, aufzuzeigen.

Stärken der Freikirchen

Positiv fallen demnach die Freikirchen durch gut besuchte Gottesdienste, die gute altersmässige Durchmischung und zeitgemässe Musik auf. Man nehme in der Öffentlichkeit  auch wahr, dass einsame Menschen und Aussenseiter in Freikirchen freundlich aufgenommen würden. Als positiv gelte ausserdem, dass freikirchliche Menschen zu ihren Überzeugungen stehen und diese auch im Sinne der «Praxis Pietatis» (gelebter Glaube) ausleben. Viele Menschen hielten Freikirchen-Mitglieder für «nette Menschen». Für Schmid «eine nicht zu unterschätzende Ressource» der Freikirchen.

Schlechte Feedbacks erhalten Freikirchler gemäss Schmid, wenn sie die Überzeugungen anderer kritisieren, insbesondere wenn sie diese nicht aus eigener Erfahrung kennen. Zudem seien sie im Urteil vieler Journalisten intolerant, insbesondere wenn sie sich gegenüber andern Weltanschauungen Glaubensformen und Lebensformen wie Homosexualität abgrenzen und diese als Krankheit bezeichnen.

Clichés nicht bestätigen

Gepflegt werde auch das Cliché der Fundamentalisten. Dieses werde öfter mit Büchern und Videos mit kriegerischer Sprache wie «geistliche Kampfführung» bestätigt. Als weitere Schlagseiten würden Körperstrafen für Kinder, Missionsarbeit unter Kindern oder Untergebenen und Abhängigen gewertet. Wer missioniere, gelte heute gemeinhin als Sektierer, bestätigte Schmid. Mission in andern Kulturen gelte als Kulturimperialismus. Kritisch werde ausserdem die Abgrenzung von Evangelikalen gegenüber der Wissenschaft, insbesondere der Evolution, gesehen.

Schmid bilanzierte daher: «Wenn Freikirchen in der Öffentlichkeit ihr Stärken betonen und nicht ihre kontroversen Haltungen zu geltenden Auffassungen, sind sie viel erfolgreicher.» Gerade stark wachsende Bewegungen müssten gut auf ihr Äusserungen bzw. auf die Aussenwahrnehmung ihrer Aktivitäten und Botschaften achten.

Quotenjournalismus als verbreitetes Problem

Schmid bestätigte in der Diskussion aber auch, dass Zitate, welche Journalisten bei Vertretern von Freikirchen einholen, oft in einen andern Kontext als den Beabsichtigten gestellt und verkürzt wiedergegeben werden. Damit haben etliche Leiter unliebsame Erfahrungen gemacht. Der von Medienleuten regelmässig konsultierte Experte macht selbst die Erfahrung, dass Medienleute nicht immer ethisch handeln, sondern auf die Auflage schielen. Ethisch basierte Medienarbeit sei auf dem Rückzug.

Um auf kritische Vorfälle vorbereitet zu sein, empfahl Schmid dem Freikirchenverband, zu kritischen Themen Positionspapiere zu erstellen, die im konkreten Fall schnell ausgehändigt werden könnten. Wichtig sei auch, darlegen zu können, dass soziale Arbeit nicht als Mittel der Evangelisation benutzt werde.

Sind trotzdem manchmal schlechte Nachrichten besser als gar keine? Sollen Freikirchen lediglich Zurückhaltung üben und im Stillen wirken? Eine Frage, die zum Schluss kontrovers diskutiert wurde.

Webseite:
Freikirchen

Datum: 18.09.2012
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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