Gebrauchsanleitung zum Leben

Der «Prediger» heilt von Zynismus

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Das biblische Buch «Kohelet» oder «Prediger» im Alten Testament gehört nicht unbedingt zu den am meisten gelesenen oder gepredigten Texten. Sperrig erscheint es vielen, seltsam «weltlich», da Gott kein einziges Mal erwähnt wird. Wenn der Autor und Theologieprofessor J.I. Packer nach seinem Lieblingsbuch gefragt wird, nennt er trotzdem gerade den Prediger und ergänzt: «Er heilte mich von meinem Zynismus.»

Zugeschrieben wird das Predigerbuch König Salomo. Es hat zwölf Kapitel und lässt sich in weniger als einer halben Stunde durchlesen. Bekannt ist es vor allem für Aussagen wie «alles ist eitel – vergänglich». Doch was hat dieses Buch mit Zynismus zu tun und wie kann es davon befreien?

Erfrischend realistisch

Zuerst einmal ist es immer wohltuend, ein Buch zu lesen, mit dessen Autor man irgendwie auf einer Wellenlänge ist. Der «Prediger» (das hebräische Wort Kohelet bedeutet Sammler) war in jedem Fall ein weiser, ein nachdenklicher Mensch, der brillant mit Worten umgehen konnte. Und er hat hart daran gearbeitet, treffende Worte zu finden (Prediger 12,10). All dies würde gut zum weisen Salomo am Ende seines Lebens passen. Auf jeden Fall beschreibt der Autor sehr realistisch die Härten unseres Daseins. Und obwohl das Buch an manchen Stellen pessimistisch klingt, überwiegt immer wieder die Freude. J.I. Packer wünscht sich dabei: «Ich weiss nicht, in wieweit das mit dem Bild übereinstimmt, das Menschen von mir haben, aber so möchte ich mich selbst gern sehen – und deshalb erkenne ich einen verwandten Geist im Prediger.»

Leben lernen

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J. I. Packer
Das Buch Prediger gehört zur alttestamentlichen Weisheitsliteratur. Die Psalmen lehren uns beten, die Sprüche Benehmen, das Hohelied, wie wir lieben, Hiob, wie wir leiden und Prediger, wie wir leben können. Und zwar realistisch und ehrfürchtig, voll Weisheit und Freude. Wer den Prediger noch nicht weiter als bis zum dritten Kapitel gelesen hat, sieht darin vielleicht nur Dunkelheit und Durcheinander. Doch schon Kapitel 2, Vers 26 geht auf das zentrale Thema Freude ein: «Dem Menschen, der ihm gefällt, gibt er Weisheit, Verstand und Freude…» Das Buch ist ein einziges Nachdenken über das Leben an sich. Seine beiden Hauptteile sind theologisch und inhaltlich durch drei wiederholte Befehle und zwei Redewendungen miteinander verbunden.

Ehren, Erkennen und Erinnern

- Ehre Gott: Gottesfurcht zieht sich wie ein roter Faden durch den Text, steht aber im Prediger nicht für Angst, sondern für vertrauensvollen Gehorsam (Kapitel 3, Vers 14; 5,7; 7,18; 8,12-13; 12,13).
- Erkenne Gutes: Immer wieder wird betont, dass wir Gottes Gaben dankbar annehmen können (Kapitel 2, Vers 24-26; 5,18-19; 8,15; 9,7-9).
- Erinnere dich: Gott beurteilt uns nach unserem Tun (Kapitel 3, Vers 17; 5,6; 7,29; 8,13; 11,9; 12,14).

«Alles ist eitel … unter der Sonne»

Zwei weitere Ausdrücke binden den Buchinhalt zusammen. Einer ist der Satz: «Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel.» Dieser bildet Anfang und Schluss des Buchs (Kapitel 1, Vers 2; Kapitel 12, Vers 8). Eitel bedeutet wörtlich «Dampf» und «Nebel» und ist wie der Ausdruck «Haschen nach Wind» ein Hinweis auf Leere, Sinnlosigkeit, fruchtlose Bemühungen, von denen die Welt laut Prediger voll ist.

Der zweite ist die Formulierung «unter der Sonne». 29-mal zeigt sie im Buch verschiedenste Standpunkte und Einstellungen, wie sie rein diesseitig beurteilt erscheinen, ohne Bezug zu Gott.

Der Sinn fehlt

Die ersten sechs Kapitel im Prediger sind eine Art Talfahrt «unter der Sonne». Die natürliche Ordnung, Weisheit an sich, Genusssucht, harte Arbeit, Geldverdienen, das Rechtssystem und (unechte) Religiosität – all dies umgibt uns, gehört zu unserer persönlichen Erfahrung wie zu der des Predigers. Dieser befragt die scheinbaren Ziele daraufhin, ob sie unserem Dasein einen Sinn und Erfüllung geben können, aber die Anfrage schlägt fehl – all dies scheint nicht der richtige Zugang zu einem erfüllten Leben mit Gott zu sein. Und das, obwohl Gott ja «die Ewigkeit in ihr Herz gelegt» (Kapitel 3, Vers 11) hat.

Festhalten an der Weisheit

In der zweiten Buchhälfte greift der Autor unterschiedlichste Ereignisse heraus. Und er zeigt damit, dass es sich trotz aller Fehlschläge und Dunkelheiten des Lebens lohnt, an der Weisheit festzuhalten. Nach ihr zu streben. Auch wenn sie kein kurzfristig erreichbares Ziel ist. Als feierlichen Abschluss konstatiert der Prediger: «Lasst uns die Hauptsumme aller Lehre hören: Fürchte Gott und halte seine Gebote; denn das gilt für alle Menschen. Denn Gott wird alle Werke vor Gericht bringen, alles, was verborgen ist, es sei gut oder böse.» (Kapitel 12, Verse 13-14)

Eine Theologie der Freude

Doch nicht nur Zu-kurz-Kommen und ein Festhalten an der Weisheit, die noch nicht ganz greifbar ist, bestimmen das alttestamentliche Buch. Auch Freude wird darin an vielen Stellen betont. Die Freude an Christus und der Erlösung durch ihn geht sicher tiefer, doch auch der Prediger feiert Freude als Gottes Geschenk, die sich in alltäglichen Aktivitäten und Beziehungen widerspiegelt.

- «Ist's nun nicht besser für den Menschen, dass er esse und trinke und seine Seele guter Dinge sei bei seinem Mühen? Doch dies sah ich auch, dass es von Gottes Hand kommt.» (Kapitel 2, 24)
- «Darum pries ich die Freude…» (Kapitel 8, Verse 15)
- «Geniesse das Leben mit deiner Frau, die du lieb hast.» (Kapitel 9, Vers 9)

Freude statt Zynismus

J.I. Packer unterstreicht: «Zyniker sind Menschen, die am Guten im Leben zweifeln… Ihr verletzter Stolz verbietet ihnen, andere als weise zu sehen, gleichzeitig sehen sie sich selber als mutige Realisten.» Im Rückblick stellt der bekannte Theologe fest, dass der Prediger ihn bereits als jungen Menschen genau davor bewahrt hat. Nach einem Unfall als Kind musste er lange eine Aluminiumplatte auf seinem Kopf tragen, die ein Loch im Schädelknochen abdeckte. Der schüchterne Junge durfte weder schwimmen noch sonst einen Sport treiben – er wurde einsam und bitter. Und das Fehlen von schönen Erlebnissen liess ihn zynisch werden.

Aber der Realismus des Predigers mit seiner Betonung auf Freude statt Verbitterung stellte eine Weiche in Packers Leben. So kommt er für sich und andere zu dem Schluss: «Zu stolz zu sein, das zu geniessen, was man geniessen kann, ist ein echter Mangel. Einer, den man schnell korrigieren sollte. Was ich vor langer Zeit entdecken musste, stimmt immer noch: dass mit Gott gewöhnliche Dinge solche Freude bringen können, dass sie unseren Zynismus heilen.»

Zum Thema:
Bekannte Redewendung: Woher stammt «Nichts Neues unter der Sonne»?
Wenn die Seele Schaden nimmt: Was nützt es, die ganze Welt zu gewinnen?
Filmdirektor Richard Ramsey: «Die wichtigste Hoffnung: Das Leben hat einen Sinn!»

Datum: 12.09.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Christianity Today

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