Rudolf Szabo

Im Knast Freiheit gefunden

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Rudolf Szabo (Bild: SCM Hänssler)
Angetrieben von enormer Wut und ohne Rücksicht auf Verluste raubt Rudolf Szabo sieben Banken aus. Im Gefängnis erklärt ihm der Pfarrer das Prinzip von Saat und Ernte, und Szabo erkennt: Gott kann befreien – auch von der grössten Schuld. Jetzt erscheint ein Buch über sein illustres Leben.

Anfang der 90er-Jahre hatte sich Rudolf Szabo – 1959 in einer österreichisch-ungarischen Familie in Wien geboren und ab dem 7. Altersjahr in der Ostschweiz aufgewachsen – als Bauunternehmer selbständig gemacht. 1994 brachte ihn die Bankenkrise aber in arge finanzielle Nöte. Um keine Mitarbeiter entlassen zu müssen, wollte er einen Zusatzkredit bei der Bank aufnehmen. Dieser wurde ihm aber nicht gewährt, weil sein Geschäft schon vorher in Schieflage geraten war.

Auch privat schwammen Szabo die Felle davon. Seine Frau wandte sich von ihm ab, betrog ihn und verliess ihn zusammen mit den fünf Kindern. Sie beanspruchte über 6000 Franken pro Monat an Alimenten. Bankrott beschloss Szabo, sich das dringend benötigte Geld selber zu holen. Sieben Post- und Bankfilialen hat Rudolf Szabo Mitte der 1990er-Jahre in den Kantonen Zürich und St. Gallen überfallen. Dabei ging er skrupellos vor. In einem Fall schreckte er nicht davor zurück, die Frau und die Kinder des Posthalters mit gezückter Waffe als Geiseln zu nehmen. Sie waren ausgerechnet während seines ansonsten minutiös geplanten Überfalls am Tatort aufgetaucht. In einem anderen Fall hielt er die stellvertretende Filialleiterin der Post minutenlang mit der Waffe in Schach, während seine Komplizen die Tresore räumten. Dabei machte ihm der Mut der Frau Eindruck, weil sie ihm zu verstehen gab, dass sie sich schützend vor ihre Mitarbeiter stelle und er sie als Erste im Raum erschiessen müsse.

Wandlung im Gefängnis

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Zeichnung für den Vater
Rudolf Szabo wurde gefasst und zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Wegen guter Führung kam er 2002, nach sechs Jahren im Knast, auf Bewährung frei. Jetzt beschreibt er sein Leben im Buch «Knallhart durchgezogen» (SCM Hänssler). Im Gefängnis dachte Szabo viel über seine Taten nach und was ihn dazu bewogen hatte. Der katholische Pfarrer besuchte ihn regelmässig. «Er hat mir einfach zugehört», sagt Szabo, «ohne mich zu verurteilen oder mir eine Predigt zu halten.»

Am Schluss jedes Besuches fragte der Pfarrer, ob er mit ihm das «Vaterunser» beten dürfe. Das berührte den Gefangenen sehr. Noch im Gefängnis begann Szabo eine freiwillige vierjährige Gesprächstherapie, welche für ihn sehr herausfordernd war. Er lernte einzusehen, dass er für die Taten verantwortlich war und dass er nicht seinen damaligen Lebensumständen die Schuld geben konnte. Hinter den Mauern realisierte Szabo auch, welches Leid er seiner eigenen Familie angetan und welche psychischen Schäden er seinen Opfern zugefügt hatte. Schon während und dann auch nach der Haft nahm er Kontakt zu den Betroffenen auf. Er schrieb ihnen einen Brief, in dem er die Opfer um Entschuldigung bat und ihnen ein Gespräch anbot, um zu erfahren, wie es ihnen gehe. Drei seiner Opfer nahmen sein Kontaktangebot an. Die Gespräche fanden im Beisein einer Anwältin statt, welche sich als Präsidentin der Opferhilfe für Wiedergutmachung einsetzte.

Ein Gespräch ging ihm besonders nahe. Jenes mit der Filialleiterin, welche sich damals so mutig zwischen ihn und die Mitarbeiter gestellt hatte. Diese Frau hatte eine Woche nach dem Überfall einen Zusammenbruch erlitten und hat seither Lähmungen. Beim Gespräch sagte sie Szabo, wie sehr sie ihm alles Schlechte gewünscht, dann aber gesehen habe, dass er wirklich an sich arbeiten wolle und deshalb zu diesem Gespräch gekommen sei. Die Einsicht, dass er am Leiden der Frau schuld war, traf Szabo zutiefst.

Von der Schuldenlast befreit

2005 konnte Rudolf Szabo eine pädagogische Ausbildung beginnen. Er lernte einen Teilnehmer kennen, der später Pastor und sein Arbeitgeber bei der beruflichen Integration von straffällig gewordenen Jugendlichen wurde. Es war dieser Pastor und Freund, der mit Szabo in einer Art Meditation den Kreuzweg Christi ging.

Beim Betrachten der einzelnen Stationen des Kreuzwegs versetzte Szabo sich an die Stelle des einen Verbrechers, der mit Jesus gekreuzigt worden war und dem Christus sagte: «Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein!» Da verstand er, dass er Vergebung seiner Schuld empfangen hatte. «Das ging sehr tief», sagt er im Rückblick. «Es war ein Wunder! In dem Moment fielen alle meine Schuldgefühle wie ein schwerer Rucksack von mir ab. Ich hatte die Gewissheit, dass Jesus Christus mir vergeben hat!»

Szabo wusste, dass er seine Taten nicht ungeschehen machen konnte. «Die Schuld bleibt, aber die Last dieser Schuld war weg!» Er beschloss, nie wieder ein Verbrechen zu begehen. In den Jahren 2007 bis 2009 arbeitete er im Rahmen des für die Schweiz bisher einzigartigen Projekts «Restaurative Justiz» in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg mit zwei ehemaligen Opfern zusammen. Die Bewältigung ihrer Traumata stand dabei für Szabo im Mittelpunkt. Beim Projekt «Restaurative Justiz» treffen Opfer ihre Täter oder solche, welche ein ähnliches Verbrechen begangen haben. Die Aufarbeitung der Tat ist zentral. Die Täter sollen die Konsequenzen ihrer Taten verstehen und Mitgefühl für die Opfer entwickeln lernen. Im vergangenen Dezember erschien dazu der Dokumentarfilm «Je ne te voyais pas» von François Kohler. Auch Rudolf Szabo und zwei seiner ehemaligen Opfer spielen darin eine Rolle.

Gibt es heute Momente, in denen Szabo von seiner Vergangenheit wieder eingeholt wird? «Das Schlimmste ist die ewige Schuldenfalle», sagt er. «Immer Ende Jahr bekommst du von deinen Gläubigern eine Erinnerung, dass noch vieles ausstehend ist. Nach über 25 Jahren macht es dann in akuten Zeiten wie Ende Jahr leicht depressiv.» Nach der Entlassung aus dem Gefängnis hatte Szabo über 600'000 Franken Schulden: Schaden- und Gerichtskosten, Geschäftsschulden, bevorschusste Alimente, die er auch heute noch an die früheren Wohnsitzgemeinden seiner Ex-Frau abzahlt. Seine Gläubiger konnten sich nicht auf eine Reduzierung oder einen Erlass einigen. Seit der Entlassung aus dem Gefängnis lebt Szabo am Existenzminimum; alles, was darüber geht, wird ihm per Lohnpfändung weggenommen. Aktuell hat er noch knapp 200'000 Franken Schulden.

Bankräuber wird Buchautor

In seinem Buch mit dem Titel «Knallhart durchgezogen» will Szabo straffällig gewordenen jungen Männern aufzeigen, wie zentral der Wille zur Veränderung ist. «Ohne den festen Entschluss, an sich zu arbeiten, wird ein Täter nach der Verbüssung seiner Haft rückfällig und die Spirale dreht sich weiter», sagt er. Das weiss er aus eigener Erfahrung. Es ist Rudolf Szabo wichtig, aufzuzeigen, wie Psychologie und der christliche Glaube einem Menschen helfen können, sich zu ändern. Gleichzeitig ist ihm bewusst: «Sich und eingeschliffene Verhaltensmuster zu ändern, das ist Schwerstarbeit.»

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Datum: 19.04.2021
Autor: Dorothee Baumgartner
Quelle: IDEA Schweiz

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