Was schrieb Jesus in den Sand?

Jesus hat nichts Schriftliches hinterlassen. In der Bibel wird nur ein einziges Mal erwähnt, dass er überhaupt geschrieben hat. Was er da in den Sand geschrieben haben soll, erfahren wir nicht direkt. Dennoch ist diese Überlieferung mehr als nur ein erzählerisches Element.

Alles, was Menschen planen, schaffen und hoffen, trägt ein unsichtbares Verfallsdatum. Was wir denken, sagen und schreiben, ist oft bald Schnee von gestern. Vielleicht üben die Zeugnisse der Vergangenheit - ausgegrabene Steine, Knochen oder Papyrusfetzen - deshalb eine so starke Faszination aus, weil sie uns ein Stück "Unvergänglichkeit" vortäuschen.

Unvergängliche Worte

Gehört das, was Jesus in den Sand geschrieben hat, auch in die Kategorie "In den Wind geschrieben und verweht"? Bis heute haben die Worte von Jesus Christus nichts von der Kraft verloren und sind einzigartig in der Weltliteratur. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, was Jesus Christus mit seiner Aussage "Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen" zum Ausdruck bringen will.

Die Falle

Die Szene beginnt ganz harmlos. Jesus kommt zum Tempel, um dort nach Art der Schriftgelehrten einen Vortrag zu halten. Doch kaum setzt er dazu an, schleppen seine Gegner eine Frau an, die beim Ehebruch ertappte wurde.

Jesus soll über den Fall entscheiden, denn das Gesetz aus dem Alten Testament verlangt, dass diese Frau gesteinigt werden muss. Eigentlich stecken hinterhältige Motive dahinter. Jesus hatte sich dazu bekannt, das Gesetz erfüllen zu wollen. Andererseits hat sich Jesus zum "Freund der Sünder und Zöllner" erklärt und gesagt: "Ich richte niemanden!" Das Vorgehen der Ankläger ist eine Falle: Jesus soll Stellung nehmen, damit er durch seine Antwort selber zu Fall gebracht werden kann. Dann ist nicht die Frau, sondern er angeklagt.

Schützt er diese Frau nicht, dann verliert Jesus seinen Ruf als "Freund der Zöllner und Sünder". Beschützt er aber selbst eine solche Ehebrecherin, dann ist Jesus vor jedem entlarvt, der es überhaupt noch ernst meint mit Gottes Geboten. Wie sich Jesus auch entscheidet, man konnte sein Urteil gegen ihn verwenden.

Jesus schreibt in den Sand

Doch die Souveränität Jesus zeigt sich darin, dass er sich dieser Alternative durch eine vielsagende Geste entzieht: Er bückt sich und schreibt in den Sand auf den Boden. Die Ausleger früherer Zeiten haben sich oft gefragt, was Jesus da wohl in den Sand geschrieben hat. Als ob es darauf ankäme! Nein, was die Situation in eine andere, gute Richtung lenkt, sind nicht die unbekannten Worte im Sand. Es ist vielmehr die ruhige Nachdenklichkeit Jesu. Jesus lässt sich nicht zu einem schnellen Urteil verleiten. Er bewertet nicht gleich. Er denkt nach. Er überlegt. Er lässt sich Zeit. Er unterbricht die Aufgeregtheit der Ordnungshüter.

Als seine Gegner dennoch weiterfragen, richtet sich Jesus nur kurz auf, sagt seinen berühmten Satz "Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!" und bückt sich erneut und schreibt weiter.

Damit bezieht sich Jesus auf eine Aussage des Propheten Jeremia (Die Bibel, Jeremia, Kapitel 17, Vers 13): "Alle, die dich verlassen, werden zuschanden, die sich von dir abwenden, werden in den Staub geschrieben; denn sie haben den Herrn verlassen, den Quell lebendigen Wassers."

Ob Gott sowohl gerecht wie auch erbarmend und verzeihend handelt, fragen diese Schriftgelehrten erst gar nicht. Damit verlassen sie ihrerseits den "Quell lebendigen Wassers", weil sie Gott ihren Vorstellungen unterwerfen wollen.

Rückzug ohne Gesichtsverlust

Vor diesem Hintergrund wird der Fortgang der Szene verständlich: Die Ankläger verschwinden. Hätte Jesus die Gesetzeslehrer direkt konfrontiert, wären die Emotionen weiter hochgekocht. So aber lässt er ihnen Zeit zum Nachdenken. Und er erlaubt ihnen den Rückzug ohne Gesichtsverlust.

Und dann der Höhepunkt der Geschichte. Jesus richtet sich auf. Er spricht das Urteil, das mit einer Frage beginnt. Doch diese Frage bezieht sich nicht auf die Verfehlung der Angeklagten, sondern auf das Verhalten der Ankläger: "Frau, wo sind sie geblieben, hat dich keiner verurteilt"? Als die Frau verneint, folgt das unerhoffte Wort: "Dann werde auch ich dich nicht verurteilen. Doch sündige nun nicht mehr."

Güte und Wahrheit miteinander im Einklang bringen

Das Problem bestand darin, wie Recht und Gnade miteinander harmonieren können. Das Gesetz fordert die Strafe. Wenn niemand mehr die Gesetze einhalten muss, dann führt das zum Chaos.

Die Rechtsgrundlage für diesen Freispruch besteht darin, dass der, welcher da zur Sünderin sagte: "Ich verdamme dich nicht!" kurze Zeit danach an ihrer Stelle selbst zum Tode verurteilt wurde. Nur darum ergeht jetzt kein Urteil für die, die mit Jesu sind. Jesus wusste um die Schwäche des Menschen. In immer neuen Bildern hat er uns die Liebe Gottes vor Augen geführt. Es ist das Bild jenes Gottes, von dem es am Ende des neuen Testamentes heisst, dass er grösser ist als unser Herz.


Autor: Bruno Graber
Quelle: Jesus.ch

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