Angesichts der wachsenden kulturellen und ideologischen Vielfalt in der Schweiz stellt sich die Frage, ob und in welchem Rahmen christliche Feste an den öffentlichen Schulen thematisiert und gefeiert werden. «idea Spektrum» hat bei den Bildungsdirektionen nachgefragt und erfreulich viele Antworten erhalten.
Wird Weihnachten zum Anlass ohne Inhalt? Ein Gerichtsurteil aus dem Kanton Aargau veranschaulicht die Spannungen und Widersprüche, die sich zwischen dem Bekenntnis zur christlichabendländischen Kultur und dem modernen, religiös neutralen Rechtsstaat auftun: Solange Weihnachtsgeschichten, Weihnachtslieder und Krippenspiele nur einen bescheidenen Raum einnehmen und «keine religiöse Unterweisung und Erbauung» zum Ziel haben, werde nicht gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit verstossen. Ein Krippenspiel sei problematisch, da es deutlich mehr Zeit benötige und die Kinder stärker beanspruche als das Singen einzelner Lieder. Somit gehöre es in einen Rahmen eingebettet, der Hinweise auf andere Religionen beziehungsweise Weltanschauungen sowie deren Umgang mit Weihnachten beinhalte.
Die zaghaft angetretene Gratwanderung zwischen christlicher Leitkultur und religiöser Neutralität des Staates gleicht einem verkrampften Spagat: Christliche Leitkultur ja bitte, aber nur mit religionsneutralem Inhalt. Im Bezug auf Weihnachten bedeutet dies: Ja zu Weihnachten mit den dazugehörigen Bräuchen und Ritualen, nein zur Weihnachtsbotschaft.
Ziel: «Neutraler Unterricht»
Die fortschreitende Säkularisierung des Staates gepaart mit der Pluralisierung der Gesellschaft, erschwert die Beantwortung der Sinnfrage von Weihnachten an den Schulen zusehends. Es bleibt bei oberflächlichen Aspekten des Weihnachtsfests, ohne Inhalt. Dies bestätigt auch die Umfrage von «idea Spektrum»: Zwar sind Weihnachtsfeiern in sämtlichen Kantonen erlaubt, und nirgends kennt man ein Verbot oder eine Empfehlung zur Ächtung gewisser Weihnachtslieder. Die meisten Kantone aber schreiben vor, dass die religiöse Neutralität der Volksschule unbedingt gewahrt werden müsse. Wie ein neutraler Unterricht auszusehen hat, wird allerdings nirgends erläutert und ist konkret nur schwer vorstellbar. Letztlich liegt es an der Schulleitung und den einzelnen Lehrpersonen, ob und wie Weihnachten gefeiert wird.
Im Kanton Basel-Stadt etwa, wo je nach Schulklasse auch religiöse Feste anderer Religionen thematisiert und gefeiert werden, erfordert die Gestaltung der Weihnachtsfeier entsprechend viel Feingefühl. Viel Freiheit in der Gestaltung haben hingegen Lehrpersonen im Kanton Graubünden: «In Graubünden gibt es rund 140 Schulträgerschaften, die in sieben verschiedenen Schulsprachen ihren Schulunterricht autonom organisieren. Unser Kanton ist extrem vielfältig, so auch der Umgang mit Weihnachten in der Schule. Es gibt weder Richtlinien noch Vorgaben», sagt Regierungsrat Martin Jäger. Ähnlich sieht es in den Kantonen Jura, Solothurn und Appenzell-Ausserrhoden aus, wo man von Kantonsseite keinerlei Vorgaben zu Weihnachtsfeiern, Lesetexten und der Liederauswahl an den die Schulen macht.
Wichtiger Platz
Im Kanton Glarus wird dem Thema Weihnachten ein wichtiger Platz eingeräumt. «Wir unterstützen Weihnachtsfeiern ideell und auf Gemeindeebene auch finanziell. In den Schulen werden täglich Geschichten vorgelesen und mehr als sonst gesungen. Daneben werden Weihnachtsspiele einstudiert, gebastelt und gebacken», erklärt Andrea Glarner von der Abteilung Volksschule und Sport des Bildungsdepartements. Zum festen Bestandteil des Lehrplans gehören Bräuche und christliche Feste in St. Gallen, wo Weihnachtsfeiern an den Schulen eine lange Tradition haben. Monika Knill, Thurgauer Regierungsrätin, betont, dass «adventliche Aktivitäten und Weihnachtsfeiern an den Schulen meist positiv prägende, schöne Momente sind und gerade für Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen zu einem besonders wertvollen Ereignis werden können».
Martin Wendelspiess schreibt im Auftrag der Zürcher Regierungsrätin Regine Aeppli, dass «die Schule auch die Aufgabe hat, die Kinder mit unserer Tradition, unseren Festen und unserer Herkunft vertraut zu machen. Dazu gehören weihnächtliche Bräuche und Rituale, unter Wahrung der konfessionellen Neutralität der Volksschule». Im Kanton Freiburg möchte man «alle Kinder dazu ermuntern, sich mit den christlich geprägten kulturellen Werten und Traditionen unserer Gesellschaft vertraut zu machen.» Dazu zwingen kann man allerdings niemanden. So begrüsst auch Regierungsrat Urs Wüthrich-Pelloli aus dem Kanton Basel-Land Weihnachtsfeiern an den Schulen, sofern damit keine Verpflichtung zur Mitwirkung verbunden sei und nicht «missioniert» werde.
Regierungsrat Stephan Schleiss freut sich an jeder Weihnachtsfeier an Zuger Schulen. «Natürlich wird aber niemand zur Teilnahme an einem Weihnachtsgottesdienst oder zum Mitsingen christlicher Weihnachtslieder gezwungen. Die betreffenden Schülerinnen und Schüler können in dieser Zeit durch ihre Lehrpersonen anderweitig beschäftigt werden; frei haben sie nicht.» Auch im Kanton Bern werden Weihnachtsfeiern unterstützt, «sofern vor Ort die gebührende Rücksicht auf Andersgläubige genommen wird. Die Schulen sind sich bewusst, dass Weihnachten nicht für alle Kinder die gleiche Bedeutung hat.»
Wenig Verständnis für Umfrage
Nicht speziell unterstützt werden Weihnachtsfeiern in den Kantonen Luzern und Aargau. In beiden Kantonen findet Weihnachten im Fach «Ethik und Religion» ihren Platz, wo das Kennenlernen von Feiern und Festen der verschiedenen Religionen in den Themenbereich «Menschen geben ihrem Leben Gestalt» beziehungsweise «Bräuche erleben und gestalten» fällt. Darüber hinaus überlassen es beide Kantone den Schulen vor Ort, ob sie eigentliche Weihnachtsfeiern veranstalten und wie sie Weihnachten thematisieren möchten. Auf wenig Verständnis stiess die idea-Umfrage im Kanton Nidwalden. Die zuständige Landrätin Regula Wyss-Kurath wollte keine Stellungnahme abgeben.
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