Gross = gesegnet?

Warum Gemeinde gar nicht unbedingt wachsen muss

Grosse Gemeinde = gesegnete Gemeinde. Diese Gleichung scheint einleuchtend. Viele Bücher zu Gemeindewachstum propagieren sie. Viele Pastoren auf Konferenzen vertreten sie – meist sind Pastoren aus grossen Gemeinden die Redner. Und trotzdem ist sie falsch. Denn es gibt keine garantierten Schritte zum Gemeindewachstum. Weil jede Gemeinde aus Menschen besteht. Und weil Menschen ohne Garantie geliefert werden. Behauptet Karl Vaters im «Christianity Today»-Blog.

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Menschen beten Gott an.
Neulich las ich einen dieser Gemeindewachstums-Blogs. Sie wissen, wovon ich rede. Eine Aufzählung von Schritten, die Ihre Gemeinde gehen muss, um die jeweils nächste Hürde im Wachstum zu überwinden. Es war eine gute Liste. Bei jedem Prinzip darin ging es um geistliche Gesundheit. Tatsächlich kam mir das Ganze beim Lesen sehr bekannt vor. Als ich fertig war, bemerkte ich auch, warum. «Das ist doch meine Gemeinde», sagte ich lächelnd in den leeren Raum. «Wir leben all das. Und zwar seit Jahren. Cool!» Ja, das Bild, das der Autor von einer gesunden und wachsenden Gemeinde malte, war eine genaue Beschreibung der Gemeinde, in der ich als Pastor arbeite. Mit einem einzigen Unterschied. Trotz jahrelangem Befolgen aller gesunden Schritte auf der Liste zum Gemeindewachstum hat unsere Gemeinde noch keine Wachstumshürde übersprungen.

Die Schritte ja, aber ohne die Ergebnisse

Wie kann das sein? Wenn man die Schritte geht, dann erhält man doch auch die Ergebnisse, oder? Ich fragte mich, ob ich etwas falsch verstanden hatte. Also las ich den Beitrag noch einmal. Einzelne Schritte, um als Gemeinde zu wachsen, waren:

  • Geben Sie anderen mehr Anerkennung und Verantwortung.
  • Schulen Sie andere für pastorale Aufgaben.
  • Hören Sie auf, sich für das zu entschuldigen, was Sie nicht tun können.
  • Formulieren Sie eine nach aussen gerichtete Vision.

All dies sind gute Prinzipien. Gesunde Prinzipien. An ihnen war nichts verkehrt. Mein zweites Durchlesen bestätigte meinen ersten Eindruck. Es fühlte sich an wie unsere Gemeinde. Genau nach diesen Prinzipien arbeiteten wir – nicht perfekt, aber recht gut. Wenn wir nun alle Schritte gegangen sind und alle Prinzipien umgesetzt haben, warum haben wir keine Wachstumsrekorde gebrochen? Nicht einmal die 200-er-Barriere geknackt? Was fehlte?

Keine Wachstumsgarantie

Fairerweise muss ich zugeben, dass der Beitrag mit einem Hinweis eingeleitet wurde: «Auch das Erfüllen aller sechs Schritte ist keine Garantie dafür, dass Ihre Gemeinde wachsen wird, doch jede Gemeinde, die ich kenne, die die 200-er-, 400-er- oder gar 800-er-Mitgliedsmarke hinter sich gelassen hat, hat diese Entwicklungen mitgemacht.» Ich bin froh, dass der Autor diese wichtige Einschränkung machte. Alle Gemeinden, die Wachstumshürden überwinden, gehen die richtigen Schritte, aber nicht alle Gemeinden, die die richtigen Schritte gehen, überwinden Wachstumshürden. Dafür gibt es keine Garantie.

Allerdings herrscht in der Gemeindewachstumsbewegung oft die stillschweigende Annahme, dass Wachstum unausbleiblich wäre, wenn man diese Regeln befolgt. Die Schlussfolgerung ist so zwingend, dass sich ein Pastor, der diese Schritte geht und damit Erfolg hat, aber das versprochene Wachstum nicht sieht, schnell als Versager fühlt. Ich weiss das. Weil es mir genauso ging. Jahrelang fühlte ich mich als Versager, obwohl ich eine gesunde missionale Gemeinde leite. Denn die Zahlen wurden nie Wirklichkeit.

Die Berufung eines Pastors

Es gibt keine garantierten Schritte zum Gemeindewachstum. Weil jede Gemeinde aus Menschen besteht. Und weil Menschen ohne Garantie geliefert werden. Was also soll ein Pastor tun? Der einzige Rat, den ich geben kann, ist der folgende: Treue hilft uns nicht dabei, unsere Ziele zu erreichen. Treue ist das Ziel. Entdecken Sie, was Ihre Bestimmung und die Ihrer Gemeinde ist und bleiben Sie dieser Mission und diesem Dienst treu. Arbeiten Sie weiter auf eine gesunde und an Ihre Umgebung angepasste Weise. Räumen Sie Hindernisse auf Ihrem Weg zu Wachstum und Gesundheit aus dem Weg. Hören Sie auf, sich mit anderen zu vergleichen. Und entschuldigen Sie sich nicht länger. Lassen Sie Ihre Gemeinde von Gott mit dem Wachstum beschenken, das er Ihnen geben möchte. Selbst wenn es nicht das Wachstum ist, das Sie sich wünschen. Oder das die Gemeinde gegenüber erlebt. Lassen Sie Jesus einfach seine Gemeinde bauen.

Pastoren sind übrigens nicht dazu berufen, grössere Gemeinden zu bauen. Wir sind dazu berufen, Jünger zu machen. Die Heiligen auszurüsten. Gesunde Gemeinden zu leiten, damit sie erlösende Gemeinschaften voll hingegebener Nachfolger von Jesus werden. Unsere Gemeinschaft und unsere Welt gemeinsam zu erreichen, egal wie viele Leute sonntags auf unseren Stühlen landen oder nicht. Wenn Sie das tun, dann erfüllen Sie Ihre Berufung, wie gross oder klein Ihre Gemeinde auch sein mag.

(Übersetzung des Artikels «We Followed the Steps – Where’s the Church Growth?» von Karl Vaters)

Zum Thema:
«Gospel Forum»-Pastor: Warum Gemeinden wachsen oder schrumpfen
Auf allen Kontinenten: Wo sind die grössten Megachurches der Welt?

Datum: 31.08.2016
Autor: Hauke Burgarth / Karl Vaters
Quelle: Livenet / Christianity Today

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